Samstag, 12. Mai 2007

Verworrene Debatten

Ein Beispiel für die verworrene Art, in der hierzulande politische Debatten über Rußland und die GUS-Staaten geführt werden, ist dieser, im Zeichen der gegenwärtigen Staatskrise in der Ukraine verfaßte und mit "Partner des Westens" überschriebene Kommentar von Frank Umbach, seines Zeichens Experte der DGAP:
"[...]

Deutschland und die EU sollten sich auf die Seite des ukrainischen Präsidenten Juschtschenko schlagen. Denn er könnte zum Garanten für mehr Energiesicherheit der EU werden.

[...]"
Da wird Juschtschenko für die Parlamentsauflösung gelobt und Janukowitsch aller möglichen Sünden bezichtigt. Umbachs Text ist nicht der einzige aus deutscher Feder, in dem die Legitimität der einer Opposition gegen die eigenen "westlichen" Auffassungen bestritten und der Einsatz auch diktatorischer Mittel legitimiert wird - ein weiteres Beispiel für die Prinzipienlosigkeit der Prinzipienreiter. Daß eine Intervention der EU in den Konflikt - wie von Umbach gefordert - weiters die ukrainische Souveränität verletzen würde, wird natürlich nicht als Problem wahrgenommen.

Allerdings muß man Umbach zugute halten, daß er auch einen sachlichen Grund für sein Plädoyer anführt: die eminente Bedeutung der Ukraine für den Erdgastransport nach Europa, sowohl aus Rußland als auch aus dem kaspischen und zentralasiatischen Raum. In diesem Kontext erhebt er gegen Rußland den Vorwurf eines Mißbrauchs seines Pipelinemonopols:
"[...]

Zum einen sollte die Ukraine enger in die Bemühungen der EU eingebunden werden, für mehr Rechtssicherheit in Russland zu sorgen, Lieferunterbrechungen zu verhindern und freien Marktzugang zu erhalten. Russland missbraucht sein Pipelinemonopol, um den Zugang der Ukraine und Europas zu billigerem Gas aus Zentralasien zu beschränken. Es verstößt damit gegen die Energiecharta, die zukünftige WTO-Mitgliedschaft, europäisches Wettbewerbsrecht.

[...]"
Der von Umbach so bezeichnete Mißbrauch ist bei genauerer Betrachtung allerdings keiner, sondern nur ein völlig zulässiger Gebrauch seines faktischen Monopols durch Rußland, denn die von ihm genannten Gründe vermögen sämtlich nicht, sein Argument zu tragen.
Erstens kann schon deshalb kein Verstoß gegen die Energiecharta vorliegen, weil Rußland diesen Vertrag nicht ratifiziert hat und es auch nicht beabsichtigt. Und einen nicht geltenden Vertrag kann man nicht verletzen, Herr Umbach! Nämliches gilt für das angeführte "europäische Wettbewerbsrecht". Dieses im Rahmen der EU geltende Recht ist für Rußland logischerweise nicht verbindlich, da es nicht zur EU gehört. Wie schließlich, drittens, ein Verstoß gegen die "zukünftige WTO-Mitgliedschaft" aussehen soll (und was diese verunglückte Formulierung überhaupt zu bedeuten hat), wird wohl ebenfalls Umlands Geheimnis bleiben.

Entweder hat ein viel zitierter DGAP-Experte seine Hausaufgaben nicht gemacht, oder diese in einem wütenden Ton formulierten und - wie dargelegt - unsachlichen Anschuldigungen sind von anderen Motiven getragen. Es geht, wie in der gesamten Debatte über die Energiecharta, um den ungehinderten Zugang der EU zu den russischen Pipelines - und darum, daß Rußland (ebenso wie die ukrainische Regierung unter Janukowitsch) innenpolitisch nur bedingt ausländischen Wünschen entspricht. Rußland besteht heute darauf, in seinen eigenen Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Und das können sich Leute vom Schlage Umbachs nicht bieten lassen; der russische Bär hat gefälligst zu parieren und nach ihren Regeln zu spielen - selbstverständlich ohne adäquate Gegenleistung -, oder er wird bestraft. Da Putin sich aber nicht mehr so leicht einseitig beugt wie sein Vorgänger, bleiben nur noch Wutausbrüche.

Ähnlich vertrakt ist auch die Argumentation für die Erstellung der Nabucco-Pipeline. Da Rußland angeblich ein unzuverlässiger Partner sei (und außerdem Putin eine Art 'neuer Mini-Stalin'), wird nunmehr auf eine enge Kooperation mit dem allgemein als kaukasische Musterdemokratie bekannten Aserbaidschan gesetzt. Nicht nur Geld, auch Erdgas stinkt bekanntlich nicht. Damit machen sich Umbach und andere 'Demokratieexporteure' erneut unglaubwürdig. Man kann schlechterdings nicht die Demokratiedefizite in einem Staat kritisieren, um sodann die Beziehungen zu einem anderen, noch weniger demokratischen Staat zu vertiefen.
Anstatt nüchtern für eine - durchaus angezeigte - Diversifizierung der Energiequellen und -transportwege für die EU zu plädieren, muß unbedingt ein gerüttelt Maß an Russophobie beigemischt werden. Und: wenn man unbedingt zusätzliche "Rechtssicherheit" will, erscheint es angebracht, endlich über eine für alle Beteiligten akzeptable Modifikation der Energiecharta zu verhandeln, statt einseitig Druck auszuüben (wenn es nach Umland ginge vielleicht auch über eine Neuauflage der orangenen Revolution).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen