Sonntag, 20. Juli 2014

Wie wird der Boeing-Absturz ausgeschlachtet?

Die Gemengelage nach dem Absturz des malaysischen Passagierflugzeugs mit der Flugnummer MH17 in der Region Donezk ist unübersichtlich. Die westlichen Kuratoren des Kiewer Regimes sind von dem Ereignis anscheinend ebenfalls überrascht worden. Daher sind sie im Augenblick damit beschäftigt, heftig und unkoordiniert Anschuldigungen zu erheben - was wiederum ein Indiz dafür ist, daß ihnen die Wahrheit höchst unangenehm ist.

Märchen und Desinformation

Da gab es zunächst am Freitag in der westlichen Presse den Vorwurf, die Flugschreiber seien nach Rußland gebracht worden. Dies wurde nicht nur von Moskau, sondern sogar von Kiew umgehend dementiert. Die "schwarzen Boxen" befinden sich in der - zur Zeit umkämpfen - Stadt Donezk. Dort werden ebenfalls die sterblichen Überreste der Flugzeuginsassen und ihr Gepäck gesammelt.

Gleich nach dem Absturz hatte es geheißen, im Flugzeug seien 80 Kinder und 23 US-Bürger gewesen. Diese Angaben haben sich nunmehr ebenfalls als falsch erwiesen. Die Fluggesellschaft hat gestern die Passagierliste veröffentlicht. Sonach befanden sich drei Kinder an Bord, des weiteren ein Fluggast, welcher zugleich die niederländische und die US-Staatsbürgerschaft besaß. Offenbar sollte mit den falschen Angaben in den Medien die Hysterie angeheizt werden.

Heute hat dann das State Departement behauptet, die Aufständischen würden der OSZE den Zugang zur Unglücksstelle verwehren. Die australische Regierung, ein treuer Vasall Washingons, hat noch einen draufgesetzt, indem sie behauptete, die OSZE-Mitarbeiter würden von den Aufständischen beschossen. Diese Anschuldigungen wurden jedoch von einem OSZE-Sprecher umgehend dementiert. Ebenso bestreitet die OSZE, daß der Unglücksort verfälscht würde. Wieder ein paar Lügen entlarvt.

Kiew blockiert internationale Untersuchung

Folgende Parteien fordern die Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission unter Ägide der ICAO: die Aufständischen in Donezk sowie die Regierungen Rußlands, der Niederlande und mittlerweile auch Malaysias. Eine Partei wehrt sich jedoch gegen eine internationale Untersuchung: die Junta in Kiew. Dort besteht man auf einer rein ukrainischen Untersuchung (natürlich ohne Beteiligung der Aufständischen), zu der einige ausländische Vertreter mit hinzugezogen werden sollen. Insbesondere ist Kiew daran interessiert, die Flugschreiber in seine Gewalt zu bekommen. Bis jetzt stehen sie unter Obhut der OSZE.

Aus diesen Gründen hatte das Regime auch die umfangreiche malaysische Delegation in Kiew festgehalten und ihre Abreise an den Unglücksort verzögert. Mittlerweile sind neben Rettungskräften des ukrainischen Katastrophenschutzes auch malaysische Experten an der Absturzstelle tätig. Nachdem die Leichen zwei Tage lang bei Temperaturen von 30 Grad herumgelegen hatten (eine davon in einem Wohnhaus), war ihre Bergung aus hygienischen Gründen unumgänglich geworden. Zuvor hatten Vertreter der Aufständischen dringlich die Entsendung internationaler Experten für die Untersuchung der Absturzstelle gebeten

Diese Umstände geben zu denken. Die stärkste Behinderung einer unabhängigen Untersuchung - insbesondere der Flugschreiber - geht vom Regime in Kiew aus. Doch die selbsternannte "zivilisierte Welt" will das nicht sehen.

Abstruse Anschuldigungen

Angesichts dessen wirkt es absurd, wenn westliche Regierungen Moskau unisono vorwerfen, es würde die Untersuchung des Absturzes behindern und erneut mit Sanktionen drohen. Wofür? Demgegenüber hat der malaysische Verkehrsminister während einer Pressekonferenz der rußländischen Regierung ausdrücklich für ihre Hilfe gedankt. Wer insoweit wohl Recht hat?

Auf der anderen Seite sind keine Aufrufe an Kiew zu vernehmen, etwa auf den von den Rebellen angebotenen Waffenstillstand einzugehen, um so die Aufklärung zu erleichtern. Ebensowenig fordert der Westen keine Aufklärung über die Luftabwehr-Aktivitäten der Ukro-Truppen in der Region. Warum wohl?


Einige technische Aspekte

Ein Fla-Raketensystem ist kein Gewehr, das man einfach so abfeuern kann. Das System Buk, über das zur Zeit spekuliert wird, besteht aus mindestens drei Kettenfahrzeugen: dem Kommandopunkt, dem Radarsystem und dem Raketenträger (siehe obiges Bild). Zunächst müssen alle diese Komponenten in einsatzbereitem Zustand sein. Zu ihrer Bedienung ist weiters eine größere Anzahl gut ausgebildeten Personals erforderlich. Ob all das im Aufstandsgebiet vorhanden ist, muß doch bezweifelt werden.

Das Kiewer Verteidigungsministerium müßte jedenfalls zunächst offenlegen, welche Flugabwehrmittel es in seinen Kasernen im Aufstandsgebiet verloren hat. Zudem müßte es nachweisen, was seine Buk-Systeme im Bürgerkriegsgebiet am Donnerstag getan haben. Doch darüber schweigt man sich aus - und der Westen hat sich darauf versteift, daß nur die Aufständischen den Flieger abgeschossen haben können. Daher werden an Kiew keinerlei kritische Fragen gestellt, auch von unserer Presse nicht.

In Rußland gehen Experten aufgrund der Bilder vom Absturzort zunehmend davon aus, daß die Boeing von einer Luft-Luft-Rakete getroffen wurde. Dafür soll die Schadenscharakteristik sprechen. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann wäre das Passagierflugzeug von einem Jagdflieger abgeschossen worden, der genau wußte, was er tat. Vielleicht versteift man sich im Westen deshalb so auf die Version einer Boden-Luft-Rakete?

Im übrigen freuen sich die rußländischen Luftfahrtexperten darüber, daß die Maschine über Land und nicht über dem Meer heruntergekommen ist. Daher hätten sich an den Wrackteilen viele objektive Spuren erhalten, weil jede Fla-Rakete eine ganz eigene Charakteristik habe. Somit gebe es gute Chancen, die Absturzursache aufzuklären.

Was will der Westen?

Eines wollen Kiew und seine auswärtigen Sponsoren jedenfalls nicht: Die Ergebnisse einer unabhängigen internationalen Untersuchung abwarten. Erstens könnte diese unangenehme Tatsachen ans Licht bringen. Und zweitens dauert die Untersuchung einige Wochen. Doch der Westen will den Schwung der Ereignisse und die auf Hochtouren laufende Propagandamaschinerie nutzen, um seinen Kampf gegen die Menschen in der Ostukraine und gegen Rußland zu steigern. Daher kann er nicht auf hieb- und stichfeste Beweise warten. An deren Stelle treten bloße Anschuldigungen (natürlich nur gegen die Aufständischen und gegen Moskau), die immer wiederholt werden. Flankiert werden sie von "Beweisen", deren Qualität noch schlechter ist als die anno 2003 gegen den Irak.

So etwa ein als "Beweis" herangezogener Beitrag in einem sozialen Netzwerk, in dem Aufständischen angeblich den Abschuß bestätigen würden. Doch der Urheber dieses Textes ist unbekannt. Igor Strelkow dürfte es kaum gewesen sein, denn der schreibt dort nach eigenen Angaben nicht. Dafür gibt es eine Menge Wichtigtuer, die seit Wochen das Internet permanent mit vermeintlichen Exklusivmeldungen, die angeblich alle von Strelkow persönlich stammen, fluten. Die meisten dieser Texte entspringen eher der Phantasie ihrer Urheber, als daß sie mit Strelkows tatsächlichen Verlautbarungen im Fernsehen übereinstimmen.    

Oder der angeblich abgehörte Funkspruch der Aufständischen, welcher sich mittlerweile als Fälschung des SBU herausgestellt hat. Dummerweise hatten die Beamten in Kiew vergessen, daß das bei Youtube eingestellte Video in den Dateieigenschaften als Erstellungsdatum den 16. Juli zeigt. D.h. das Video wurde einen Tag vor dem Absturz produziert und taugt schon daher nicht als Beweis.

Doch im Informationskrieg kommt es auf die Wahrheit nicht an. Wichtig ist allein, das dieselben Anschuldigungen immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt werden, bis alle so stark daran glauben, daß niemand mehr nach den Fakten und plausiblen Beweisen fragt. (So war es im Irak und auch in Syrien.) Dazu muß jedoch die mediale Hysterie am Kochen gehalten werden. Sollte die Untersuchung der "black boxes" dann in einigen Wochen zu einem anderen Ergebnis kommen, dann interessiert das niemanden mehr, weil die beabsichtigten Folgen schon eingetreten sind. (So war es auch bei den Schießereien auf dem Kiewer "Euromiadan" im Februar und beim Massaker von Odessa am 2. Mai. In beiden Fällen ist eine internationale Untersuchung von der Junta hintertrieben worden und letztlich im Sande verlaufen.)

Deshalb wird Washington in den nächsten Tagen wohl gefälschte Radardaten vorlegen. Wären sie echt, so wären sie der Öffentlichkeit längst bekannt, denn Luftraumüberwachung erfolgt in Echtzeit. Die relativ lange Zeitspanne indiziert hingegen, daß die "Beweise" erst zusammengebastelt werden müssen. Deshalb sind offizielle Vertreter der USA in den letzten Tagen zum Teil sehr zurückhaltend gewesen, denn sie waren (und sind wohl bis jetzt) nicht in der Lage, die abstrusen Behauptungen von "Putins Rakete" auch nur einigermaßen seriös zu belegen.

Außerdem ist, neben den technischen Aspekten, eine weitere wichtige Frage zu klären, die im Westen jedoch kaum erörtert wird: Warum sollten die Aufständischen eine malaysische Passagiermaschine abschießen? Sie hatten dafür schlichtweg kein Motiv; das Regime verfügte hingegen nicht nur über die Mittel, sondern hatte auch ein Bündel von Motiven.

Wer darf ungestraft Passagierflugzeuge abschießen?

Da fallen einem spontan zwei Staaten ein. Zum einen die USA, die von einem Kriegsschiff aus am 3. Juli 1988 über dem Persischen Golf einen iranischen Airbus abgeschossen haben. Resultat: 290 Tote. Immerhin haben sich die Amerikaner 1996 dazu breitschlagen lassen, den Hinterbliebenen eine Entschädigung zu zahlen. Doch eine ausdrückliche Entschuldigung für den Abschuß haben die Präsidenten Bush sen. und Clinton immer abgelehnt.

