Freitag, 31. Juli 2009

31.07.2009: Videos des Tages

Am vergangenen Sonntag wurde in der Rußländischen Föderation der "Tag der Seekriegsflotte" begangen. Das folgende Video gibt einen kurzen Einblick in die Feiern sowie in Geschichte und Gegenwart der russischen Marine.





Das zweite Video zeigt Überwasserschiffe, U-Boote und Flugzeuge der Marine. Unterlegt ist es mit dem Lied "Dewjatyj wal" (dt.: Die neunte Welle).



Mittwoch, 29. Juli 2009

29.07.2009: Video des Tages

Heute vor 35 Jahren, am 29. Juli 1974, unterschrieb KGB-Chef Jurij Andropow den Aufstellungsbefehl für eine Spezialeinheit, die auf dem Gebiet der Sowjetunion Anti-Terror-Aufgaben wahrnehmen sollte und zu diesem Zweck der 7. Verwaltung des KGB (Überwachung) unterstellt wurde. Die damit geschaffene Spetsgruppa "A" (umgangssprachlich auch Alfa Team genannt) ist folglich die älteste polizeiliche Spezialeinheit auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion, die sich auf Geiselnahmen, Flugzeugentführungen und ähnliche Lagen fokussiert hat.
Mit dem Ende der UdSSR haben sich auch die Strukturen des Komitees für Staatssicherheit aufgelöst; heute existieren in mehreren Nachfolgestaaten der SU Spezialeinheiten mit dem Traditionsnamen "Alfa". So auch in der Ukraine, deren "Alfa"-Einheit dem Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU; ebenfalls ein KGB-Nachfolger) untersteht, und in Rußland, wo die Verwaltung "A" heute zum Zentrum für Spezialaufgaben des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) gehört.
Aus Anlaß dieses Jubiläums nachfolgend ein kurzes Video mit Szenen aus Ausbildung und Einsätzen der rußländischen "Alfa".




Weiterführende Links:
Assoziation der "Alfa"-Veteranen (russ.)
Spetsnaz Rossii (Zeitschrift der Veteranenorganisation, russ.)


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Sonntag, 26. Juli 2009

Sensation: Ein selbstkritischer Journalist


Die Qualität der Berichterstattung deutscher Medien aus und über Rußland gibt regelmäßig Anlaß zur Kritik, wobei die Beanstandungen von Übersimplifikation und Klischeehaftigkeit bis hin zur glatten Lüge reichen (ja, sogar bei der hessischen Tageszeitung mit den drei Buchstaben). Auf eine sehr sachliche Art ist diese Kritik etwa von Gabriele Krone-Schmalz in ihrem Buch "Was passiert in Russland?" vorgetragen worden (siehe auch hier). Drastischer hat es Ralf Brings (ein teilweise in Rußland tätiger Deutscher) ausgedrückt, der aus Ärger über die Medien seines Heimatlandes mehrere, sehr lesenswerte Glossen unter der Überschrift "Vom Elend der Rußlandreportagen" geschrieben hat.

Als vor ein paar Jahren Brings' Texte in diversen Blogs und Diskussionsforen vorgestellt wurden, erhob sich eine Protestwelle von "renommierten" Journalisten: Das sei unseriöse Medienschelte, mit der ein ehrbarer Berufsstand verunglimpft werde. Nun hat einer dieser Mainstreamjournalisten überraschenderweise selbst zwei Texte publiziert, in denen er einen kurzen Blick hinter die Kulissen des Korrespondentendaseins gewährt und ahnen läßt, daß an der Kritik von Krone-Schmalz, Brings u.a. sehr viel wahres ist.

Stefan Voß ist seit dem Jahr 2000 Moskau-Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur, wird diesen Posten aber demnächst verlassen, um danach aus Berlin über die deutsche Innenpolitik zu berichten. Somit war Voß einer der einflußreichsten deutschen Journalisten, der regelmäßig aus Rußland berichtet hat, denn viele kleinere Tageszeitungen (und andere Medien), die über keine eigenen Korrespondenten verfügen, bestreiten ihre Auslandsberichterstattung zu rund 98 % mit Produkten der DPA oder einer anderen Agentur.

Wegen seines bevorstehenden Abschieds aus Moskau scheint Voß nun von leichten Gewissensbissen geplagt zu werden, weshalb er - in unerwarteter Offenheit - in seinem Blog (selbst-)kritische Gedanken zur Arbeit der Medien äußert. Unter dem Datum vom 23.07.2009 schreibt er:
"[...]

