Dienstag, 29. März 2011

Gute Ideen


Die Frage, wie man den Schießsport populärer machen kann, insbesondere unter Vertretern der politischen und medialen Klassen, stellt sich nicht nur in Deutschland. In zwei Regionen Rußlands hat man dafür interessante Ansätze entwickelt.
In der Region Kamtschatka, ganz im Osten der RF, wurde kurzerhand ein Wettkampf der Abgeordneten des Regionalparlaments im Pistolenschießen veranstaltet (siehe hier).
In der Region Perm hat ein örtlicher Schießsportverband Journalisten zu einem Wettschießen eingeladen, wobei sogar Pokale unter den Schreiberlingen verteilt wurden (sieh hier).
Vielleicht könnte man dies auch hierzulande einmal versuchen?












Verwandte Beiträge:
Schießsport im Fernsehen
Stefan Raab auf dem Schießstand
War Mozart ein potentieller Amokläufer?
26.08.2009: Bilder des Tages
19.03.2009: Bilder des Tages
20.03.2009: Bilder des Tages
21.03.2009: Bilder des Tages
Schießsport in der ehemaligen UdSSR und Rußland

Fotos: www.zaksobr.kamchatka.ru, www.rosto.perm.ru.

Samstag, 26. März 2011

Alexander Rosenbaum, der musizierende Notarzt

Im russischen Sprachraum hat sich bis heute eine Tradition des Chansons, oder technischer formuliert, des Autorenliedes erhalten, die es so in Deutschland nicht gibt. Als ymbol dafür mag Radio Chanson gelten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts standen dafür beispielsweise Wladimir Wyssozkij und Bulat Okudschawa. Etwas jünger ist der nachfolgend vorgestellte Künstler, der in Rußland und wohl auch Israel sehr beliebt ist und ebenfalls zu meinen persönlichen Präferenzen zählt.

Alexander Jakowlewitsch Rosenbaum wurde am 13.09.1951 in Leningrad geboren. Seine Eltern studierten dort Medizin, mußten sich jedoch kurz nach der Graduierung in Kasachstan niederlassen. Maßgeblich dafür waren religiöse Gründe, denn sie waren Juden und kurz vor Stalins Tod begann dieser mit einer antisemitischen Kampagne. Später kehrte die Familie nach Leningrad zurück und Alexander Rosenbaum nahm 1968 ebenfalls ein Medizinstudium auf. Bereits während seiner Schulzeit hatte er eine Musikschule besucht und begann nun, eigene und fremde Lieder und Gedichte vor einem größeren Publikum vorzutragen. 1974 schloß er sein Studium ab - er hatte sich auf Reanimation und Geburtshilfe spezialisiert - und arbeitete fortan als Notarzt in der Newastadt, in der er bis heute lebt.

Parallel dazu bildete er sich musikalisch weiter und trat auch mit seinen Liedern auf. Irgendwann hatte er wohl das Gefühl, sich für eine von beiden Tätigkeiten entscheiden zu müssen - er wählte die Musik und gab die Medizin auf. Anfang der 1980er Jahre begann seine Musikkarriere, die bis heute andauert. Daneben war er als Schauspieler an mehreren Filmen beteiligt. Bisher hat Alexander Rosenbaum fast 500 Lieder und Gedichte geschrieben und fast 100 Alben aufgenommen. Dabei ist es ihm gelungen, einen Großteil der Lieder in zwölf verschiedene Philosophien einzuteilen (Philosophie des Krieges, der Liebe usw.).

Seine Titel sind nicht nur musikalisch angenehm, sondern haben oft auch einen tiefergehenden Text. Er singt nicht nur selbst, sondern spielt auch Gitarre und Klavier. Es ist jedoch die Gitarre, die für den typischen "Rosenbaum-Sound" steht. Mithin eine bescheidenes Ausstattung, mit der er allerdings ganze Konzertsäle füllen kann. Nachfolgend sollen fünf seiner Lieder, Youtube sei dank, vorgestellt werden.

Seine Erfahrungen aus der Arbeit im Rettungsdienst hat er im "Lied des Arztes der Schnellen medizinischen Hilfe" verarbeitet:





Aus Rosenbaums Feder stammen einige Lieder, die sich mit dem Krieg in Afghanistan beschäftigen. Dazu zählt auch das folgende mit dem Titel "Schwarze Tulpe". Es ist im Video mit Szenen aus dem Film "Afganskij Islom" versehen, worin Alexander Jakowlewitsch auch selbst mitgespielt hat:





Der Krieg wird auch im nächsten, sehr temperamentvollen Lied thematisiert, in dem es um die "Kosaken" und ihre kämpferische Lebensweise geht:





Alexander Rosenbaum ist kein weltfremder und unpolitischer Künstler. Im Gegenteil, seit 2003 ist er Dumaabgeordneter für die Partei Jedinaja Rossija und gilt seither russischen Neonazis als weiterer Beweis für eine angebliche jüdische Verschwörung im Kreml. Doch in Israel ist er ebenfalls bekannt und hat 2006 mit dem folgenden Werbelied zugunsten der Partei Jisra'el Beitenu in den Knessetwahlkampf eingegriffen:





Abschließend noch das bekannteste Lied von Alexander Rosenbaum: "Gop-stop". Ein sehr frühes Werk, das er hier im Duett mit Grigorij Leps während einer Neujahrssendung vorträgt:





Heute Abend wird Rosenbaum am alljärlichen Wettbewerb "Chanson des Jahres" teilnehmen, der von Radio Chanson im Kremlpalast veranstaltet wird. Vielleicht gewinnt er ja den Preis.