Zum zweiten die Ukraine. Deren Luftverteidigung hat am 4. Oktober 2001 über dem Schwarzen Meer eine aus Israel kommende Tupolew vom Himmel geholt. Ergebnis: 78 Tote. Zunächst hatte die Regierung in Kiew auch damals jede Verstrickung bestritten, mußte jedoch schließlich den Abschuß einräumen.

In beiden Fällen hatte der Abschuß eines Passagierflugzeugs keine ernstzunehmenden Konsequenzen für die beiden Staaten. Weder gegen die USA noch gegen die seinerzeitige Ukraine wurden internationale Sanktionen erwogen oder gar mit Krieg gedroht. Auch die Soldaten, die den Abschuß durchgeführt haben, hatten weder straf- noch disziplinarrechtliche Konsequenzen zu fürchten.
Deshalb ist es Heuchelei hoch Zehn, wenn nun die "westliche Wertegemeinschaft" plötzlich und ohne stichhaltige Beweise wilde Drohungen in eine bestimmte Richtung ausstößt.

Lugansk, 18.07.2014: Opfer der ukrainischen Armee.

Welchen Effekt hat der Boeing-Absturz?

Nur die unglücklichen Insassen der Boeing sind es im Westen wert, in den Genuß medialer Aufmerksamkeit zu kommen. Dagegen gehen wichtige Ereignisse in der westlichen Berichterstattung unter. So etwa, daß seit Tagen die Gebietshauptstädte Lugansk und jetzt auch Donezk von Artillerie und Bombern des Ukro-Militärs heftigst beschossen werden. Allein am 19. Juli sind in Lugansk 19 Einwohner dadurch getötet worden. Außerdem hat die OSZE mitgeteilt, daß allein im Gebiet Lugansk während der Monate Juni und Juli 250 Zivilisten von den Truppen des Kiewer Regimes getötet und 800 Zivilisten verletzt worden sind.

Doch die Kriegsverbrechen der Kiewer Junta - so muß man den gezielten Beschuß von Wohnvierteln nennen - spielen keine Rolle. Die Toten sind ja gemäß Sprachgebrauch der westlichen Presse ohnehin bloß "Separatisten", also quasi Untermenschen. Die sind von Washington und Brüssel zum Abschuß freigegeben worden. Und damit man sich weder mit ihnen noch mit dem Schicksal der mittlerweile sechstelligen Zahl von Flüchtlingen beschäftigen muß, kommt so ein mutmaßlich abgeschossenes Passagierflugzeug ganz passend.

So kann Kiew weiter unbehelligt seinen Strafkrieg gegen die unbotsamen Einwohner der Ostukraine führen. Das Regime weiß, daß es von seinen ausländsichen Freunden niemals mit Sanktionen belegt wird. Denn an allem Ungemach sind nicht diejenigen schuld, die ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legen, sondern einzig und allein Rußland. Perfide Logik der "westlichen Wertegemeinschaft".


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Freitag, 18. Juli 2014

Ein Flugzeugabschuß als nächste Eskalationsstufe?


Gestern Abend ist leider ein Unglück eingetreten, was schon vor einem Monat vorhergesagt worden war. Am 17. Juni schrieb ein Blogger via Twitter, daß bald über der Ukraine ein Linienflugzeug mit europäischen Touristen abgeschossen werden würde, was dann eine Einladung für die NATO wäre, auch offiziell in der Ukraine zu intervenieren. Der Absturz und mutmaßliche Abschuß ist gestern erfolgt, jetzt fragt sich nur noch, wie man aus ihm Kapital schlagen kann.

Dieses Unglück hat es in sich - und es wirft Fragen auf.

1. Warum war die Boeing überhaupt über der Absturzstelle?

Der Luftraum über den Gebieten Donezk und Lugansk ist seit dem 8. Juli von der Kiewer Luftfahrtbehörde für den zivilen Luftverkehr gesperrt. Diese Sperrung war auch öffentlich bekanntgegeben worden.
Außerdem flog die malaysische Maschine gestern auf einer anderen Route als an den Tagen zuvor. Üblicherweise geht dieser Flug über die Krim und dann an der Nordostküste des Schwarzen Meeres entlang. Warum verlief die gestrige Flugroute jedoch einige hundert Kilometer weiter nördlich, direkt über dem - eigentlich gesperrten - Bürgerkriegsgebiet?

Diese Umstände erregen schon den Verdacht, daß dieses Flugzeug in eine "Falle" gelockt werden sollte.

2. Was machten die beiden ukrainischen Militärmaschinen nahe der Boeing?

Ein spanischer Fluglotse, der in Kiew-Borispol arbeitet, berichtete schon gestern Abend darüber, daß sich kurz vor dem Absturz zwei Flugzeuge des ukrainischen Militärs in unmittelbarer Nähe der Boeing befunden haben.

Wurde die Passagiermaschine von ihnen abgeschossen?

3. Warum lief die Propagandamaschinerie schon vor dem Absturz?

Gestern mittag lief es bei deutschen Medien durch den Ticker: "Russland schießt Flugzeug ab". Was dort als bewiesener Fakt konstatiert wurde, war nichts anderes als die unbewiesene Behauptung eines Vertreters des Kiewer Sicherheits- und Verteidigungsrates. Dieser verkündete, ein Kampfflugzeug der RF hätte einen Jagdbomber des Regimes abgeschossen. Die Meldung verschwand bald wieder, aber Menschen, die nicht genau auf die Details achten, hatte sich nur die Schlagzeile eingeprägt: Das immer pöse Rußland habe ein Flugzeug abgeschossen.

Am frühen Abend erklärte dasselbe Gremium plötzlich, die Aufständischen in der Ostukraine würden über weitreichende Flugabwehrraketen verfügen. Und "pünktlich", nur kurze Zeit später, fiel dann die Boeing vom Himmel - zu einem Zeitpunkt, der überaus günstig war, um das Ereignis frisch in den europäischen Abendnachrichten zu behandeln.

Sofort traten Vertreter des Kiewer Regimes in Aktion und behaupteten allen Ernstes, das Flugzeug sei auf persönlichen Befehl von Wladimir Putin abgeschossen wurden, der sich damit für die Sanktionen seitens der EU rächen wolle. Nunmehr müsse die NATO endlich in den Bürgerkrieg eingreifen und eine Bodenoffensive beginnen. D.h. man forderte keine Untersuchung des Absturzes, man forderte sofort eine Ausweitung des Krieges.

Diese Orchestrierung weckt ebenfalls den Verdacht, daß dort etwas inszeniert wurde bzw. inszeniert werden sollte. Und auf Menschenleben nimmt die Kiewer Junta keinerlei Rücksicht, wie nicht nur das Massaker von Odessa, sondern auch der seit Wochen andauernde Beschuß von Wohngebieten in den Regionen Donezk und Lugansk durch Artillerie und Kampflugzeuge mit mittlerweile hunderten von Todesopfern belegen.

Einige weitere Fakten

Heute hat die Kiewer Generalstaatsanwaltschaft verlautbart, daß den Aufständischen doch keine funktionsfähigen schweren Fla-Raketensysteme Buk und S-300 in die Hände gefallen sind. Damit wurde den anderslautenden Behauptungen von gestern widersprochen.
In der Stadt Donezk gibt es, nach heutiger Auskunft des "Volksgouverneurs" Pawel Gubarew, zwar ein erbeutetes System vom Typ Buk, das in einem übernommenen ukrainischen Truppenteil stand. Dieses sei jedoch kaputt und benötige für seinen Einsatz außerdem ein Radarleitsystem, welches die Rebellen nicht besitzen. (Alle ortsfesten militärischen Radarstationen in der Region sind schon vor Wochen von den Rebellen zerstört worden. Deshalb ist die Handlungsfähigkeit der Kiewer Luftstreitkräfte beeinträchtigt.)

Die Rebellen verfügen, neben Fla-Geschützen und MGs, über erbeutete Fla-Raketen der Typen Strela (verschiedene Varianten) und Igla, die sie relativ erfolgreich gegen Kampfhubschrauber und -flugzeuge des Regimes über dem Donbass einsetzen. Diese leichten Raketen haben eine Bekämpfungsreichweite von maximal 5,4 km bei einer Gipfelhöhe von 3,5 km. Das ist viel zu wenig, um ein Passagierflugzeug in seiner Reiseflughöhe von 10 km zu erreichen.

Die Absturzstelle der Boeing MH17 befindet sich im Aufstandsgebiet. Mittlerweile wurde ein Teil der Flugschreiber geborgen. Diese sollen von einer - noch einzurichtenden - Untersuchungskommission der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) ausgewertet werden. Die Flugschreiber befinden sich, entgegen den Behauptungen westlicher Medien, nach wie vor in der Region und sind nicht auf dem Weg nach Moskau. An der Absturzstelle sind 30 Mitarbeiter der OSZE tätig.

Bereits seit März melden Piloten von Zivilflugzeugen regelmäßig, daß es über der Ukraine und dem nördlichen Teil des Schwarzen Meeres zu GPS-Ausfällen kommt. Wie war gestern die GPS-Situation?

Was könnte passiert sein?

Zunächst ist an eine Absturzursache zu denken, die innerhalb des Flugzeuges liegt und keinen Bezug zum Bürgerkrieg hat: Pilotenfehler, technisches Versagen oder eine Entführung. Man darf nicht vergessen, daß am 8. März diesen Jahres ein Flugzeug derselben Fluglinie irgendwo über dem Indischen Ozean spurlos verschwunden ist und bis dato nicht gefunden wurde.

Ebenso wäre ein Abschuß durch ein ukrainisches Jagdflugzeug möglich. Dafür gibt es Indizien (s.o.).

Drittens käme ein Abschuß durch bodengestützte Fla-Raketen in Betracht. Über funktionsfähige Waffensysteme dieser Art verfügen in der Region wohl nur die Truppen des Kiewer Regimes.

Was könnte nicht passiert sein?

Ein Abschuß durch bodengestützte Fla-Raketen der rußländischen Streitkräfte dürfte aus technischen Gründen unwahrscheinlich sein. Die Absturzstelle ist etwa 40 km von der Grenze zur RF entfernt. Dazu muß man die Distanz hinzuaddieren, die sich die aus Westen kommende Maschinen nach einem evtl. Abschuß noch weiterbewegt hat (ca. 50 km). Außerdem stehen weitreichende Fla-Systeme der RF erst bei Rostow am Don und nicht unmittelbar hinter der Grenze. 

Ebenso darf ein Abschuß durch ein Jagdflugzeug der RF als ausgeschlossen gelten. Es könnte nicht so weit jenseits seiner Staatsgrenze operieren, ohne daß es auffiele und beweissicher (!) dokumentiert würde. Rund um die Ukraine sind ja ständig AWACS-Maschinen der NATO in der Luft.

Wem würde ein Abschuß nicht nützen?