Dass in Deutschland das originäre Interesse an der Auslandsberichterstattung stark nachgelassen hat, dürfte nicht nur Nachrichten aus unserem Sprengel betreffen. Es ist schon verrückt, dass sich vor gerade mal 20 Jahren noch ein hoher Prozentsatz der Deutschen für das Schicksal der Sandinisten in Nicaragua erwärmen konnte. Und heute? Hand hoch, wer sich noch wirklich für die innerrussischen Entwicklungen interessiert (von Nicaragua ganz zu schweigen). Dem Schwund des vorurteilsfreien Interesses am Fremden steht eine stark gestiegene Erwartungshaltung an die Berichterstattung aus dem Ausland entgegen. Gerne auch mit zutiefst subjektiver Einteilung in “gut” und “böse”, ausgerichtet an unseren abendländischen Überzeugungen von Individualismus, Liberalität und der universellen Gültigkeit von Menschenrechten.

Wie anders ist es zu erklären, dass eine Agenturmeldung über Herrn Putin sehr leicht ihren Platz in den Blättern findet, wenn der Leadsatz das Verb “drohen” aufzubieten hat? Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Konkurrenzmeldungen zum selben Thema, in denen Putin nicht droht, eben nicht sexy sind. Ein Beispiel: Vor einiger Zeit platzte Herrn Putin beim Thema Energiesicherheit mal wieder der Kragen. Als der finnische Ministerpräsidenten Vanhanen wegen der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline rumnörgelte, polterte Putin los: Wir müssen das Ding nicht bauen, wenn ihr nicht wollt. Wir können auch Flüssiggas rüberschiffen, das kommt euch aber teurer.

So, damit hatte Putin erstmals öffentlich (zumindest rhetorisch) die Ostsee-Pipeline in Frage gestellt. Das war neu, aber eben wesentlich weniger knackiger als der Leadsatz: Putin droht, die Ostsee-Pipeline nicht zu bauen. Natürlich gibt es bei der Zahl der Agenturen immer jemanden, der dieser Versuchung nicht widerstehen kann. Und gleich klingelt das Telefon bei uns: Warum schreibt ihr das nicht auch so – Putin droht? Antwort: Weil das Blödsinn ist. Die Russen wollen diese Pipeline (Weil sie sich nicht mehr mit den Ukrainern rumschlagen wollen. Die Europäer hingegen wollen für ihr teures Geld das Gas aus Russland haben, egal wie.)

Man muss auch als EU-Bürger Herrn Putin nicht unbedingt mögen. Aber es hilft zum Verständnis ungemein, wenn bei umstrittenen Themen wie Energiesicherheit oder Rüstungskontrolle nicht jede seiner Äußerungen gleich als Drohgebärde interpretiert wird. Wie im konkreten Fall: Da kann Putin nicht “drohen”, auf etwas zu verzichten, weil er selbst es am allermeisten haben möchte.

[...]"
Gestern hat Voss dann noch einmal nachgelegt:
"[...]

Wer als Auslandskorrespondent eine Liste mit den knackigsten Klischees seines Landes erstellt (bloß keine Hemmungen) und sie dann abarbeitet, darf sich der stürmischen Zuneigung der Heimatredaktion sicher sein. Für Russland wären das auf jeden Fall: Wodka, schöne Frauen, Atomkraft (wegen Tschernobyl), Eiseskälte, Luxus, Brutalität im Alltag, Bären und zunehmend auch gern randalierende oder sonstwie schräge Touristen.

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass die folgende Geschichte nicht totzukriegen ist. Russische Abenteuertouristen würden schwerstbewaffnet vor der Küste von Somalia auf einem Schiff umherzkreuzen, um Piraten anzulocken und sie dann in die Flucht zu ballern. Klar, logisch, so sind die Russen eben. Diesen Blödsinn muss irgendein österreichisches Medium schon vor Wochen ins Netz gestellt haben. Seitdem werden in Moskau immer wieder deutsche Korrespondenten von ihren Redaktionen mit erregten Anfragen heimgesucht. Die Antwort, dass das offensichtlich eine Erfindung ist und keines der schamlosen Moskauer Boulevardblätter die Geschichte je aufgegriffen hat, wird in Deutschland mit Enttäuschung quittiert (und nicht etwa mit Erleichterung, dass man ja um ein Haar einer Zeitungsente aufgesessen wäre).