Verwandte Beiträge:
Vorahnung?
Partisanen vom Amur
Sowjetische Manöverfilme

Donnerstag, 17. März 2011

Die Lust am Weltuntergang


Die Katastrophe, die vor wenigen Tagen heimgesucht Japan hat, beherrscht auch die deutsche Öffentlichkeit. Allerdings steht zunehmend das Atomkraftwerk Fukushima im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei ist die Berichterstattung oft alles andere als seriös. Munter werden Begriffe wie Strahlung, Radioaktivität, Sievert usw. gebraucht, ohne hinreichend zwischen Konatmination und Inkorporation sowie zwischen Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlen etc. zu unterscheiden. Einige Experten in den Fernsehstudios bemühen sich zwar um eine nüchterne und sachliche Darstellung (z.B. Ranga Yogeshwar), doch es überwieges Berichte, die geeignet sind, bei den Zuschauern Panik hervorzurufen. Schlimm wird es dann, wenn allen, die nicht in den Weltuntergangschor einstimmen wollen, vorgeworfen wird, sie wären von der "Atomlobby" gekauft worden. Dies macht mich (wieder einmal) skeptisch gegenüber den Medien, obgleich auch ich nur ein naturwissenschaftlicher Laie bin.

Wir Deutschen sind bekanntlich ein besonders ängstliches Volk und so verwundert es nicht, daß hierzulande Strahlenmeßgeräte und Jodtabletten stark nachgefragt werden, obwohl Japan über 8.000 km entfernt ist. Leichter verständlich sind derartige Reaktionen allerdings im Fernen Osten Rußlands, ist diese Region doch nur einige hundert bis tausend Kilometer von Japan entfernt. Doch auch dort gilt, daß die präventive Einnahme von Jodtabletten außerhalb einer akuten A-Lage der Gesundheit schadet. (Die einzigen, die sich darüber freuen, sind die Pharmaunternehmen.) Warum wollen das manche Menschen nicht begreifen und behaupten stattdessen, daß sie von den Behörden belogen würden? Ist Panik ein derart angenehmer psychischer Zustand, den man sich unbedingt bewahren möchte?

Richtig absurd ist die Behauptung, ein ähnliches Ereignis wie in Fukushima könnte auch Deutschland drohen. Welches deutsche AKW steht an der Küste und ist somit der Doppelgefahr eines Erdbebens mit anschließender Flutwelle ausgesetzt? Bei aller, z.T. berechtigten Kritik an der Atompolitik unserer schwarz-gelben Regierung sollte man doch sachlich bleiben und versuchen, seinen Emotionen keinen freien Lauf zu lassen.
Der russische Katastrophenschutz auf Süd-Sachalin hat gestern übrigens eine Onlineübertragung der Strahlenmessung eingerichtet, um Panik unter der Bevölkerung entgegenzuwirken. Leider werden auch Vorkehrungsmaßnahmen der Behörden, etwa hinsichtlich möglicher Evakuierungen, oft falsch verstanden.



Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Lage in Japan ist extrem ernst und ich hatte in den letzten Tagen mehrfach den Eindruck, daß die japanische Regierung selbst nicht so recht weiß, was in ihrem Land vorgeht. Dennoch besteht hierzulande kein Grund für Panickattacken oder für die Verwendung unsinniger Wortgebilde wie "Super-GAU" - als ob man den "größten anzunehmenden Unfall" sprachlich noch steigern könnte. Es sei denn, man will mit Fukushima Wahlkampf machen.

Bedauerlich ist, daß die potentielle Großkatastrophe in Japan die bereits real eingetretene - nämlich die Erdbeben und die Tsunami - in den Hintergrund drängt. Doch dadurch sind nicht nur tausende Menschen ums Leben gekommen, etwa 430.000 wurden obdachlos. Über 55.000 Gebäude sind überdies zerstört oder beschädigt. Diese Zahlen sind nur schwer vorstellbar. Allein das Schaffen neuen Wohnraums für die Betroffenen wird Jahre dauern, von den weiteren gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen ganz zu schweigen. Im Augenblick ist es zudem schwierig, die Überlebenden im Erdbebengebiet hinreichend mit Wasser und Nahrungsmitteln zu versorgen.

Angesichts des Schadensausmaßes hat es mich überrascht, wie zurückhaltend die japanische Regierung auf internationale Hilfsangebote reagiert hat. Die Schnelleinsatzeinheit für Bergung im Ausland (SEEBA) des deutschen THW kam noch relativ schnell zum Einsatz (bereits am 13. März), doch ist die SEEBA mittlerweile schon wieder abgereist. Die offizielle Begründung lautete, daß es keine realistischen Aussichten mehr auf Überlebende gebe. De facto dürfte jedoch die Atomangst ausschlaggebend gewesen sein. Ebenfalls seit Sonntag ist ein chinesisches SAR-Team in Ofunato im Einsatz.