Auch wenn hier im "freien Westen" einige hysterische Furien kreischen, daß die Boeing von "Putins Rakete" abgeschossen worden sein soll, so ist bei nüchterner Betrachtung der Lage doch offensichtlich, daß es zwei Parteien gibt, die an einem Abschuß der malaysischen Passagiermaschine nicht das geringste Interesse haben können: die Rußländische Föderation und die Aufständischen in der Ostukraine. Welchen militärischen, politischen, diplomatischen, ökonomischen oder propagandistischen Gewinn könnten sie aus einem Abschuß ziehen? Gar keinen. Im Gegenteil, ein Abschuß würde ihre Positionen auf internationaler Ebene ganz erheblich verschlechtern.

Deshalb stinkt die Sache auch zum Himmel wie weiland der Tongking-Zwischenfall.

Cui bono?

Ganz eindeutig würden die Machthaber in Kiew von einem Abschuß der Boeing profitieren.

Erstens militärisch. Die Kiewer Truppen sind in der Ostukraine in einer schwierigen Lage, einige tausend Mann sind zur Zeit sogar eingekesselt. Es ist offensichtlich, daß das Regime den Bürgerkrieg militärisch nicht mehr gewinnen kann. Gewiß, sie können die Zivilbevölkerung weiter mit Artillerie- und Luftangriffen terrorisieren. Sie können weiter Städte in Schutt und Asche legen. Sie können die Flüchtlingswelle weiter anschwellen lassen. Aber besiegen im militärischen Sinne kann die Junta die Aufständischen nicht. Das ist offensichtlich. (Zur militärischen Lage ausführlich im nächsten Artikel.)

Daher käme ein - gestern in Kiew schon geforderter - direkter Einsatz von NATO-Militär sehr gelegen. Indirekt ist die NATO ja schon lange involviert. Zunächst durch Kämpfer auf dem "Euromaidan" in Kiew, jetzt durch hunderte Berater, Söldner und Freiwillige, die zum Teil in ukrainischer Uniform kämpfen. Diese Tatsachen sind mittlerweile durch Reportagen und Interviews auch in der westlichen Presse bekanntgeworden.
Ebenso läßt sich nicht mehr verheimlichen, daß das Regime ausländische Waffenhilfe erhält. Polen hat Haubitzen, ballistische Westen und Helme geschickt, aus den USA sind Hubschrauber gekommen und Kanada bereitet die Lieferung von Jagdbombern vor.

Der nächste logische Schritt wäre ein unmittelbarer Einsatz von NATO-Truppen im Aufstandsgebiet, vielleicht sogar ein vollausgewachsener Krieg gegen Rußland, wie er den westukrainischen Nationalisten vorschwebt.

Doch eine solche Intervention muß der Öffentlichkeit in Europa und Nordamerika verkauft werden. Und wie ginge das besser als durch einen "Terrorakt" der "bösen Russen" gegen ein unschuldiges Passagierflugzeug? Kürzlich haben NATO-Vertreter beklagt, daß die NATO den Informationskrieg gegen die RF zu verlieren drohe. Daher müsse ein neues Info-Kriegszentrum in Riga geschaffen werden. Es läßt sich, trotz weitgehender Gleichschaltung der westlichen Presse, auf Dauer nicht mehr verheimlichen, was in der Ukraine wirklich passiert. Die Wahrheit bricht sich langsam Bahn.

Doch nach dem Abschuß einer Passagiermaschine fragt kein westlicher Journalist mehr nach den Opfern von Odessa, nach den durch Bombardement und Beschuß getöteten Zivilisten in der Ostukraine, nach den "Filtrationslagern" der Junta und jenen Einwohnern von Slawjansk, die dorthin verschleppt wurden. Auch der regelmäßige Beschuß rußländischen Staatsgebietes inklusive Toten und Verletzten oder die massive Flüchtlingswelle sind dann keine Schlagzeile mehr wert. Dann will man nur noch Blut sehen.

Es könnte so werden wie vor einem Jahr, als in Syrien angeblich Chemiewaffen eingesetzt worden waren. Beweise, die diese Bezeichnung verdienten, gab es nicht oder sie waren so geheim, daß niemand sie sehen durfte. Und trotzdem wurde unaufhörlich zum Angriff der NATO auf Damaskus gehetzt, um den wenig erfolgreichen Rebellen (darunter jene Gruppe, die heute unter dem Namen ISIS den Irak terrorisiert) zum Sieg über Assad zu verhelfen. Bis dann eine kluge diplomatische Initiative Moskaus die Kriegsfurie gestoppt hat. Dabei war doch alles so schön vorbereitet... In dieser Logik kommt es nicht darauf an, was tatsächlich war, sondern nur darauf, wie es dargestellt wird.

Ein Abschuß der Boeing böte neben diesem propagandistischen Gewinn für die Junta weitere innenpolitische Vorteile. Denn langsam beginnt die Bevölkerung in der West- und Zentralukraine zu murren. Zum einen wird auch dort gegen den Bürgerkrieg von Poroschenko & Co. demonstriert, vor allem von Familienangehörigen von Soldaten. Die Verluste sollen enorm sein und die Bürger befürchten, daß das Regime die tatsächlichen Dimensionen verschleiert. Solche Kundgebungen wurden schon desöfteren gewaltsam aufgelöst.

Hinzu kommen ökonomisch motivierte Demonstrationen, bisher noch in kleinem Maßstab. Die Lebenshaltungskosten sind in letzter Zeit stark gestiegen und viele Einkommen gesunken. Zehntausende sind in den letzten Monaten arbeitslos geworden oder unmittelbar von Entlassung bedroht. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bei der Energieversorgung (Gasschulden, Probleme bei der Kohleförderung). Der (vermutlich paranoide) Premierminister Jazenjuk hat bereits vorsorglich alle protestierenden Rentner als FSB-Agenten beschimpft. Spätestens im kalten Winter droht wohl ein neuer "Maidan", diesmal ausschließlich als sozialer Protest.

Bis dahin muß die Junta den Aufstand in Donezk und Lugansk niedergeschlagen und einen Teil ihrer eigenen, jedoch unzuverlässigen Armee entwaffnet haben. Sonst wird die Lage, nicht nur in Kiew, völlig unkontrollierbar. Der beste Ausweg aus diesem Szenario wäre ein möglichst großer Krieg. Erstens könnte das Regime so aus dem Ausland massive Finanzhilfen bekommen (die dann wieder großteils in irgendwelchen korrupten Kanälen versickern ...). Zweitens könnte die Junta dann massiv gegen die unzufriedenen Bürger in ihren Stammlanden vorgehen, denn den Kampf im Osten würde dann die NATO führen.

Daß dabei die gesamte Ukraine im Mitleidenschaft gezogen würde, ist für das Regime uninteressant - sie wissen keinen anderen Ausweg. An einer Verhandlungslösung für den Konflikt sind sie jedenfalls nicht interessiert, sonst würde Kiew nicht seit Wochen die Initiativen im Rahmen der OSZE torpedieren und verschleppen. Zur Erinnerung: Bereits vor zwei Wochen sollte ein neuer Waffenstillstand ausgehandelt werden. Die Vorverhandlungen fanden in Berlin unter Beteiligung unseres Außenministers Steinmeier statt. Resultat: Null. Heute sollte übrigens die nächste Verhandlungsrunde beginnen, doch dann fiel eine Boeing vom Himmel...

Machtkämpfe zwischen ukrainischen Oligarchen

Des weiteren könnte es sein, daß ein evtl. Abschuß im Zusammenhang mit den aktuellen Konflikten zwischen verschiedenen Oligarchen(-gruppen) zu sehen ist. Seit Tagen tobt ein offener Machtkampf zwischen Poroschenko und anderen Oligarchen auf der einen Seite und dem Oligarchen Benjamin Kolomojskij auf der anderen Seite. Die Oligarchen beschimpfen sich gegenseitig in ihren jeweiligen Fernsehsendern und werfen sich - teilweise wohl zu Recht - verbrecherische Machenschaften vor.

Kolomojskij ist zugleich auch Gouverneur von Dnepropetrowsk und hat sich in der Südukraine einen kleinen Parallelstaat geschaffen. Zudem gebietet er über eine Privatarmee. Mehrere Truppenteile der sog. "Regierungstruppen" werden von ihm finanziert und hören nur auf sein Kommando. Als Präsident Poroschenko im Juni einen einseitigen Waffenstillstand verkündet hatte, erklärte Kolomojskij öffentlich, er sei gegen den Waffenstillstand und seine Bataillone würden weiter schießen (was sie dann auch munter taten). D.h. die "Regierung" in Kiew hat keine vollständige Kontrolle über ihr Militär.

Zur Zeit ist Poroschenkos Stern aufgrund seiner Erfolglosigkeit schon wieder im Sinken und Kolomojskij wird nachgesagt, daß er sich entweder ganz von Kiew lossagen könnte oder aber nächster ukrainischer Präsident werden will.

Bezieht man diese Gemengelage in die Überlegungen zum Fall MH 17 mit ein, so bieten sich mindestens zwei Möglichkeiten, wobei sowohl ein Motiv als auch die Mittel zur Durchführung eines Abschusses vorhanden waren. Entweder wollten Kolomojskijs Gegner öffentlich demonstrieren, wie unzuverlässig die ukrainische Armee ist, um so den Bankier zu demontieren. Oder aber Kolomojskij wollte aus persönlichen - neben den oben behandelten politischen - Gründen Poroscheno angreifen. Letzterer wäre, wenn ein Abschuß durch das Kiewer Militär bekannt würde, vor aller Welt als unfähiger Präsident und Oberbefehlshaber bloßgestellt. Und schon stünde mit Kolomojskij ein neuer Thronanwärter bereit.

Der reichste Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, dürfte in diesem Spiel bestenfalls eine Randfigur sein. Für den Fall, daß das Kiewer Regime im Bürgerkrieg siegen sollte, hat ihm Kolomojskij schon die Enteignung seiner Betriebe im Donbass angedroht. Sollten jedoch die Aufständischen gewinnen, droht ihm ebenfalls, zumindest teilweise, die Enteignung. Achmetow ist von den Ereignissen wirklich überrollt worden.

Resümee

Die Ukraine entwickelt sich immer mehr zum Auslöser eines dritten Weltkrieges. Interessant ist im Augenblick, wie die westlichen Kuratoren des Kiewer Regimes auf den ungeklärten Absturz der malaysischen Boeing reagieren. Nehmen sie ihn zum Anlaß für eine weitere Eskalation oder warten sie erst die internationale Untersuchung ab?

Vielleicht geht die Sache auch so aus, wie alle Gewalltaten der Maidan-Kämpfer. Am Ende werden die Opfer - also das Flugzeug und die Menschen an Bord - selbst Schuld sein. So war es in Odessa, so war und ist es in den beschossenen Städten der Ostukraine, wo sich - nach Kiews Darstellung - die Einwohner quasi selbst bombardiert haben. Sollte der Westen nicht an einer weiteren Zuspitzung interessiert sein, wird man es wohl als menschliches oder technisches Versagen abtun, um Poroschenko nicht in Mißkredit zu bringen.