Nur dass jetzt bitte kein falscher Eindruck entsteht: Wir versuchen es ja immer wieder mit Randthemen und Hintergrundberichten aus unserem Berichterstattungsgebiet – um dann regelmäßig mit einem Null-Abdruck belohnt zu werden. Als ich Ende der 1990er Jahre als Auslandskorrespondent loslegte, hieß es in einem solchen Fall, das heben sich die Kunden für einen anderen Tag auf. Sowas traut sich heute niemand mehr zu sagen, wo doch die Kunden (und nicht nur die) schon am Nachmittag nicht mehr wissen, was am Vormittag auf den Draht ging.

Den Vogel schießt als Korrespondent ab, wer zum KCO greift, dem Klischee-Cross-over. Zwei Top-Ten-Stereotypen in einer Geschichte verschmelzen. Neulich hatte ich Glück. Da kürte die russische Kernkraftlobby ihre “Miss Atom”. Bingo. Und als es dann auch noch ein Foto von der schönen Aljona (”strahlende Schönheit”) gab, die aus dem Kühlteich des AKW Nowoworonesch steigt, da war bei mir und später auch bei den Kunden kein Halten mehr.

[...]"
Ich möchte das jetzt nicht weiter kommentieren, habe aber gute Gründe für die Annahme, daß es bei der Berichterstattung aus anderen Staaten nicht viel besser aussieht. Selbst bei innenpolitischen Themen (wie etwa dem Waffenrecht) herrscht in unseren Medien häufig eine Kombination aus Sensationsgier und blanker Unwissenheit. Ich respektiere jede Meinung, wenn sie denn gut begründet ist und vor allem auf zutreffenden Fakten beruht; alles andere ist, objektiv betrachtet, schlecht für eine Demokratie.


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Freitag, 24. Juli 2009

Sprachkurs per Internet und Handy


Vorgestern ist mir (mit einigem Erschrecken) bewußt geworden, daß ich schon seit über anderthalb Jahren aus Mangel an Zeit und Gelegenheit keinen Russischunterricht im engeren Sinne mehr habe. Gewiß, ich lese viele Texte, telefoniere hin und wieder mit Freunden, höre Radio (z.B. Radio Chanson) und sehe fern (dem Internet sei Dank). Dennoch fehlt mir manchmal die dialogische Atmosphäre eines Sprachkurses.

Abhilfe versprechen hier die Podcasts von RusslandJournal.de, auf die ich via Twitter aufmerksam geworden bin. Also gleich die Folge 58 als MP3 heruntergeladen, auf mein Mobiltelefon kopiert und während der Zugfahrt angehört. Gut, die Mitreisenden gucken schon ein wenig komisch, wenn man die Vokabeln und Sätze leise vor sich hinmurmelt. ;-) Ansonsten ist das - für mein Empfinden - ein sehr gut gemachtes und instruktives Projekt. Das kann aber jeder anders sehen, denn erfahrungsgemäß muß bei Fremdsprachen immer die "Chemie" zwischen Lehrer und Schüler stimmen, was auch für solche Lernformen zutrifft.

Zu den einzelnen Folgen gibt es jeweils umfangreiche Begleitseiten, auf denen alle relevanten Informationen noch einmal schriftlich fixiert sind. Dazu kommen dann noch Querverweise zu früheren Folgen, in denen ein bestimmtes Thema schon einmal behandelt worden ist.
Natürlich haben diese Podcasts kein höheres akademisches Niveau. Ich bin mir nicht sicher, aber über B1 oder B2 dürfte es kaum hinausgehen. Gleichwohl helfen sie dabei, die Grundlagen und wichtigen Regeln zu rekapitulieren.

Kurzum: Sehr schön und professionell gemacht. Wünschen wir dem Podcast-Team also noch viel Erfolg!
(Apple-Nutzer können sie übrigens auch bei iTunes abbonieren.)

Weiterführende Links:
Russisch lernen mit Podcasts
Einfache Sprachübungen
Mehr zum Thema "Russisch lernen"
RusslandJournal.de (Startseite)
Blog über die russische Sprache und Kultur (geschrieben von einer Schwedin auf Englisch)


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Montag, 6. Juli 2009

Donnerstag, 2. Juli 2009

"Der russische Phönix"

Seit etwa drei, vier Jahren ist Rußland wieder stärker in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit gerückt. Im Fernsehen werden nicht mehr nur die ewig gleichen Reportagen über die kalte Taiga, den Wodka und Obdachlose, sondern auch politische Berichte gesendet. Und die großen Tageszeitungen haben die Verantwortung für Kommentare über die russische Politik zunehmend von den Moskau-Korrespondenten hin zu den deutschen Redaktionen verlagert. Zudem sind viele, oft populärwissenschaftlich angehauchte Monographien aus der Feder von mehr oder weniger sachkundigen Experten (bzw. solchen, die sich dafür halten) erschienen.