Andere Staaten mußten länger auf die Freigabe aus Tokio warten. So z.B. die Einsatzkräfte des rußländischen Katastrophenschutzministeriums (dt. Abk.: MTschS, eng.: MChS/Emercom). Bereits am 11. März ging das erste Hilfsangebot aus Moskau nach Tokio, zugleich wurden die Such- und Rettungseinheit ZentroSpas, ein luftbewegliches Lazarett, die auf besonders riskante Notfälle (einschließlich Atomunfällen) spezialisierte Einheit Lider sowie die Luftflotte des MTschS in Bereitschaft versetzt. Doch erst am Abend des 13. März lag eine Anforderung aus Japan vor. Unmittelbar danach ist ein Mi-26-Hubschrauber mit 25 Rettungskräften, einem Fahrzeug und Ausrüstung an Bord in Chabarowsk gestartet und nach Japan geflogen. Diese Mannschaft gehört zum regionalen Rettungsdienst im fernen Osten. Zeitgleich startete in Ramenskoje (bei Moskau) eine Transportmaschine Il-76 mit weiteren 50 Mann, drei Fahrzeugen und weiterem Material, die zu ZentroSpas zählen.

Am 15. März haben sie die Arbeit in der Region Sendai aufgenommen und die ersten Leichen geborgen. Mittlerweile sind weitere Such- und Rettungskräfte aus verschiedenen Einheiten des MTschS eingeflogen worden. Insgesamt sind es jetzt 161 Mann, die sich auf einen zweiwöchigen Einsatz eingestellt haben. Sie sind bedingt auch auf Einsätze unter ABC-Bedingungen vorbereitet. Desweiteren hat die japanische Regierung um humanitäre Hilfe in Gestalt von Decken und Matrazen gebeten, mit denen Notunterkünfte ausgestattet werden sollen. Knapp 10.000 Decken wurden schon aus Moskau nach Japan gebracht.

Damit hat Japan erstmals Katastrophenhilfe aus Rußland angenommen. Der jüngst wieder hochgekochte Konflikt um die Kurilen tritt offenbar in den Hintergrund. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Einem Team von Kernkraftwerksexperten der Agentur RosAtom, das in Fukushima helfen sollte, wurde bisher die Einreise verweigert; es befindet sich nach wie vor in Chabarowsk. Möglicherweise befürchtet man in Tokio Industriespionage.

Trotz aller Not hat die jüngste Entwicklung auch zwei positive Aspekte. Regierung und Bevölkerung Japans werden in den nächsten Jahren mit Sicherheit wichtigeres zu tun haben, als außenpolitischen Träumen über eine Wiedergewinnung der Südkurilen nachzuhängen und so die Sicherheit im pazifischen Raum zu gefährden. Zweitens ermöglicht die nunmehr noch einmal intensivierte Zusammenarbeit der beiden Staaten, die Beziehungen generell zu verbessern. Wann hat es das je gegeben: Zwei Staaten, die sich de jure noch im Kriegszustand befinden, leisten sich gegenseitig Katastrophenhilfe?



Verwandte Beiträge:
Transportflieger für den deutschen Katastrophenschutz
Feuer und Rauch ...
27.12.2009: Video des Tages
Streit um vier Inseln
Spannungen im Nordpazifik

Fotos: MTschS, RIA Nowosti.

Montag, 14. März 2011

14.03.2011: Musik des Tages

Einer der Kultfilme des sowjetischen Kinos war und ist "Die weiße Sonne der Wüste" aus dem Jahre 1969. Die Mischung aus einem Actionfilm und einer Komödie spielt im Mittelasien der 1920er Jahre und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Dazu hat auch das eingängige Titellied "Wasche blagarodie, gosposha udatscha" (dt. etwa: Euer Wohlgeboren, Frau [besser: Herr] Erfolg) beigetragen. Der Text stammt vom berühmten Bulat Okudschawa, die Musik von Isaak Schwarz, gesungen wird es hier wohl ebenfalls von Okudschawa.



Montag, 7. März 2011

Streit um vier Inseln


Die Forderung nach der Rückgabe der Südkurilen gehört seit Jahren zur politischen Folklore in Japan und ich hätte nicht vermutet, daß die Angelegenheit seit Monaten konstant am Köcheln gehalten wird, ohne daß zwischendurch Ruhe einkehrt. Da sich manche deutsche Medien darauf beschränken, die Erklärungen des Tokioer Außenministeriums wiederzugeben, soll nachfolgend die russische Perspektive dargestellt werden.

Politik und Gesellschaft in Japan scheinen das Thema sehr ernst zu nehmen. Als Ursache vermuten Kommentatoren, daß die Führer der seit kurzem in Tokio regierenden Demokratischen Partei glauben, unbedingt außenpolitische Erfolge vorweisen zu müssen - oder zumindest Aktivismus zeigen. So wurde aus einem niedrigschwelligen diplomatischen Streit ein ernsthafter politischer Konflikt. Seitdem mehrere Politiker und Beamte der RF die Inseln besucht hatten, haben seit Anfang Februar die Äußerungen der japanischen Regierung an Schärfe gewonnen. Eine Chronolgie der einzelnen Ereignisse ist hier zu finden. Von den undiplomatischen Formulierungen japanischer Amtspersonen fühlen sich offenbar auch revisionistische Elemente der japanischen Gesellschaft ermutigt. So wurde der rußländischen Botschaft in Tokio kürzlich ein Päckchen mit einer Patrone übersandt sowie während einer Demonstartion die Flagge der RF öffentlich geschändet.

Offenbar glauben tatsächlich manche Japaner, sie könnten diese Inseln (und vielleicht auch andere nach 1945 verlorene Gebiete) irgendwann wieder "heim ins Reich" holen. Auch ein Besuch des japanischen Außenministers in Moskau war nicht geeignet, die Emotionen zu dämpfen. Im Gegenteil, das offizielle Tokio bemüht sich um eine harte und kompromißlose Haltung. Als Beobachter fühlt man sich zunehmend an den Streit um die Falklandinseln erinnert.