Oder aber man fälscht Beweise wie 2003 bezüglich des Irak und seiner angeblichen ABC-Waffen. Dann begänne freilich ein Krieg ohne alle Regeln - Menschenrechte und Kriegsvölkerrecht sind ja laut Aussagen des State Departement in der Ostukraine ohnehin nicht gültig.

Mehr zum Thema auch im Chartophylakeion-Blog, bei der Propagandaschau und bei Hinter der Fichte.

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Freitag, 11. Juli 2014

Nachrichten vom 10. und 11. Juli

Heute ist den nunmehr vereinten Bürgerwehrkräften der Volksrepublik Donezk ein Überraschungserfolg gelungen. Die Kiewer Junta verlegt zur Zeit starke Kräfte in Richtung der Stadt Donezk, um diese einzuschließen. Heute konnte jedoch das Vordringen der 24. motorisierten Brigade (faktisch - wie alle ukrainischen Brigaden - wohl eher ein verstärktes Bataillon) von den Aufständischen gestoppt werden - durch massierten Einsatz der eigenen Artillerie, die ihnen in den letzten Wochen in die Hände gefallen war. Ein Novum in diesem Bürgerkrieg. Bisher hatte die Junta das Monopol auf den Einsatz schwerer Waffen. Mehr dazu beim Chartophylakeion-Blog.

Ansonsten nachfolgend noch drei kurze Videos, in denen über die aktuelle militärische Lage im Aufstandsgebiet berichtet wird:





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Freitag, 4. Juli 2014

Zum 4. Juli


Vorhin hat ein Blogger via Twitter einen mit Blick auf die amerikanische Ukraine-Politik treffenden Satz verbreitet:
"Am 4. Juli 1776 haben die Führer der amerikanischen Terroristen die Unabhängigkeitserklärung der USA unterzeichnet. Die Separatisten wurden durch französische Kämpfer unterstützt."
Ich plädiere im übrigen auch dafür, die abtrünnigen dreizehn Kolonien wieder der britischen Krone zu unterstellen. Wo kämen wir denn hin, wenn man die Separatisten einfach gewähren ließe, von der Destabilisierung der Welt durch die gewaltsame Abspaltung der USA vom Empire ganz zu schweigen.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Ukraine: "Untermenschen" gehören in Konzentrationslager


Die Logik der "zivilisierten Welt" anno 1941 wie heute:
"Der Russe muß sterben, damit wir leben."

Da war es endlich heraus, das U-Wort. Die Aufständischen in der Ostukraine seien, so wörtlich, "Untermenschen". Das hatte Jazenjuk, seines Zeichens Premierminister der Kiewer Junta, vor wenigen Wochen gesagt und seine Mitarbeiter hatten es auch prompt weiterverbreitet. Auf der Webseite der Kiewer Botschaft in den USA wurde der Text sogar ins Englische übersetzt, inklusive dem Terminus "subhuman". Die amerikanischen Freunde der Junta versuchten zwar sofort, einen angeblichen Übersetzungsfehler herbeizureden, doch das war angesichts der eindeutigen Quellenlage nicht möglich.

Das Denken vom Begriff des "Untermenschen" her ist elementar für das Verständnis der westlichen Politik und Medienberichterstattung in Bezug auf die Ereignisse in der Ukraine. So wie Russen (als ethnisch-kulturelle Gruppe) als minderwertig, als nicht "zivilisiert", gelten, so wird die Rußländische Föderation als Staat als minderwertiges Völkerrechtssubjekt angesehen. So, wie sich nach Meinung des Westens die 20 Millionen Russen, die in der Südostukraine leben, dem Diktat der angeblich "europäischen" und somit "höherwertigen" Westukrainer unterwerfen müssen, so hat sich auch Rußland dem Willen des Auslands bedingungslos unterzuordnen. Anderenfalls werden sie mit Feuer und Schwert gefügig gemacht.

Neue Konzentrationslager

Der - heute aus anderen Gründen entlassene - Kiewer Verteidigungsminister Kowal hat kürzlich im Fernsehen angekündigt, daß die Bürger aus dem Aufstandsgebiet, sobald sie in die Hand von Juntatruppen geraten, in sog. "Filtrationslager" gesperrt werden sollen, damit man klären könne, inwieweit es sich bei ihnen um "Separatisten" - also Straftäter - handele.

Betroffen davon sind mehrere Millionen Menschen, doch im "freien Westen" regt sich keine Kritik an der Einrichtung von neuen Konzentrationslagern durch das Kiewer Regime. Sind schließlich nur Untermenschen betroffen, Leute, die Russisch statt dem "höherwertigeren" Ukrainisch sprechen, kurzum niemand, um den man sich sorgen müßte.

Humanitäre Katastrophe

Die "transatlantische Wertegemeinschaft" erregt sich auch nicht darüber, daß schon seit Tagen mehrere hunderttausend Menschen im Gebiet Donezk ohne Wasser- und Stromversorgung sind. Zudem ist an manchen Orten aufgrund der Blockade von Städten durch das Ukro-Militär die Lebensmittelversorgung unterbrochen, es herrscht Hunger. Die Junta und ihre ausländischen Berater hält offenkundig Artikel 14 des Zweiten Zusatzprotokolls von 1977 für unbeachtlich, d.h. die Trinkwasser- und Nahrungsmittelversorgung darf ihres Erachtens attackiert werden. Doch über diese humanitäre Katastrophe wird hierzulande praktisch nicht berichtet, ebensowenig wie über das

Bombardement von Wohnvierteln

durch das Junta-treue Militär mittels Geschützen, Raketenwerfern und Jagdbombern. Die Zahl der getöteten Zivilisten dürfte mittlerweile in die Hunderte gehen, wenn nicht gar in die Tausende. Genaue Zahlen werden aufgrund der unübersichtlichen Lage wohl nie bekannt werden. Hunderte Wohnhäuser sind beschädigt oder zerstört worden. Das untenstehende Foto stammt nicht aus dem Zweiten Weltkrieg, sondern aus dem Juli 2014.

Aber haben nicht auch die Einwohner der Gebiete Donezk und Lugansk ein Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit? Haben nicht auch sie die übrigen, in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegten elementaren Grundrechte? Gilt nicht auch für sie Artikel 13 des Zweiten Zusatzprotokolls, wonach die Zivilbevölkerung besonderen Schutz genießt? Nein, so die Antwort des Kiewer Regimes und seiner ausländischen Claqueure. Das sind nur "Untermenschen" - und die haben keine Rechte.

Demgegenüber wird der Abschuß eines Militärflugzeugs durch die Aufständischen im "Westen" als schlimmer Terrorakt angesehen, schließlich sind rund 50 Soldaten der Junta - also eine Art "europäische Herrenmenschen" - umgekommen. Dabei ist der Abschuß von Militärflugzeugen aus kriegsvölkerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.


Angriffe auf völkerrechtlich geschützte Objekte

Mittlerweile hat zwar das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Aufständischen als Kriegspartei anerkannt, doch das ändert nichts an der völkerrechtswidrigen Handlungen im Rahmen der Strafexpedition. So haben Juntatruppen mehrfach Sanitätstransporte und Sanitätspersonal angegriffen, was teilweise sogar per Video dokumentiert werden konnte. Bei einer solchen Attacke wurden z.B. in der Stadt Donezk 30 verwundete Aufständische dahingemetzelt. Die deutsche Presse hat erfreut darüber berichtet, daß es gelungen sei, 30 "Separatisten" zu töten. Des weiteren haben Juntatruppen mehrfach Krankenhäuser beschossen, was bei den westlichen Sponsoren ebenfalls keine Proteste ausgelöst hat.

Der "Westen" ruft offen zum Genozid auf

In den letzten Monaten waren es zunächst Politiker aus Estland, Lettland, Litauen und Polen, welche die Kiewer Putschisten offen und unverhohlen zum Völkermord an den Bewohnern der Südostukraine aufgerufen haben. Das Regime müsse endlich "Ordnung" schaffen, dem "Separatismus" müsse der Garaus gemacht werden usw. (Zur Erinnerung: Als im Winter Kiew brannte, durfte Präsident Janukowitsch keine Ordnung schaffen, er wurde vom "Westen" stattdessen aufgefordert, die Polizei aus der Hauptstadt abzuziehen.)

Dies in Kenntnis dessen, daß schon vor dem Putsch auf dem Maidan gefordert worden war, alle Russen umzubringen oder, wie Julia Timoschenko es formulierte, die Bewohner der Südostukraine aus Atomwaffen zu beschießen. Andere westukrainische Nationalisten waren etwas "gnädiger" und ließen den betroffenen Bürgern immerhin die Möglichkeit offen, ihren Koffer zu packen und in die RF auszuwandern, wenn sie denn unbedingt Russisch sprechen wollten. (Hier im Tauroggen-Blog waren diese Aufrufe zum Völkermord mehrfach dokumentiert worden.)

Doch das Massaker von Odessa am 2. Mai hat vieles geändert. Nach offiziellen Zahlen sind 46 Maidangegner im Gewerkschaftshaus umgekommen - teilweise erschossen, teilweise erschlagen, teilweise verbrannt. Inoffizielle Zahlen aus der Stadtverwaltung sprechen sogar von etwa 120 Toten. Der "Euromaidan" konnte unter den Augen von vielen Kameras ein Pogrom vollbringen, doch die sog. "zivilisierte Welt" hat es nicht interessiert. Stattdessen sprach man von einem Unglücksfall, an dem die Ermordeten jedoch selbst schuld seien. (Hätten sie sich nicht gegen die Politik der USA und der EU gestellt, hätte man sie nicht umbringen müssen.) Mittlerweile ist es zu weiteren Massakern gekommen, so in Mariupol, Krasnyj Liman und anderen Orten im Donbass. Die "Regierungstruppen" stören sich nicht einmal daran, daß hinterher viele Leichen auf den Straßen liegen, denn sie wissen, daß derartige Bilder im "Westen" nie gezeigt werden.

Bemerkenswert ist, daß wenige Tage vor den Ereignissen von Odessa der schwedische Außenminister Bildt in der Stadt war und demonstrativ die Neonazis vom Rechten Sektor in ihrem Kampf gegen die "Separatisten" bestärkt hat. Gestern hat das State Departement offiziell bekanntgegeben, daß es der Junta Carte blanche erteilt hat, weil sie ausdrücklich jede beliebige Entscheidung Kiews billigen. Kurz danach hat die EU nachgezogen. Barros teilte mit, er habe Verständnis für die Entscheidung Poroschenos, den Bürgerkrieg fortzusetzen. Hinzu kam die Mitteilung aus Brüssel, daß man für den "Wiederaufbau" des Donbass 1,5 Milliarden Euro bereitstellen wolle. Mit anderen Worten: Die Junta kann ruhig alles zerstören, die allmächtige EU wird für den Schaden aufkommen - wie auf dem Balkan.