Ein ausgewiesener Experte (und daher zu einer Äußerung berufen) ist der österreichische Politologe, Hochschullehrer und Blogger Gerhard Mangott, dessen im Frühjahr erschienenes Buch „Der russische Phönix – Das Erbe aus der Asche“ hiermit angezeigt werden soll. Mangotts Forschungsschwerpunkte liegen auf den internationalen Beziehungen im allgemeinen und der Sicherheitspolitik im besonderen. In wissenschaftstheoretischer Hinsicht würde ich ihn bei den Realisten verorten.

Mangotts Darstellung der jüngsten rußländischen Geschichte beginnt während des Auseinanderbrechens der Sowjetunion und endet im Jahre 2008 mit der Analyse der Politik des neuen Präsidenten Medwedew. In der Sache geht es ihm nicht um ein Sittengemälde oder um eine allgemeine Gesellschaftsgeschichte, sondern – in klassischer Manier – um die Innen- und Außenpolitik und die damit zusammenhängenden ökonomischen und sozialen Aspekte. Dabei ist ihm eine kompakte und gut lesbare Abhandlung gelungen, die trotzdem geeignet ist, auch dem im Stoff stehenden Leser zahlreiche neue Einsichten zu vermitteln.

Das Buch zeichnet sich vor allem durch seinen konstruktiv-kritischen Ansatz aus. Mangott nennt die Probleme der Putin-Ära deutlich beim Namen, ohne dabei – wie viele andere – in eine Verklärung der Regierungszeit Boris Jelzins zu verfallen. So werden etwa die Ereignisse vom September 1993 (aus denen die heutige Staatsordnung erwachsen ist) zutreffenderweise als Jelzin-Putsch eingeordnet. Auch andere „heiße Eisen“ wie der Kaukasus oder die Frage der Energiesicherheit werden ausführlich erörtert. Dabei kommt Mangott zu schlüssigen Ergebnissen, die dem deutschsprachigen Durchschnittsleser aber ein wenig ungewöhnlich erscheinen könnten, da sie hierzulande in den Mainstreammedien kaum vorkommen.

Deshalb ist „Der russische Phönix“ auch eine echte Kaufempfehlung. Eine derartige Kombination aus hervorragender Sachkenntnis, glasklarer Argumentation und differenzierender Analyse, die nicht von ideologischen Voreingenommenheiten getrübt wird, ist derzeit nur selten zu finden. (Es gibt sogar Autoren – Beispiel: Michael Stürmer –, die Bücher über Rußland schreiben, ohne überhaupt der Sprache mächtig zu sein oder über imtimere Kenntnisse des Landes zu verfügen.)


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Mittwoch, 1. Juli 2009

Hetzjagd auf WK-II-Reenactors

Eine Provinzposse sondergleichen spielt sich gerade in Sachsen-Anhalt ab. Sie führt erstens vor Augen, wie verkrampft der Umgang mit der deutschen Militärgeschichte hierzulande immer noch ist. Ferner zeigt sich auch hier die "freie" Presse von ihrer häßlichsten Seite: Erst wird ein "Skandal" herbeigeredet und -geschrieben, über den man dann später "berichten" kann. Die ganze Angelegenheit offenbart, daß sich deutsche Journalisten in den Mainstreammedien ihre Arbeit kaum noch anders vorstellen können als in der Form von Kampagnenführung (gegen Raucher, gegen "Klimasünder", gegen den Papst, gegen die Legalwaffenbesitzer, gegen ein paar harmlose Uniformsammler usw.), wobei es am Ende ein Opfer geben muß: Entweder jemand tritt zurück, oder wird ausgeschlossen, oder wird von einem Gericht verurteilt oder, falls all das nicht hilft, muß eben ein Gesetz geändert werden. Sachorientierter, kritischer und distanzierter Qualitätsjournalismus bleibt dabei auf der Strecke.