In der russischen Presse geht man davon aus, daß die militärische Schwäche Rußlands in der Fernostregion maßgeblich zum jüngsten Aufkeimen der japanischen Forderungen beigetragen hat. Somit wird die im Februar angekündigte Umstrukturierung und qualitative Verstärkung der auf den Südkurilen stationierten Truppen als adäquate Maßnahme angesehen. Zur Erläuterung dieses militärischen Aspektes zitiere ich nachfolgend einen Text, den Michail Barabanow für RIA Nowosti geschrieben hat:

"[...]

Moskaus Entscheidung, die 3500 Mann starke 18. Artilleriedivision auf den südlichen Kurilen-Inseln zu verstärken, war eine unangenehme Überraschung für Japan. Für Russland ging an ihr jedoch kein Weg vorbei.

Das größte Problem bei einem Verteidigungsfall [...] wäre die geografische Nähe der Inseln zu Japan. Theoretisch könnten die japanischen Truppen die Inseln Kunaschir und Iturup plötzlich überfallen. Dabei könnten neben Luftkissenbooten und Hubschraubern auch zahlreiche Fischerboote eingesetzt werden.

Vor allen Dingen sollte man darauf gefasst sein, dass Japaner gewöhnlich zu gut geplanten, aber unerwarteten Angriffen neigen, um Gefechte auszulösen - das haben sie in allen Kriegen bewiesen, an denen sie sich beteiligten. Die geringe Entfernung der Südkurilen wäre günstig, um massenhaft japanische Truppen und Güter mit Schiffen, Booten und Hubschraubern zu verlegen. Kunaschir könnte unmittelbar vom japanischen Territorium mit Raketen- und Artilleriewaffen (darunter Hochpräzisionsgeschosse) beschossen werden.

Die japanischen Truppen sind gut ausgebildet und hochmotiviert. Außerdem sind sie mit modernsten Waffen bzw. modernster Technik ausgerüstet. Besonders wichtig ist, dass die Japaner über einzigartige mobile hochpräzise Feuermittel wie die taktischen Raketen der Typen 96 und XATM-6 verfügen, die auf Geländefahrzeugen installiert sind.

Auf die russischen Inseln könnten sie mit einfachen Verkehrsmitteln gebracht werden und wären ein effektives Kampfmittel nicht nur gegen Panzer, sondern auch gegen die Artillerie und geschützte Feuerstellungen. Dank ihrer Überlegenheit in der Luft und ihren hochpräzisen Waffen könnten die Japaner die Stellungsverteidigung auf den russischen Inseln viel leichter durchbrechen als man erwarten könnte.

Möglichkeiten und Realität

Derzeit sind die russischen Kräfte auf den Kurilen-Inseln und im ganzen Fernen Osten nicht imstande, ein solches Szenarium zu verhindern. Die Kräfte der 18. Artilleriedivision befinden sich überwiegend außer Gefechtsbereitschaft und sind deshalb vorwiegend nicht auf Kampfhandlungen eingestellt.

Außerdem liegen die Truppenteile auf den Inseln Kunaschir und Iturup weit auseinander und sind hauptsächlich mit schwerer, aber alter Technik ausgerüstet. Wegen der schwierigen Geländes können diese Kräfte nur schwer in Bewegung gesetzt werden. Offensichtlich sind auch die Mängel in der Luftabwehr. Unter diesen Umständen könnte den russischen Truppen im Falle einer Landung des Feindes das gleiche Schicksal wie der argentinischen Armee auf den Falkland-Inseln im Jahr 1982 drohen.

Die Kriegsschiffe der Pazifik-Flotte sind auf der Halbinsel Kamtschatka und in der Region Primorje und damit zu weit von den Kurilen-Inseln stationiert. Ihre Möglichkeiten zur Erreichung der Seeherrschaft und im Kampf gegen die japanische Marine sind deswegen nicht genau einschätzbar. Aber selbst wenn sie Erfolg hätten, wäre das für die Japaner kein Hindernis bei der Landung und bei der Versorgung ihrer Kräfte auf den Kurilen-Inseln.

Eine ständige Blockade der Kurilen durch die Schiffe der Pazifik-Flotte wäre auch wegen der Nähe zu der japanischen Küste unmöglich. Außerdem wären diese Schiffe der Gefahr seitens der an der Küste stationierten japanischen Raketen und Kampfjets ausgesetzt.

Noch geringer wären Russlands Chancen bei einem Luftkampf um die Inseln. Die nächstgelegenen russischen Flugplätze, die für Kampfflugzeuge geeignet sind, befinden sich auf Sachalin und Kamtschatka. Stützpunkte mit den Jagdflugzeugen MiG-31 und Su-27SM sind auf Kamtschatka und in Komsomolsk am Amur stationiert.

Selbst wenn ein großer Teil der russischen Luftwaffe aus anderen Regionen in den Fernen Osten verlegt werden sollte, hätten die Japaner eine Luftüberlegenheit über den Kurilen und Hokkaido. Zumal die Japaner von ihren moderneren Waffen, von ihren gutausgebildeten Piloten sowie von den nahe gelegenen Radaranlagen profitieren würden. Das alles stellt die Luftherrschaft Russlands im Falle von Militäraktionen sehr in Frage.