Merkwürdig auch das neuerliche Drohen mit "Sanktionen", welches zur Zeit stattfindet. Nicht das Regime in Kiew, das systematisch das Humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte verletzt, soll von den USA und der EU "bestraft" werden, sondern Rußland, das den Eingeschlossenen Hilfsgüter schickt und Flüchtlinge aufnimmt. Doch so werden die "Untermenschen" in der Ostukraine eben vor der vom "Westen" erlaubten Niedermetzelung ein wenig geschützt. Und das kann der Westen, der sich einbildet, allein die Spielregeln dieser Welt festlegen zu dürfen, nicht durchgehen lassen.

Flüchtlingsstrom

Und die freie westliche Presse schweigt dazu oder verdreht die Tatsachen oder lügt glatt. Ein schönes Beispiel dafür ist der Flüchtlingsstrom, der sich aus dem Aufstandsgebiet vor allem in Richtung Rußland ergießt. Für das State Departement und auch die deutschen Medien gibt es ihn nicht. Washington hat sogar frech behauptet, es seien gar keine Flüchtlinge, sondern Touristen, die im Sommer einfach ihre Oma besuchen würden. Daß mittlerweile sogar der UN-Kommissar für Flüchtlingsfragen mit eigenem Personal vor Ort ist und von etwa 110.000 Flüchtlingen spricht, läßt die Amis kalt. Sind doch bloß "Untermenschen", warum sollte man sich wegen deren Schicksal den Kopf zerbrechen?

De facto sind bereits mehrere hunderttausend Menschen aus der Ukraine in die RF geflohen, doch die meisten von ihnen haben sich nicht als Flüchtlinge, sondern als Besucher registriert. Das wohl auch, weil sie hoffen, zunächst bei Verwandten oder Freunden in Rußland unterzukommen. Oder sie wollen ganz auswandern. An dieser Stelle nur eine Zahl, um die Dimension zu verdeutlichen: Allein im Gebiet Rostow am Don halten sich nach Angaben des Föderalen Migrationsdienstes zur Zeit etwa 500.000 ukrainische Staatsbürger auf.

Um mit dem Flüchtlingsstrom besser umzugehen, wurde mittlerweile in mehreren grenznahen Regionen Rußlands Katastrophenalarm ausgelöst. Die Behörden versuchen, die Flüchtlinge schnellstmöglich aus provisorischen Zeltlagern in feste Unterkünfte (z.B. Ferienlager, Internate), möglichst über das ganze Land verteilt, zu bringen, damit sich nicht in unmittelbarer Grenznähe die aus anderen Konfliktgebieten hinlänglich bekannten Zeltstädte mitsamt ihren Problemen etablieren.
Bemerkenswert ist die Hilfsbereitschaft der Bürger Rußlands, die binnen kurzer Zeit in Privatinitiative viele Geld- und Sachspenden geleistet und außerdem mehrere private Hilfstransporte direkt zu den Menschen ins Bürgerkriegsgebiet gebracht haben.

Eine mögliche Rückkehr der Flüchtlinge wird, wenn überhaupt, wohl Jahre dauern. Damit erreicht die Kiewer Junta unter ausdrücklicher Billigung des "Westens" ihr mehrfach ausdrücklich erklärtes Ziel der ethnischen Säuberung der Ostukraine. Ein sogenannter "Friedensplan" sieht anders aus!


Unfreie Präsidentenwahlen

Die "transatlantische Wertegemeinschaft" hat die Präsidentenwahl vom 25. Mai gefeiert, zugleich aber davor die Augen verschlossen, daß zuvor mehrere Kandidaten wie Oleg Zarjow oder Michail Dobkin von gewalttätigen Maidan-Kämpfern angegriffen und verletzt worden waren. Doch diese Vertreter der Menschen in der Ostukraine sollten nach dem Willen des "Westens" ohnehin keine Rolle spielen. Über die Attacken während des Wahlkampfes hat die deutsche Hauptstrompresse selbstverständlich nicht berichtet.

Religiöse Unterdrückung

Die Unterdrückung der Orthodoxen im Land hat beträchtlich zugenommen. Geistliche wurden verhaftet, Kirchengebäude im Osten beschossen (z.T. während des üblichen Sonntagsgottesdienstes), Bischöfen wird die Einreise verweigert. Zuletzt hat man Patriarch Kirill zur unerwünschten Person erklärt. D.h. die Orthodoxen in der Ukraine sind von ihrem Oberhirten abgeschnitten. Die Begründung dafür lieferte SBU-Chef Naliwaitschenko, indem er sagte, man müsse den "orthodoxen Fundamentalismus" bekämpfen.

Der "freie Westen" hat gegen die Einschränkung der Religionsfreiheit ebenfalls nichts einzuwenden. Sein Feldzug gegen die Orthodoxen hatte bereits im Kosovo gewaltsame Züge getragen. Und als sie auch nicht bereit waren, die Entweihung ihrer Kirchen durch "Pussy Riot" zu akzeptieren, war für den Westen das Maß voll. Mit der unabhängigen Ostkirche mußten daher andere Saiten aufgezogen werden.

Jagd auf Journalisten

Es gibt ein Land, in dem angeblich die "europäischen Werte" gelten und dessen Geheimdienst eine Fahndungsliste veröffentlicht, auf der ein Dutzend ausländischer Journalisten zur Festnahme ausgeschrieben ist. Dieses Land heißt Ukraine. Die seitens der Junta andauernde Jagd gegen unabhängige Reporter hat bereits fünf Todesopfer gefordert (4 rußländische und 1 italienischer Journalist). Laut Kiew waren, wie sollte es anders sein, die Toten natürlich selbst an ihrem Schicksal schuld. Hinzu kommen mehrere inhaftierte ausländische Korrespondenten, die sich mit dem Vorwurf des "Terrorismus" konfrontiert sehen, darunter mindestens ein Brite.

Auch in diesem Punkt sieht man wieder das schöne Zusammenspiel zwischen den Herren in Washington, D.C. und ihren Befehlsempfängern in Kiew. Zuerst hat das State Departement gegen die rußländischen Medien gewettert, die mit ihrer stundenlangen Liveberichterstattung angeblich "Putin-Propaganda" verbreiten würden und kurz danach begann in der Ukraine selbst die Jagd auf Journalisten, die mit ihren Berichten ein anderes Bild verbreiten als von Washington gewünscht.

Beschuß von rußländischen Staatsgebiet

Ein anderes Thema, das von den meisten deutschen Medien verschwiegen wird, ist der Beschuß von Staatsgebiet der RF durch Einheiten der Ukro-Armee, zuletzt heute morgen. In den vergangenen zwei Wochen sind mehrfach Grenzübergänge und in Grenznähe stehende Gebäude beschossen wurden. Teilweise aus Artillerie, teilweise aus schweren Maschinengewehren. D.h. die Schützen wußten genau, was sie taten und wohin sie schossen. Es gab auch hier mehrere Verletzte.

Eine Reaktion der "westlichen Wertegemeinschaft" blieb bisher aus, ebenso wie beim

Angriff auf die Botschaft der RF in Kiew

am 14. Juni. Mehrere hundert Gewalttäter vom "Maidan" hatten das Botschaftsgebäude mit Steinen und Brandsätzen beworfen, außerdem wurden Autos zerstört. Der Außenminister der Junta stand daneben und hat den Mob sogar noch angestachelt. Die in einiger Entfernung befindlichen Polizeikräfte sind jedoch nicht eingeschritten, um den völkerrechtswidrigen Angriff aufzuhalten.

Als danach Rußland im UN-Sicherheitsrat eine - völkerrechtlich unverbindliche! - Verurteilung dieses Angriffs auf seine diplomatische Mission erwirken wollte, legten die USA, England und Frankreich dagegen ihr Veto ein. Mit anderen Worten: Washington, London und Paris sind der Meinung, daß rußländische Botschaften keinen völkerrechtlichen Schutz genießen.

Über den Vorfall wurde hierzulande nicht berichtet. Offenbar wollte unsere Presse, ebenso wie ihre Befehlsgeber, abwarten, wie Moskau sich verhalten würde. Offenkundig sollte mit den Attacken ein Militäreinsatz provoziert werden. Den hätte der "freie Westen" aber nicht verurteilen können, wenn die Bürger in diesen Ländern gewußt hätten, daß es zuvor seitens der Ukraine gewaltsame Angriffe gegeben hatte. Manipulation pur.

Direkte Verwaltung durch die USA

Das Interessante an der Handlungsweise des Kiewer Regimes ist, daß es sich mittlerweile unter direkter Verwaltung durch die USA befindet. D.h. jede Aktion der Junta muß eigentlich Washington zugerechnet werden. Das wird nicht nur an dem Zusammenspiel zwischen den Erklärungen der US-Regierung und den Aktionen des Regimes deutlich (siehe oben). Bei seinem ersten Besuch in Kiew hat US-Vizepräsident Biden in der Obersten Rada auf dem Sessel des Staatschefs gesessen. Sein Platzanweiser war übrigens der US-Botschafter Pyatt, nicht etwa ein ukrainischer Beamter. Pyatt nimmt auch an allen Kabinettssitzungen teil.

Dutzende Berater der US-Geheimdienste und des Militärs sind in der Ukraine stationiert (darüber hatte sogar der Spiegel berichtet). US-Drohnen fliegen über das Land, Söldner privater Militärfirmen schießen auf die Aufständischen, es sollen sogar schon US-Soldaten umgekommen sein. SBU-Chef Naliwaitschenko ist seit 2013 US-Bürger, zuvor war er schon Jahre als Agent für die CIA tätig. Nicht zu vergessen, daß Bidens Sohn kürzlich zum Aufsichtsratsmitglied eines ukrainischen Gasversorgungsunternehmens ernannt wurde - rein zufällig natürlich.

In Anbetracht dessen muß man zwangsläufig davon ausgehen, daß alle Handlungen des Kiewer Regimes direkt mit den USA abgestimmt sind. Wenn man in Washington behauptet, daß man nichts wisse, so ist das angesichts der massiven US-Präsenz eine glatte Lüge. Und wenn dann heute der neuernannte Kriegsminister Geletej in der Rada ankündigt, er werde eine Siegesparade im ukrainifizierten Sewastopol abhalten (was passiert vorher mit den Einwohnern der Krim?), dann kann es keinen Zweifel daran geben, daß die Amis um jeden Preis einen großen Krieg mit Rußland herbeiführen wollen. Moskau war bisher klug genug, ihn zu vermeiden, doch bei einem Angriff auf die Krim wird das nicht mehr gehen.