Zum Hintergrund: Auf dem Sachsen-Anhalt-Tag 2009 in Thale hat der Förderverein für das Militärhistorische Museum Anhalt aus Dessau-Roßlau (über den ich hier schon einmal berichtet hatte) anläßlich des Kriegsendes 1945 ein paar seiner Mitglieder in zeitgenössischer Uniformierung auftreten lassen, wobei neben den amerikanischen und sowjetischen Streitkräften auch die deutsche Wehrmacht dargestellt worden ist. Ausschließlich an letzterem hat sich dann die Kritik entzündet, wobei sich ein gewisser Alexander Schierholz von der Mitteldeutschen Zeitung als Einpeitscher hervorgetan hat. Nachfolgend eine Dokumentation.

Die erste Meldung vom 17. Juni liest sich noch nüchtern und sachlich. Doch am 18. Juni geht es los:
"Am Tag nach der ersten Aufregung ist vor allem eine Frage offen: Wie konnte es passieren, dass beim Sachsen-Anhalt-Tag in Thale Mitglieder eines Militärtraditionsvereins aus Dessau-Roßlau in Uniformen der Wehrmacht und der Waffen-SS auftreten - und scheinbar niemand etwas davon mitbekommt?

"Spätestens vor Ort hätte auffallen müssen, dass da Leute in Nazi-Uniformen rumlaufen", kritisiert Wulf Gallert, Fraktionschef der Linken im Landtag. Wie es dazu kommen konnte, das müsse die Staatskanzlei als Veranstalter jetzt klären, fordert Gallert.

[...]"
Neben der Linkspartei springen jetzt auch andere Landespolitiker auf den Zug auf. Und das Potsdamer MGFA freut sich darüber, der ungeliebten Konkurrenz von Hobbyhistorikern und Reenactors eins auswischen zu können:
"[...]

Zu den Uniformen selbst sagte Regierungssprecherin Monika Zimmermann, sie sehe darin kein Problem. "Das ist ein historisches Bild gewesen." Innenminister Holger Hövelmann (SPD) nannte eine solche Traditionspflege dagegen geschmacklos: "Mit derartiger Scheinobjektivität ist die Aufklärung über die Schrecken von Krieg und Völkermord sicher nicht möglich." Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katrin Budde kritisierte, es werde "ein falscher Anschein von Normalität erweckt".

Kritik an dem Vereins-Auftritt in Thale übte auch das Militärgeschichtliche Forschungsamt Potsdam. Bei der Waffen-SS habe es sich um eine "verbrecherische Organisation" gehandelt, sagte Professor Rolf-Dieter Müller. Deren Uniformen während eines Landesfestes zur Schau zur stellen, sei "bedenklich und überflüssig". Der Argumentation des Vereines, es handele sich dabei um die Darstellung des Kriegsendes in der Region, sah Müller kritisch. "Dann hätten die Angehörigen von Wehrmacht und SS nicht in Siegerposen herumlaufen dürfen." Wenn die Organisatoren bei den Akteuren unsicher gewesen wären, hätten sie diesen Teil nicht in den Festumzug integrieren sollen."
Am gleichen Tag wird von Schierholz dann auch offen der Vorwurf der (in Deutschland strafbewehrten!) Verharmlosung des Nationalsozialismus erhoben:
"[...]

Weltoffenes und tolerantes Sachsen-Anhalt? Aber ja! Sachsen-Anhalt ist so tolerant, dass dort sogar Militärfans in Uniformen von Wehrmacht und Waffen-SS über das Landesfest marschieren dürfen. So am vorigen Wochenende in Thale. Ach so, die SS-Runen waren abgeklebt. Na, dann ist ja alles in Ordnung!

Sachsen-Anhalt ist auch das Land, das gemessen an der Einwohnerzahl bundesweit den traurigen Spitzenplatz bei rechtsextremer Gewalt einnimmt. Überfälle, die nicht selten von Tätern begangen werden, deren Gesinnung auf der nationalsozialistischen Ideologie basiert. Täter, die Wehrmacht und SS verherrlichen.

Gibt es da einen Zusammenhang? Leider ja. Nur scheint der vielen Leuten bisher nicht aufgefallen zu sein. Sie fanden, das ist erschreckend, die Vorgänge von Thale zunächst offenbar ganz normal - die Veranstalter, die den Verein aus Dessau-Roßlau zugelassen haben. Der dortige Oberbürgermeister, der sich fragen lassen muss, ob er nicht weiß, was sein eigener Verein tut. Und viele Festbesucher.

Das heißt nun nicht, dass die Dessauer Armeefreunde Neonazis wären. Dafür gibt es keine Belege, man muss ihnen noch nicht einmal Lust an der Provokation unterstellen. Schlichte Gedankenlosigkeit ist schlimm genug. Auftritte wie der in Thale sind dumm und verharmlosend, erst recht in einem Land, das solche massiven Probleme mit Rechtsextremismus hat.