Deshalb wäre das einzige für Russland mögliche Kriegsszenarium in dieser Region die größtmögliche Verzögerung eines Gefechts um Kunaschir und Iturup bei gleichzeitiger Vorbereitung einer großen Anti-Landungs-Operation, an der sich die Luft- und Seestreitkräfte beteiligen würden. Dabei könnte man versuchen, wenigstens für die Zeit dieser Anti-Landungs-Operation eine örtliche Luftüberlegenheit zu erreichen.

Dennoch muss man einräumen, dass sich Russlands effektive Strategie im Kampf um die Kurilen-Inseln langfristig nur auf die Gefahr der Eskalation und Ausweitung der Kriegshandlungen, darunter Bomben- und Raketenangriffe, auf das ganze Territorium Japans stützen könnte.

Was tun?

Es ist offensichtlich, dass für die Umsetzung des geschilderten Szenariums zur Verteidigung der Südkurilen die Kampfbereitschaft der auf den Inseln stationierten Garnison erforderlich wäre, die zudem mit modernster Technik und modernsten Waffen versorgt werden sollte. Unter anderem geht es um die Verstärkung der Luftabwehr der Inseln, auf denen moderne Flugabwehrraketen mittlerer und künftig auch großer Reichweite installiert werden sollten. Außerdem sollten an der Küste Feuerstellungen gegen kleine Seeziele stationiert werden.

Eine Umstrukturierung der auf den Kurilen stationierten Abwehrmittel wäre wünschenswert. Man sollte die Idee der totalen Abdeckung der langen Küsten aufgeben, was ohnehin schwer zu erfüllen wäre, wenn der Gegner leichte Landungsmittel einsetzen würde. Dafür sollten die Garnisonen auf Iturup und Kunaschir zusammengezogen werden. Sie sollten seitens der Feuerstellungen und Luftabwehrkräfte abgesichert werden.

Soweit ich beurteilen kann, zielen die jüngsten Maßnahmen zur Modernisierung der Verteidigungsmittel auf den Inseln in diese Richtung. So hat die Umrüstung der dort stationierten Truppenteile bereits begonnen. Im vorigen Jahr wurden die alten Panzer T-55 durch modernere T-80BW ersetzt. Außerdem sollen auf den Kurilen-Inseln Luftabwehrraketen Buk-M1 mittlerer Reichweite aufgestellt werden.

Die Umwandlung der 18. Division in einen ständig kampfbereiten Verband, der dem „neuen Image“ der Streitkräfte entsprechen würde, sollte zum nächsten wichtigen Schritt zur Förderung der Verteidigungsfähigkeit des russischen Territoriums werden, das von einem fremden Staat ständig beansprucht wird. Die militärpolitische Führung Russlands sollte sich auch weiterhin mit der Verteidigung der südlichen Kurilen-Inseln befassen.

[...]"
Die Südkurilen waren ja auch eines der Übungsgebiete während des Großmanövers "Wostok-2010". Dabei wurde das Freikämpfen der besetzten Inseln geübt. Anscheinend war das Ergebnis nicht zufriedenstellend, weshalb man sich jetzt in Moskau dafür entschieden hat, die bereits dort dislozierten Truppen zu verstärken, um einem eventuellen Angreifer einen hohen Preis abzufordern und ihn so möglichst abzuschrecken. Denn die Atomwaffen der RF werden auf einen atomwaffenfreien Staat wie Japan kaum zügelnd wirken, da es russischerseits am Willen fehlt, sie einzusetzen.

Bleibt zu hoffen, daß sich die versntwortlichen Herren in Tokio in Minimum an Rationalität bewahren und nicht der Verlockung der "nördlichen Territorien" erliegen. Immerhin denkt man auch in Moskau über verschiedene Szenarien für die Inseln nach, die von einer Freihandelszone über eine weitgehende Entmilitarisierung der Region bis hin zu der seit 1956 im Raum stehenden Teilung der Inseln nach. Mit demonstrativer Härte wird Japan in diesem Fall jedoch nichts erreichen. Dies verwundert um so mehr, als damit der Konflikt in die Länge gezogen wird, was eine einvernehmliche wirtschaftliche Nutzung der Inselregion natürlich verzögert. Und daran müßte doch auch Japan gelegen sein. Ferner kann man nur hoffen, daß die Regierung der Vereinigten Staaten demnächst beginnt, mäßigend auf Tokio einzuwirken, statt erneut Öl ins Feuer zu gießen.


Bibliographie und weiterführende Links:

I. Kramnik: Russland rüstet Kurilen-Inseln auf

M. Barabanow: Südkurilen - Aufrüsten für den V-Fall

F. Lukjanow: Kurilen-Inseln: Russland und Japan im Dauerclinch

D. Kossyrew: USA und Kurilen-Streit - Verhärtete Fronten

M. Chapman: Noun, Verb, Kurils (Again)

R. Rozoff: U.S. Backs Japan In Looming Confrontation With Russia

I. Kramnik: Kurilskij prezedent

A. Petrowa: Ot raket do wertoletow

O. Isajtschenko: Poslednjaja diwisija

D. Gorenburg: Is the Mistral deployment to the Pacific a dagger aimed at the heart of the US Pacific Fleet?



Verwandte Beiträge:
Spannungen im Nordpazifik
"Wostok – 2010"
Spetsnaz X: Die Marineinfanterie heute
Die Militärbezirke werden abgeschafft
Neue Organisation der russischen Streitkräfte
Die Brigaden des russischen Heeres

Fotos: Itar-Tass.