Handlungsschemata der Junta

Es gibt zwei typische Handlungsschemata des Kiewer Regimes, die sich seit Monaten bewährt haben und offenbar auch mit den Strategen und PR-Leuten in den USA abgestimmt sind. Erstens: Die Opfer von Gewaltakten - vor allem, wenn sie schon tot sind - sind selbst an ihrem Unglück schuld. Zuerst wurde diese "Begründung" beim unbequem gewordenen Neonazi Alexander Musytschko angewandt, der sich angeblich zweimal selbst ins Herz geschossen hat, als er mit auf den Rücken gefesselten Händen in einem Polizeifahrzeug saß. Zuvor hatte Junta-Innenminister Awakow jedoch großspurig erklären lassen, seine Polizisten hätten den Mann liquidiert.

Zweitens die bereits aus der "Kampfzeit" auf dem Maidan hinlänglich bekannte Kombination von Scheinverhandlungen zur Lösung des Konflikts (für das westliche Ausland und die dortige Presse) und realen Kampfhandlungen, über die im "Westen" nicht berichtet wird. Wir erinnern uns: Es gab zwischen Janukowitsch und den seinerzeitigen Oppositionsführern ein Abkommen zur Konfliktregulierung vom 21. Februar, welches von den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Polens beglaubigt worden war. Die Nichteinhaltung und deren Folgen sind bekannt. Die Junta weiß, daß sie gegenüber dem "Westen" Friedensliebe und Verhandlungsbereitschaft markieren muß, auch wenn es ihrerseits realiter nicht die geringste Absicht gibt, z.B. eine Feuerpause einzuhalten.

So war es in den vergangenen Monaten immer und so wird es auch weiterhin sein: Immer wenn es so schien, als stehe eine Lösung des Konflikts oder zumindest etwas Frieden kurz bevor, kam es plötzlich zu einem neuen Gewaltausbruch. Dieses Handlungsmuster hat sich aus Sicht der ukrainischen Nationalisten bewährt, warum sollten sie davon Abstand nehmen.

Schlußbemerkungen

Wer aktuelle Videos aus dem Bürgerkriegsgebiet um Donezk und Lugansk sehen möchte, dem seien dieser und dieser Youtube-Kanal empfohlen.

Bleibt abschließend noch die Frage, warum die deutschen Medien nur so halb- und unwahr über die Situation in der Ukraine berichten. Die Antwort ist einfach: Würden die Deutschen auch nur zwei Drittel der Wahrheit erfahren, dann würde die Zahl der sog. "Putinversteher" und "Kremltrolle" noch weiter steigen. Viele Deutsche ahnen instinktiv, daß sie nach Strich und Faden belogen werden und lehnen deshalb die Kriegshetze ab. Wenn sie wüßten, wie stark sie tatsächlich belogen werden, dann wäre unsere politische und mediale Klasse am Ende.

Im nächsten Artikel wird es um die militärischen Aspekte der Lage in der Ostukraine gehen.


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Sonntag, 13. April 2014

USA und EU unterstützen Strafexpedition (UPD.)


Dieses Wochenende war wiederum sehr ereignisreich. Mittlerweile haben sich die Gebiete Donezk und Lugansk fast vollständig der Kontrolle der Junta in Kiew entzogen. Am Samstag und Sonntag kam es in vielen Städten und Gemeinden erneut zu Demonstrationen der Bürger, die oft in der Besetzung von Verwaltungs- und manchmal auch Polizeigebäuden gipfelten (siehe Karte, wobei auf dieser noch nicht alle Orte markiert sind). An den meisten Orten wurden Barrikaden errichtet.

Herausragendes Beispiel ist die Kleinstadt Slawjansk, die sich unter Führung der Bürgermeisterin komplett dem Aufstand angeschlossen hat. Sie ist bereits seit Samstagfrüh in der Hand der Aufständischen, die hier (ausnahmsweise) auch bewaffnet sind, nachdem die örtliche Polizei zu ihnen übergegangen war. (Wie in Lugansk vor einer Woche, so sind den Aufständischen mittlerweile an mehreren Orten Waffen, Uniformen etc. aus Behördenbeständen in die Hände gefallen.)
Am Sonntagmorgen gab es in Slawjansk einen Zwischenfall inklusive Schußwechsel zwischen zwei bis drei Parteien, wobei es noch Unbekannte gibt. Die Putschisten hatten eine Kolonne von Schützenpanzerwagen in die Stadt geschickt, diese machten nach dem Gefecht jedoch wieder kehrt. Es soll ein bis zwei Tote und etwa ein Dutzend Verletzte gegeben haben. Tagsüber wurden neue Geplänkel gemeldet. Am Sonntagabend wurden in Slawjansk angeblich zwei Söldner einer privaten Militärfirma gefangengenommen.

Aktuelle Videos aus Slawjansk sind hier, hier, hier und hier zu finden. Bilder und Videos aus weiteren Orten im Osten des Landes: Mariupol, Enakijewo, Lugansk, Kramatorsk und Drushkowa,

Die Ostukraine scheint für die Putschisten verloren. Die in den Regionen vorhandenen Sicherheitskräfte laufen scharenweise zu den Aufständischen über (hier ein Video aus Donetsk). In Artjomowsk konnte sogar eine Kompanie der neugeschaffenen Nationalgarde ohne Kampf gestellt und entwaffnet werden. Polizisten, die sich für neutral erklärt haben, werden von Junta-treuen Kräften wegen Befehlsverweigerung verhaftet. Den ganzen Tag über wurde zwar wieder die Verlegung von schwerer Technik wie Kampfpanzern gemeldet, doch ist äußerst zweifelhaft, ob die ukrainischen Soldaten bereit sind, auf ihre Mitbürger zu schießen.
Am Abend hat der ukrainische Präsident Janukowitsch in Rostow am Don erneut eine Pressekonferenz abgehalten, auf der er die Polizisten und Soldaten seines Landes aufgefordert hat, keine Befehle der Putschisten mehr auszuführen. Unter den Vertretern der Junta herrscht schon seit Tagen offene Panik, die mittlerweile die Grenze zur Paranoia überschritten hat. Jazenjuk z.B. soll jede Nacht an einem anderen Ort verbringen, weil er Angst sowohl vor den Russen als auch dem Rechten Sektor hat.

Im Süden sieht es schlechter aus. Dort gab es heute in Saporoshje einen Zwischenfall, bei dem eine Demonstration der Referendumsbefürworter von 500 herangekarrten Kämpfern des Rechten Sektors eingekesselt wurde. Die Demonstranten wurden dann vom SBU verhaftet. (Auch in Charkow ist es am Sonntag nach zwei Kundgebungen zu einer Auseinandersetzung mit Verletzten gekommen; anschließend wurde dort ebenfalls das Rathaus besetzt.)

Einer der neuen Brennpunkte dürfte Odessa zu sein. In der Stadt war es vor wenigen Tagen zu einer Großdemonstration anläßlich des siebzigsten Jahrestages der Befreiung der Stadt von den deutschen Besatzern gekommen. Dieser wurde von Maidan-Kämpfern gestört, konnte aber nicht verhindert werden. Deshalb sind sie am Sonntag verstärkt aufmarschiert, um die Einheimischen zu terrorisieren. Doch auch letztere haben wieder Flagge gezeigt.
Hinzu kam der Besuch des schwedischen Außenministers Carl Bildt, der demonstrativ den vermummten Maidan-Kämpfern den Rücken stärkte und Rußland kritisierte. Die Einwohner Odessas, die gegen den Maidan sind, wurden von ihm als "Separatisten" tituliert, gegen die gekämpft werden müsse. Von Bildt kam hingegen kein Wort zu den massiven Menschenrechtsverletzungen, derer sich die Putschisten und ihre Banden gerade auch in Odessa schuldig gemacht haben.

Am Samstag kam ein weiterer ausländischer Gast nach Kiew. CIA-Direktor Brennan war angereist, um den demoraliserten Putschisten Mut zu machen und die Einzelheiten der Strafexpedition gegen die Bevölkerung der Südostukraine zu planen. Schon vor Tagen wurde vor dem SBU-Hauptquartier in Kiew die US-Flagge gehißt und im Gebäude sollen sich mittlerweile Dutzende ausländische Berater aufhalten. Offenbar gab Brennans Visite den Ausschlag für den am Morgen begonnenen Angriff auf Slawjansk (s.o.).

Am Sonntagnachmittag hat "Präsident" Turtschinow dann den Beginn einer großmaßstäblichen "Anti-Terror-Operation" gegen die Bevölkerung der Südostukraine verkündet. Hierbei sollen auch Verbände der Streitkräfte eingesetzt werden. (Zur Erinnerung: Während der gewaltsamen Unruhen im Februar, wo seinerzeit von den Putschisten auch Schußwaffen eingesetzt worden waren, hatte die US-Regierung an Präsident Janukowitsch appelliert, keine Militäreinheiten einzusetzen und überdies die Polizei aus Kiew abzuziehen. Jetzt will Washington anscheinend ein Blutbad anrichten.)

Es ist jedoch zweifelhaft, auf welche Kräfte sich die Junta überhaupt noch stützen kann. Die Armee will wohl großteils nicht kämpfen, die örtliche Polizei steht ihr nicht mehr zur Verfügung und die Söldner, von denen einige hundert im Land sein sollen, reichen für eine derartige Operation nicht aus. Bereits in der zurückliegenden Woche gab es große Ankündigungen, denen jedoch keine Taten folgten. Deshalb gewinnt der neueste Schachzug der USA an Relevanz: Der US-Zerstörer "Donald Cook" ist am Sonntag in den Hafen von Odessa eingelaufen, was wiederum Proteste der Einwohner hervorgerufen hat. Die USA werden sich jetzt möglicherweise direkt an der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste gegen den Putsch beteiligen. Zugleich soll Rußland von einem Schutz der bedrohten Menschen abgehalten werden.

Wir könnten in den nächsten Tagen auch den offenen Einsatz polnischen Militärs sehen (verdeckt operieren sie schon lange in der Ukraine). Denn am Sonntag hat der polnische Ministerpräsident Tusk verkündet, er unterstütze den von Turtschinow angekündigten Armee-Einsatz gegen die renitenten Teile der ukrainischen Bevölkerung. Auch Catherine Ashton hat bereits Verständnis für diese Maßnahmen signalisiert. Zur Zeit verstärkt die NATO ihre Kriegsschiffe im Schwarzen Meer.

In der Nacht soll eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates stattfinden, doch ist zweifelhaft, daß dort substanzielle Ergebnisse erzielt werden. USA und EU marschieren, wie schon im Februar, wieder im Gleichschritt. Aufgrund der Probleme der ukrainischen Polizei und Armee müssen es jetzt Söldner und eventuell reguläre NATO-Soldaten richten. Die ausländischen Drahtzieher des Putsches vom 22. Februar wollen sich ihre "Investition" nicht vermiesen lassen. Die Ukraine ist ihre Beute und es hat den Anschein, als wollten die Euroatlantiker ihre neue Kolonie mit Klauen und Zähnen verteidigen.