[...]

Rätselhaft bleibt derweil, welches Geschichtsbild da eigentlich vermittelt werden soll. Dabei sollte klar sein: Der Nationalsozialismus eignet sich nicht für Folklore. Es spricht nichts dagegen, Militärgeschichte darzustellen, dabei darf auch das Dritte Reich nicht ausgespart werden. Aber bitte im Museum, wo Vorgänge eingeordnet und historische Zusammenhänge hergestellt werden können. Ein Volksfest ist dafür der falsche Ort."
Es kommt, wie es kommen muß. Zwar hat der Auftritt des Vereins - wie jetzt bestätigt wurde (und was man auch vorher hätte wissen können) - keinen Straftatbestand erfüllt, aber Polizei und Staatsanwaltschaft beugen sich dem Druck von Medien und Politik und leiten erstmal Ermittlungen ein. Unterdessen gerät der Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister Klemens Koschig immer stärker unter Druck. Man fordert, er solle aus dem Verein austreten. Koschig, der nicht nur Politiker ist, sondern sich auch als Regionalhistoriker einen Namen gemacht hat, weiß nicht recht, wie er reagieren soll. So distanziert er sich vorerst vom Verein und hofft auf personelle Konsequenzen.

Unterdessen hat die einseitige Berichterstattung die ersten Folgen in Form von Leserbriefen an die MZ gezeitigt. Dort heißt es etwa:
"[...]

Bei allem Respekt vor der Militärhistorie und vor dem Hobby anderer Leute - Soldaten des schlimmsten Regimes, das Deutschland je hervorbrachte, gehören nicht in dieser Form, unter voller Bewaffnung und in Siegerpose in einen Festumzug. Bei einigem Feingefühl hätte man die Wehrmachts- und SS-Soldaten entwaffnet durch die auf dem Bild dahinter befindlichen Amerikaner abführen lassen. So hätte der Verein seinen Fundus präsentieren können, ohne sich einem unrühmlichen Ruch auszusetzen.

[...]"
Und das ist noch einer der sachlicheren Kommentare.

Meine eigene Einschätzung der Causa: Der Förderverein ist klein und sehr engagiert bei der Darstellung der regionalen Militärgeschichte, wobei die NVA einen Schwerpunkt bildet. Soweit ich einzelne seiner Mitglieder kenne, kann man keineswegs von einer wie auch immer gearteten "Verharmlosung" der NS-Zeit sprechen. Im Gegenteil, in schriftlichen und mündlichen Äußerungen zeigt sich, daß viele dort m.E. ziemlich "linksdrehend" sind und an einem noch von der DDR-Historiographie geprägten Geschichtsbild und entsprechenden Begriffen festhalten. Es ist somit schlicht unverschämt, den Verein und seine Mitglieder in die Nähe von Neonazis zu rücken.

Vielsagend ist, daß nur die Darstellung deutscher Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg kritisiert wurde, nicht jedoch die amerikanischer und sowjetischer Truppen! Die bloße Präsentation deutscher Uniformen ist für viele Zeitgenossen offenbar unerträglich und verdammungswürdig, wenn nicht Guido Knopp & Co. ihren Senf dazugeben. Fast so, als könne man aus der komplexen deutschen Geschichte entfliehen, wenn man sie nur konsequent genug ignoriert.

Fraglich ist, welche längerfristigen Konsequenzen dieser "Skandal" haben wird. Es war in den letzten Jahren glücklicherweise möglich, daß sich die - auch hobbymäßige - Beschäftigung mit Militärgeschichte vom negativen Ruch der Verherrlichung einer bestimmten Ideologie befreien konnte. Auch in Deutschland konnten zunehmend Reenactments und Militärfahrzeugtreffen durchgeführt werden. Droht hier jetzt ein "roll back"? Wird diese Normalität wieder zurückweichen? Müssen deutsche Uniformgruppen künftig wieder ins Ausland - etwa nach Frankreich, England, Belgien, Polen, Rußland oder in die USA - ausweichen, wo man überhaupt kein Problem mit ihren Uniformen hat? Wohlgemerkt: Diese Staaten waren von 1939 bis 1945 unsere Gegner!


PS: Hierdurch wurde allerdings meine Entscheidung, keine deutsche Militaria zu sammeln, bestätigt. Viel zu stressig.


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