Donnerstag, 3. März 2011

Deutsche Desinformationen


Am Dienstag ist Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten. Er zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um nicht gekennzeichnete Zitate in seiner Dissertation. Damit war die wochenlange Kampagne eines großen Teils der Medien wie der Opposition erfolgreich. Allein das sagt viel über den Zustand unserer politischen Klasse und ihrer "politischen Kultur" aus.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Guttenberg hat als Wissenschaftler versagt, die Aberkennung des Doktortitels war deshalb zwingend. Allerdings war und ist dieser Titel keine Voraussetzung, um in Deutschland ein Ministeramt bekleiden zu können. Zudem wurde von deutschen Unis in ähnlich gelagerten Fällen auch schon anders verfahren. Und was soll man z.B. mit einem zum Dr. jur. promovierten SPD-Abgeordneten tun, der einen Aufsatz in einer juristischen Fachzeitschrift veröffentlicht, dessen Fußnoten aber nicht zum Text passen? Irrtum, Zahlendreher oder bewußte Irreführung? Und wie sollten die Konsequenzen aussehen? Entzug des Mandats oder gar Parteiausschluß? Der zuletzt genannte Fall ist keineswegs hypothetisch und zeigt, wie selektiv skandalisiert wird, wenn es um die Verbindung von Wissenschaft und Politik geht.

Andreas Fischer-Lescano, der die Affäre um Guttenberg ins Rollen gebracht hat, ist nicht nur ein Wehrrechtsexperte, sondern steht auch sehr weit links im politischen Spektrum. Jemandem wie ihm muß ein beliebter CSU-Minister wie Guttenberg seit jeher ein Dorn im Auge gewesen sein. Nun, nach dem Rücktritt, versinkt die deutsche politische Klasse wieder in jenem blassenn Mittelmaß und Parteisoldatentum, das wir für eine repräsentative Demokratie halten. Das allein ist Grund für Besorgnis.

Noch besorgniserregender ist die Tatsache, daß Guttenberg weder über seine Amtsführung noch über den Vorwurf des Amtsmißbrauchs gestolpert ist, sondern über eine private Angelegenheit. Es hätte genügend Grund für inhaltliche Kritik an der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik im allgemeinen und am Verteidigungsminister im besonderen gegeben. Doch zu einer solchen Kritik waren Medien wie Opposition nur bedingt fähig. In den letzten zwei Wochen hat sich leider die gesamte Debatte um die Bundeswehrreform u.ä. auf die Frage nach Guttenbergs Dissertation reduziert - als ob eine abgelegene verfassungsrechtliche Schrift entscheidend für die deutsche Sicherheitspolitik wäre. Absurd! Statt einer substantiellen sicherheitspolitischen Diskussion führt man lieber eine oberflächliche über Promotionsfragen.

Hier haben unsere Medien völlig versagt, indem sie randständige Themen künstlich aufgeblasen und so den eigentlichen Kern aus der Aufmerksamkeit verdrängt haben. Doch die Bürger merken das. Der Fall Guttenberg war nach Thilo Sarrazin der zweite binnen weniger Monate, wo öffentliche und veröffentlichte Meinung weit auseinanderklafften. In beiden Fällen lagen die Sympathien der Bevölkerung eindeutig bei denen, die von den Medien zerfleischt wurden. Das muß die Journaille besonders wütend machen, zeigt sie doch die Grenzen der medialen Steuerungs- und Manipulationsfähigkeit auf. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung hat am Dienstagabend während eines Interviews im ORF den Rücktritt in dankenswerter Offenheit als Erfolg der deutschen Medien bezeichnet.
Im übrigen war die causa Guttenberg erneut ein Beleg für die Kampagnenführung der deutschen Medien, die wirkten, als würden sie alle von einer einzigen Stelle gesteuert. An die Stelle kritischer Berichterstattung über eine Problem tritt die Hetzjagd auf eine Person (oder Personengruppe), die unbedingt aus der Öffentlichkeit verdrängt werden soll. Vor kurzem war es noch Guido Westerwelle, gegen den aus allen Rohren geschossen wurde und dessen Tage als Außenminister angeblich schon gezählt waren.

Schon wegen dieser eklatanten Verstöße gegen die Regeln guter journalistischer Arbeit und des menschlichen Anstands steht es deutschen Reportern nicht gut an, sich zum moralisierenden Richter über andere Menschen aufzuschwingen - schließlich lügen viele von ihnen wie gedruckt, weshalb die Appelle an Moral und Anstand aus dem Mund von Berufsschreiberlingen einfach lächerlich sind.

Ein weiteres Feld, auf dem ich mich von vielen deutschen Medien desinformiert fühle, ist die Lage in Nordafrika. Die Damen und Herren sind viel zu involviert, um die Entwicklungen dort nüchtern darzustellen. Immer wieder ist von einer "demokratischen Revolution" die Rede, obwohl bis jetzt in diesen Staaten bestenfalls nur von einem partiellen Elitenwechsel die Rede sein kann. Zugleich wird die dunkle Seite der Ereignisse beschönigt. Sowohl aus Tunesien als auch aus Ägypten wird eine erhebliche Zunahme der Kriminalität berichtet. Offenbar wird der teilweise Zusammenbruch der Sicherheitsbehörden weniger von politischen Aktivisten als vielmehr von ordinären Kriminellen ausgenutzt. Ähnliches wird von Ausländern berichtet, die dieser Tage aus Libyen evakuiert worden waren. Derart chaotische Zustände, während derer es zu zahllosen Gewaltakten durch irreguläre bewaffnete Haufen kommt, sind nicht demokratisch, sondern schlicht kriminell.