D.h. ferner, daß es jetzt in den westlichen Medien zu einer neuen Propagandaoffensive kommen wird. Die Bürger der Ostukraine sind jetzt nicht nur Separatisten, sondern auch Terroristen und "russische Soldaten". In Kiew war schon wieder von einem Partisanenkrieg gegen die Ostukraine die Rede. Nun denn, wir werden sehen, was die nächsten Tage bringen.


Nachtrag (14. April, 12:55 Uhr)

Heute vormittag ist ein weiteres Ultimatum der Junta verstrichen, ohne daß es in den Regionen Donezk oder Lugansk zu den angekündigten Gewaltmaßnahmen gekommen wäre. Es ist nicht das erste Ultimatum, was folgenlos verstreicht. Dies sagt viel über die Stimmung unter den Putschisten in Kiew. Einerseits schrecken sie, trotz ihrer öffentlich ausgesprochenen Gewaltphantasien, vor massiver Gewaltanwendung zurück - auch, weil ihnen die Kräfte und Mittel dafür fehlen. Andererseits sind sie nicht fähig, in einen echten Dialog mit den Bürgern der Südostukraine einzutreten und vernünftige Verhandlungen zu führen. Kurzum: Die Usurpatoren leben in Agonie. Ihre Scheinwelt, an deren Errichtung die westlichen Sponsoren des Putsches kräftig mitgearbeitet haben, hat keinen Bezug mehr zur Realität. Deshalb können sie die Vorgänge in der wirklichen Welt kaum noch beeinflussen.

Vorhin ist in der Kleinstadt Gorlowka das Polizeirevier von Demonstranten umstellt und dann gestürmt worden. Die Polizei hat sich am Mittag auf die Seite des Volkes gestellt. In der Stadt werden nun auch Barrikaden errichtet. Eine Sensation wurde aus Slawjansk, was seit Samstag komplett unter Kontrolle der Aufständischen steht, gemeldet: Die vor der Stadt zusammengezogenen 25. Luftlandebrigade, ein Eliteverband der ukrainischen Armee, hat Kiew den Gehorsam verweigert und ist auf die Seite der Einwohner und ihrer Selbstschutzkräfte übergegangen. Außerdem konnten die Aufständischen den Flugplatz der Stadt unter Kontrolle bringen. Das dürfte es dann gewesen sein. Selbst wenn die Junta in der Westukraine noch ein paar Polizisten, bewaffnete Nationalisten sowie Söldner zusammenkratzen kann, werden diese Kräfte nicht mehr fähig sein, das Land wieder unter die Knute der Putschisten zu zwingen.

Unterdessen ist es der West- und Zentralukraine ebenfalls zu neuen Zwischenfällen gekommen. In Lwow haben Angehörige von Banden einen Markt gestürmt. Und in Kiew gibt es schon wieder Demonstrationen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die damit verbundenen drastischen Kürzungen. Die Slowakei hat sich übrigens am Sonntag aus juristischen Gründen geweigert, die von Kiew gewünschte Rückleitung rußländischen Erdgases durchzuführen. Jetzt wird es wirklich eng für die Putschisten. Daran können auch Besuche des CIA-Chefs und des schwedischen Außenministers nichts ändern.


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Freitag, 11. April 2014

Die gescheiterte Anti-Rußland-Politik (2)

Die Einflußsphären der USA vs. die Einflußsphäre Rußlands.
Amerika sagt empört: "He, was bildest du dir ein!"

Fortsetzung von Teil 1

Die Putin-Rede vom 18. März

Der Wutausbruch von Samantha Powers ist nur die Nachwirkung einer anderen, vergangenen Epoche. "Danke, daß ich nicht länger in einem besiegten Land lebe" schrieb denn auch die russische Journalistin Uljana Skojbeda. Zwei Dekaden der Demütigung und Einkreisung Rußlands gehören der Vergangenheit an. Die endgültige Unterwerfung und Zerstückelung des Landes, über die manche im Westen seit über hundert Jahren phantasieren, ist erneut nicht gelungen und wird, daran besteht kein Zweifel, auch in Zukunft nicht gelingen.

Am 18. März, zwei Tage nach dem Referendum auf der Krim und in Sewastopol, hat Präsident Putin eine überaus wichtige Rede gehalten (hier auf Deutsch), deren Lektüre sich lohnt. Sie wird, ebenso wie seine Ansprache auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007, in die Geschichte eingehen. Anstatt ernsthaft auf die von ihm vorgetragenen Bedenken einzugehen, wurde ihm seinerzeit im Westen vorgeworfen, "gepoltert" zu haben. Rußland hätte sich wieder an den Katzentisch zu begeben und die Herrscher der Welt machen zu lassen.

Doch jetzt zu seiner jüngsten Rede. Zunächst ein ausführlicher Blick in die Geschichte, auf die Versuche, die russischen Bürger zu ukrainifizieren und auf die chaotische Lage, die seit zwei Jahrzehnten in der Ukraine herrscht. Unter anderem:
"Millionen von Russen gingen in einem Land schlafen, und wachten hinter einer Grenze auf; sie wurden in einem Augenblick zu einer nationalen Minderheit in den ehemaligen Sowjetrepubliken, und das russische Volk wurde damals zum größten geteilten Volk der Welt.

Heute, viele Jahre später, hörte ich, wie die Einwohner der Krim sagten, dass sie damals, 1991, wie ein Sack Kartoffeln einfach aus den einen Händen in andere übergeben wurden. Es ist schwer, dem zu widersprechen. Der russische Staat tat was? Er senkte sein Haupt und fand sich damit ab, schluckte diese Beleidigung. Unser Land befand sich damals in einer kritischen Lage, es konnte einfach nicht für seine Interessen einstehen. Doch die Menschen konnten sich mit dieser himmelschreienden historischen Ungerechtigkeit nicht abfinden. All diese Jahre haben sowohl die Bürger, als auch viele Persönlichkeiten der Gesellschaft dieses Thema oft angesprochen, indem sie sagten, dass die Krim seit jeher russische Erde sei, und Sewastopol eine russische Stadt. Ja, wir haben all das gut verstanden und im Herzen und in der Seele nachfühlen können, aber man musste von den Gegebenheiten ausgehen und nun auf einer neuen Grundlage gutnachbarliche Beziehungen mit der unabhängigen Ukraine aufbauen. Die Beziehungen zur Ukraine, mit dem ukrainischen Brudervolk waren und bleiben für uns höchst wichtig – ganz ohne Übertreibung."
Dann geht Putin auf den Staatsstreich vom 22. Februar 2014 und dessen gewaltsame Folgen für die Ukraine im Allgemeinen und für die Krim im Besonderen ein. Wichtig war hier vor allem das erneute Zugehen auf die Krimtataren, denn die Ukraine hat es in den 23 Jahren ihrer Unabhängigkeit nicht geschafft, dieses Volk zu rehabilitieren und seine Lage substanziell zu verbessern. Das Programm des Präsidenten ist der Gegenentwurf zur gegenwärtigen Ukraine, wo es nur noch eine Amtssprache gibt:
"Übrigens sind von den 2.200.000 Einwohnern der Krim heute fast anderthalb Millionen Russen, 350.000 Ukrainer, die überwiegend die russische Sprache als ihre Muttersprache betrachten, sowie ungefähr 290-300.000 Krimtataren, ein bedeutender Teil derer, wie das Referendum gezeigt hat, sich ebenfalls in Richtung Russland orientiert.
Ja, es gab eine Zeit, als man den Krimtataren, wie auch anderen Völkerschaften der UdSSR gegenüber mit Härte und Ungerechtigkeit aufgetreten ist. Ich will eines sagen: Millionen von Menschen verschiedener Nationalitäten wurden Opfer der damaligen Repressionen, vor allem natürlich auch Russen. Die Krimtataren sind inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt. Ich bin der Ansicht, dass es notwendig ist, alle politischen und rechtlichen Schritte dazu zu unternehmen, die Rehabilitation der Krimtataren zu vollenden und ihren guten Namen in vollem Umfang wiederherzustellen.
Wir achten Vertreter aller Nationalitäten, die auf der Krim leben. Das ist ihr gemeinsames Haus, ihre kleine Heimat, und es wäre sicher richtig – denn ich weiß, dass die Einwohner der Krim das unterstützen – gäbe es dort nebeneinander drei gleichberechtigte Landessprachen: Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch."
Dann folgt eine juristische Analyse:
"Bei der Unabhängigkeitserklärung und der Ausrufung eines Referendums hat der Oberste Rat der Krim sich auf die UN-Charta berufen, in der davon die Rede ist, dass eine Nation über Selbstbestimmungsrecht verfügt. Übrigens hat die Ukraine selbst sich textlich fast identisch darauf berufen, als sie aus der UdSSR ausschied – das sei angemerkt. Die Ukraine nahm dieses Recht für sich in Anspruch, und den Bewohnern der Krim wird es verwehrt. Aus welchem Grund?

Außerdem stützte sich die Regierung der Krim auf den bekannten Präzedenzfall mit Kosovo, ein Präzedenzfall, den unsere westlichen Partner selbst geschaffen haben, quasi mit eigenen Händen, und zwar in einer Lage, die der in der Krim ganz analog ist; man erklärte die Trennung des Kosovo von Serbien für legitim und versuchte die Beweisführung, dass es keines Einverständnisses der Zentralmacht für solche unilateralen Unabhängigkeitserklärungen bedürfe. Der Internationale Gerichtshof der UN hat auf Grundlage von Artikel 1 Punkt 2 der UN-Charta sein Einverständnis damit erklärt und in seiner Entscheidung am 22. Juli 2010 folgendes erklärt. Ich zitiere wörtlich: „Es besteht kein allgemeines Verbot einseitiger Unabhängigkeitserklärungen, das aus der Praxis des Sicherheitsrates resultieren würde“ – und weiter: „Das allgemeine Völkerrecht beinhaltet keinerlei anwendbares Verbot von Unabhängigkeitserklärungen“. Wie man so schön sagt, alles glasklar.

Ich mag es nicht besonders, Zitate anzubringen, aber kann doch nicht davon absehen, noch einen Auszug aus einem offiziellen Dokument zu bringen, diesmal ist das ein schriftliches Memorandum der USA vom 17. April 2009, das diesem Internationalen Gerichtshof im Zusammenhang mit der Anhörung zu Kosovo vorgelegt wurde. Wieder Zitat: „Unabhängigkeitserklärungen können, wie das auch häufig passiert, das innere Recht verletzen. Aber das bedeutet nicht, dass dadurch das Völkerrecht verletzt wird“. Zitat Ende. Sie haben es selbst geschrieben, der ganzen Welt verkündet, alles zurechtgebogen, und nun regen sie sich auf. Worüber denn? Das, was die Bewohner der Krim tun, passt exakt in diese Instruktion – eine solche ist es ja faktisch. Das, was die Albaner im Kosovo (denen wir mit Achtung begegnen) dürfen, wird den Russen, Ukrainern und Krimtataren auf der Krim verwehrt. Wieder die Frage: Warum?