Ähnlich auch die agitpropmäßige "Berichterstattung" über Demonstrationen gegen die Regierung. Die deutschen Medien behaupten regelmäßig, es habe sich um friedliche Demonstranten gehandelt. Wenn es zu Ausschreitungen kommt, dann wird also (fast) immer den Sicherheitskräften die Schuld gegeben, die "brutal" gegen die in jedem Fall "friedlichen" Demonstranten vorgegangen wären. Offenbar kommt es manchen Journalisten nicht in den Sinn, daß steinewerfende oder schießende Protestierer nicht mehr friedlich handeln und sich demzufolge nicht auf ein (wie auch immer formuliertes) Menschenrecht auf Versammlungsfreiheit berufen können. Die Eindimensionalität und das manichäische Weltbild vieler Journalisten sind erschreckend - vor allem, wenn man mittels Rundfunkgebühr auch noch dafür zahlen muß.

Wie ich vor zwei Wochen schon schrieb, erinnern mich die Ereignisse in Nordafrika an die Revolutionen in Rußland anno 1917. Dem Sturz des Zaren im Februar war gleichfalls monatelanges Chaos gefolgt, in dem es zu zahllosen kriminellen Handlungen kam, denen oft notdürftig ein politischer Anstrich gegeben wurde. Weder Privateigentum noch Menschenleben waren im Jahr 1917 etwas wert. Und es hat bis Mitte der 1920er Jahre gedauert, bis eine neue, halbwegs verläßliche Staatsgewalt etabliert werden konnte - allerdings eine bolschewistische. Es genügt eben nicht, eine alte Ordnung beseitigen zu wollen, man muß auch etwas neues an ihre Stelle setzen. Passiert dies nicht rasch, so wittert der Bodensatz der Gesellschaft Morgenluft und terrorisiert den Rest der Bürger. Dergleichen ist sicher revolutionär, demokratisch ist es in keinem Fall.


Verwandte Beiträge:
Keine Revolution, eher ein Staatsstreich
Die Tragödie eines Volkes
Politische und kriminelle Gewalt
Jörg Schindler - ein Lügner und Demagoge
Die Metamorphosen des Michail Chodorkowskij

Foto: RIA Nowosti.

Dienstag, 1. März 2011

"Russland investiert Rekordsumme in neue Waffen und High-Tech-Armee"


In der vergangenen Woche hat der stellvertretende Verteidigungsminister der Rußländischen Föderation eine Pressekonferenz abgehalten, auf der er Eckdaten des staatlichen Rüstungsprogramms bis zum Jahr 2020 bekanntgegeben hat. Die angekündigten umfangreichen Beschaffungen von Militärmaterial sehe ich jedoch mit einiger Skepsis. Nicht, daß die russischen Streitkräfte keinen Bedarf für eine solche Modernisierung hätten. Im Gegenteil, von wenigen punktuellen Ausnahmen abgesehen befinden sie sich heute auf dem technischen Stand der 1970er und 80er Jahre. Ein drastisches Beispiel hierfür ist die Schwarzmeerflotte, deren Kampfschiffsbestand in den nächsten zehn Jahren fast vollständig außer Dienst gestellt werden muß. Der Bedarf für neue Systeme ist somit enorm, auch wenn die Armeestärke in den letzten Jahren deutlich gesunken ist.

Es bleiben jedoch Zweifel an der Umsetzung eines derart ehrgeizigen Programms. Selbst wenn die Finanzierung gesichert wäre, ist es fraglich, ob die zum Teil nur noch aus Rudimenten bestehende Rüstungsindustrie in kurzer Zeit zur geforderten Hochform auflaufen kann. Auf welchen Werften sollen etwa in neun Jahren die angekündigten 100 Marineschiffe gebaut werden? M.W. sind entsprechende Schiffbaukapazitäten derzeit nicht vorhanden. Papier ist bekanntlich geduldig (in Deutschland ebenso wie in Rußland) und man wird wohl noch bis etwa 2015 warten müssen, um die Ankündigungen endgültig zu beurteilen.

Zur Information wird nachfolgend ein Kommentar von RIA Nowosti wiedergegeben:
"[...]

Russlands Verteidigungsministerium hat am Donnerstag Einzelheiten zum „Rüstungsprogramm 2020“ bekannt gegeben.
Bis 2020 sollen 100 Schiffe (darunter 20 U-Boote), 600 Flugzeuge und 1000 Hubschrauber angeschafft werden.

Zudem befindet sich zurzeit ein neuer Langstreckenbomber und eine hochintelligente schwere ballistische Rakete in der Entwicklung. Auch die Soldaten kommen nicht zu kurz. Laut Vizeverteidigungsminister Wladimir Popowkin wird gerade über den Erwerb einer kleinen Partie von modernen Felin-Kampfanzügen verhandelt (Ausrüstung für den „Soldaten der Zukunft“: Waffen, Munition, schusssichere Weste, Schutzhelm mit zwei Displays und einem Mikrofon, Kommunikationsmittel und anderes High-Tech). Russland will bei den Franzosen nur einige Kampfanzug-Partien kaufen. Bis 2020 will Russland eine eigene Soldatenausrüstung entwickeln.

Staatsprogramm 2020

Wie Popowkin auf einer Pressekonferenz in Moskau verkündete, sind zehn Prozent der für das Rüstungsprogramm bereitgestellten Summe (insgesamt über 19 Billionen Rubel, 1 Euro = ca. 40 Rubel) für Forschungen und die Entwicklung neuer Waffen bestimmt.

Den größten Ausgabeposten macht der Kauf neuer Waffen aus. Für dieses Ziel werden zwischen 78 bis 80 Prozent der vorgesehenen Finanzmittel ausgegeben. Russland hat in der Vergangenheit noch niemals so viel Geld für Aufrüstung ausgegeben. Als der russische Premier Wladimir Putin im Dezember des Vorjahres die Zahlen des Programms nannte, gab er zu: „Ich habe Angst davor, diese Zahl laut zu sagen.“

Den Streitkräften wird ebenfalls viel Geld zugeteilt. Laut Popowkin werden 100 Schiffe, darunter 20 U-Boote, 35 Korvetten und 15 Fregatten gekauft. Zudem sollen bis 2020 über 600 Flugzeuge und 1000 Hubschrauber erworben werden. Bereits in diesem Jahr werden mehr als 100 Hubschrauber gekauft. Dazu gehören die neusten russischen Hubschrauber Mi-28, Mi-26, Ka-52 u.a.

Wie Popowkin betonte, werden bis zu zehn Flugabwehrkomplexe S-500 gekauft. Vorher hatte die russische Armee zwar bereits bekannt gegeben, dass neue Flugabwehrraketen in den nächsten zehn Jahren gekauft werden müssen, genauere Zahlen wurden jedoch nicht genannt.

„Ab 2015 sollen die Tests dieses Komplexes beginnen. Zu Beginn basieren die Raketen auf dem S-400-Komplex“, sagte Popowkin. Die Raketensysteme S-500 sollen die Grundlage der sich gerade entwickelnden Luft- und
Weltraumverteidigung Russlands bilden.

Das russische Verteidigungsministerium will außerdem 56 Flugabwehrsysteme S-400 anschaffen. Ein Regiment ist bereits in Elektrostal bei Moskau stationiert. Ein weiteres Regiment soll im März in Dmitrow aufgestellt werden. Danach sollen S-400-Raketen im Fernen Osten installiert werden.

Strategische Kräfte

Popowkin zufolge hat die Entwicklung der strategischen Atomkräfte Priorität im Rüstungsprogramm. Bis 2020 würden acht strategische Atom-U-Boote gebaut, die mit den ballistischen Interkontinentalraketen „Bulawa“ ausgerüstet werden müssten, so Popowkin.

Die sich derzeit in der Testphase befindlichen „Bulawa“-Raketen sollen in diesem Jahr in Dienst gestellt werden. „Sie sollen zusammen mit dem Borej-U-Boot (neues strategisches Atom-U-Boot) in Dienst genommen werden“, sagte Popowkin. Zwei Borej-U-Boote seien bereits einsatzbereit, es gebe jedoch keine Rakete (“Bulawa“).

Sieben der bislang 14 Teststarts der Bulawa-Rakete sind fehlgeschlagen. In diesem Jahr sollen weitere vier oder fünf Teststarts stattfinden. Die Starts scheiterten vor allem deshalb, weil sich der Raketenbauer nicht an die Konstruktionsdokumente gehalten hatte.

Ein weiteres Projekt ist die Entwicklung neuer Langstreckenbomber. Gegen 2015 soll ein technisches Projekt fertig gestellt werden. „Wir forcieren nicht die Entwicklung eines neuen Komplexes der Langstrecken-Fliegerkräfte (strategische Bomber). Gegen 2015 sollen die Langstrecken-Fliegerkräfte ein neues Gesicht bekommen“, so Popowkin.

Russland will zudem hochintelligente schwere ballistische Rakete bauen. Im Unterschied zu den neuen Topol-Feststoffraketen hat eine schwere Rakete mehr Gefechtsköpfe und eine längere Betriebsdauer (35 statt 20 Jahre)

Ausrüstung für „Soldaten der Zukunft“

Bis 2020 will Russland ein Analogon für die Ausrüstung des „Soldaten der Zukunft“ entwickeln.

Diese Ausrüstung müsse mit der aus den USA, Deutschland und anderen Ländern mithalten können, so Popowkin. Russland verhandelt zurzeit mit Frankreich über den Erwerb französischer Felin-Kampfanzüge.

Wie ein Vertreter des französischen Rüstungskonzerns Sagem Defense Securité (SAFRAN Gruppe) betonte, ist der Preis für die Felin-Ausrüstung deutlich niedriger als bei anderen ausländischen Herstellern. Ein deutscher oder US-Kampfanzug samt Ausrüstung schlägt mit 50.000 bis 60.000 Euro zu Buche.

Laut dem Vertreter von Sagem Defense Securité hat das Unternehmen einen Auftrag für 22.600 Kampfmonturen erhalten. Gegen 2014/2015 werden alle 22 französischen Infanteriebataillons mit den Felin-Anzügen ausgerüstet.

Um die Sicherheit der Soldaten gewährleisten zu können, will Russland die Produktion von Panzerfahrzeugen aufnehmen. Mit dem Unternehmen Iveco wurde bereits ein Abkommen über die Produktion der italienischen Panzerwagen in Russland geschlossen. „Das ist der sicherste Wagen der Welt. Das haben die Ereignisse im Irak bewiesen“, so Popowkin."

Verwandte Beiträge:
Militärstruktur und Rüstungsprojekte in Rußland
Die Brigaden des russischen Heeres
Neue Organisation der russischen Streitkräfte
Aktuelles aus der russischen Waffenindustrie
Spetsnaz X: Die Marineinfanterie heute

Foto: RIA Nowosti.