Von genau den gleichen – von den Vereinigten Staaten und von Europa – hören wir, dass Kosovo angeblich ein Sonderfall gewesen sei. Worin besteht denn das Besondere nach Meinung unserer Kollegen? Es stellt sich heraus, dass es darin besteht, dass es im Verlauf des Kosovokonflikts viele menschliche Opfer gegeben hat. Was ist das denn – ein juristisches Argument? In der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ist davon überhaupt keine Rede. Wissen Sie, das sind schon nicht einmal mehr doppelte Standards. Das ist ein frappierend primitiver und unverhohlener Zynismus. Es kann doch nicht sein, dass man alles so grob für seine Interessen zurechtbiegt, ein und dieselbe Sache heute „schwarz“ und morgen „weiß“ nennt. Denn soll daraus etwa folgen, dass man einen jeden Konflikt bis zu menschlichen Opfern vorantreiben muss?"
Dann geht der Präsident auf die Entwicklung der Weltordnung und die Position Rußlands in dieser ein:
"Im Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine spiegelt sich all das, was derzeit, aber auch bereits in den vergangenen Jahrzehnten in der Welt passiert. Nach dem Verschwinden der bipolaren Welt ist diese Welt nicht etwa stabiler geworden. Wichtige und internationale Institutionen erstarken nicht, im Gegenteil, häufig ist es so, dass sie an Bedeutung verlieren. Unsere westlichen Partner, allen voran die Vereinigten Staaten, ziehen es vor, in ihrer praktischen Politik nicht vom Völkerrecht, sondern vom Recht des Stärkeren Gebrauch zu machen. Sie glauben an ihre Erwähltheit und Exklusivität, daran, dass sie die Geschicke der Welt lenken dürfen und daran, dass immer nur sie allein Recht haben können. Sie handeln so, wie es ihnen einfällt: mal hier, mal da wenden sie Gewalt gegen souveräne Staaten an, bilden Koalitionen nach dem Prinzip „wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“. Um ihren Aggressionen das Mäntelchen der Rechtmäßigkeit zu verleihen, erwirken sie entsprechende Resolutionen bei internationalen Organisationen, und wenn das aus irgendeinem Grunde nicht gelingt, dann ignorieren sie sowohl den UN-Sicherheitsrat, als auch die UNO als Ganzes. [...]

Es gab auch eine ganze Serie an gesteuerten „farbigen“ Revolutionen. Es ist klar, dass die Menschen in den Ländern, in denen sie passierten, müde waren von der Tyrannei, von der Armut, von der Perspektivlosigkeit, doch diese Gefühle wurden zynisch ausgenutzt. Diesen Ländern wurden Standards aufgezwungen, die in keinerlei Weise den Lebensweisen, den Traditionen oder der Kultur dieser Völker entsprachen. Im Endeffekt herrscht anstelle von Demokratie und Freiheit das Chaos, Gewalt und eine Abfolge an Staatsstreichen. Der „Arabische Frühling“ wurde zum „Arabischen Winter“.
Ein ähnliches Szenario kam in der Ukraine zur Anwendung. Im Jahr 2004 erfand man eine von der Verfassung nicht vorgesehene dritte Runde bei den Präsidentschaftswahlen, um den genehmen Kandidaten damit durchzubringen. Das ist ein Absurdum und ein Hohn gegenüber der Verfassung. Jetzt wurde eine vorab ausgebildete, gut ausgerüstete Armee aus bewaffneten Radikalen in das Szenario eingebracht.

Wir verstehen sehr gut, was hier abläuft, wir wissen, dass diese Aktionen sowohl gegen die Ukraine, als auch gegen Russland gerichtet waren, ebenso auch gegen eine Integration im eurasischen Raum. Und das während einer Zeit, in der Russland aufrichtig um Dialog mit unseren Kollegen im Westen bemüht war. Wir schlagen ständig Kooperation in Schlüsselfragen vor, wir wollen das gegenseitige Vertrauen fördern, wir wünschen, dass unsere Beziehungen auf Augenhöhe stattfinden, dass sie offen und ehrlich seien. Aber wir sehen keinerlei Entgegenkommen.
Im Gegenteil, wir wurden Mal ums Mal betrogen, es wurden Entscheidungen hinter unserem Rücken getroffen, man stellte uns vor vollendete Tatsachen. So war es mit der NATO-Osterweiterung, mit der Installation von militärischer Infrastruktur an unseren Grenzen. Uns wurde immer ein und dasselbe erzählt: „Na, das hat nichts mit euch zu tun.“ Es ist leicht gesagt, es habe nichts mit uns zu tun.
So war es auch mit der Entfaltung der Raketenabwehrsysteme. Ungeachtet all unserer Befürchtungen bewegt sich die Maschinerie vorwärts. So war es auch mit dem endlosen In-die-Länge-Ziehen der Verhandlungen zu Fragen der Visafreiheit, mit den Versprechen eines ehrlichen Wettbewerbs und eines freien Zugangs zu den globalen Märkten. [...]

Kurz, wir haben allen Grund zu der Annahme, dass die sprichwörtliche Eindämmungspolitik gegen Russland, die sowohl im 18., im 19. und im 20. Jahrhundert betrieben wurde, auch heute noch fortgeführt wird. Man versucht ständig, uns in irgendeine Ecke zu drängen, und zwar dafür, dass wir eine unabhängige Position vertreten, dafür, dass wir diese verteidigen, und dafür, dass wir die Dinge beim Namen nennen und nicht heucheln. Im Falle der Ukraine haben unsere westlichen Partner eine Grenze überschritten, handelten grob, verantwortungslos und unprofessionell.
Sie waren doch ausgezeichnet im Bilde darüber, dass sowohl in der Ukraine, als auch auf der Krim Millionen russischer Menschen leben. Wie sehr muss man denn politisches Feingefühl und Augenmaß eingebüßt haben, um die Folgen seiner Handlungen nicht vorauszusehen? Russland ist an eine Grenze gelangt, hinter die es nicht mehr zurück konnte. Wenn man eine Feder bis zum Anschlag zusammendrückt, wird sie sich irgendwann einmal mit Gewalt ausspannen. Dessen sollte man immer gewahr sein.

Heute ist es notwendig, die Hysterie abzustellen, die Rhetorik aus Zeiten des Kalten Kriegs zu beenden und eine offensichtliche Sache anzuerkennen: Russland ist ein selbständiger, aktiver Faktor der internationalen Gemeinschaft, es hat, wie andere Länder auch, nationale Interessen, die man berücksichtigen und achten muss."
Dann geht es um die Rolle der NATO:
"Ich möchte ebenso daran erinnern, dass es in Kiew bereits schon Erklärungen über einen Beitritt der Ukraine zur NATO gegeben hat. Was würde diese Perspektive für die Krim und Sewastopol bedeuten? Es würde bedeuten, das in einer Stadt der russischen militärischen Ehre die NATO-Flagge weht, dass es eine Bedrohung für den gesamten Süden Russlands gäbe – keine vorübergehende, sondern eine ganz konkrete. Alles, was hätte passieren können, ist eben das, was hätte passieren können, gäbe es die Wahl der Bewohner der Krim nicht. Dafür sei ihnen großer Dank.
Übrigens sind wir nicht gegen eine Zusammenarbeit mit der NATO, ganz und gar nicht. Wir sind dagegen, dass eine Militärallianz – und die NATO ist und bleibt bei allen internen Prozessen immer noch eine Militärallianz – vor unserem Zaun, an unserem Haus und auf unseren historischen Territorien das Sagen hätte. Wisst ihr, ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass wir nach Sewastopol zu Besuch bei NATO-Seeleuten fahren. Sie sind übrigens überwiegend ganz wunderbare Jungs, aber sollen sie lieber nach Sewastopol zu uns zu Besuch kommen, als wir zu ihnen."
Und auch die geplanten Gegenschläge des Westens werden bedacht:
"Wir werden es mit Sicherheit auch mit äußeren Gegenmanövern zu tun bekommen, doch wir müssen für uns selbst entscheiden, ob wir dazu bereit sind, unsere nationalen Interessen konsequent zu verteidigen, oder ob wir sie mehr und mehr aufgeben und uns wer weiß wohin zurückziehen. Manche westliche Politiker schrecken uns bereits nicht nur mit Sanktionen, sondern auch mit der Perspektive einer Verschärfung der inneren Probleme. Es wäre interessant zu erfahren, was sie damit meinen: Aktivitäten einer gewissen „Fünften Kolonne“ – also verschiedener „Vaterlandsverräter“ – oder rechnen sie damit, dass sie die soziale und wirtschaftliche Lage Russlands verschlechtern können und damit eine Unzufriedenheit der Menschen hervorrufen? Wir betrachten solche Verlautbarungen als unverantwortlich und offen aggressiv, und werden entsprechend darauf reagieren. Dabei werden wir selbst niemals nach einer Konfrontation mit unseren Partnern – weder in Ost, noch in West – streben; ganz im Gegenteil, wir werden alles Notwendige unternehmen, um zivilisierte, gutnachbarliche Beziehungen aufzubauen, so, wie es sich in der heutigen Welt gehört."
Die Zeit der Demütigung und des Rückzugs ist für Rußland vorbei. Nationale (Sicherheits-)Interessen werden nicht nur formuliert, sondern auch verteidigt. Eine Unterwerfung unter einseitig vom Westen gemachte Regeln wird es nicht mehr geben. Zusammenarbeit sehr gerne, aber keine Subordination.

Dagegen helfen weder Schnappatmung noch Sanktionen, denn Volk und Regierung sind sich, wie alle Meinungsumfragen belegen, einig und die realen Fähigkeiten der RF sind weitaus besser als es sich der Westen jahrzehntelang eingeredet hat. Mit Staunen blicken z.B. US-Offiziere auf die Handlungen des rußländischen Militärs und der örtlichen Selbstverteidigungskräfte auf der Krim. Diese Schnelligkeit, Präzision, Geheimhaltung und Professionalität, verbunden mit praktisch keinen Verlusten, hätten sie nicht erwartet. Das steht schon in krassem Gegensatz zur Blutspur der NATO.


Das Budapester Memorandum

Der Rußländischen Föderation ist vorgeworfen worden, sie hätte durch die Aufnahme der Republik Krim in ihren Staatsverband das sog. Budapester Memorandum aus dem Jahre 1994 verletzt. Allerdings ist dieses Memorandum kein völkerrechtlicher Vertrag und von keinem der Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden, nicht einmal von der Ukraine selbst. Folglich ist es rechtlich nicht bindend - genau so unverbindlich, wie die 1990 gemachten Zusagen der NATO-Staaten, das Militärbündnis nicht nach Osten erweitern zu wollen.

Ein solches unverbindliches Dokument ist zudem nicht fähig, das in mehreren völkerrechtlichen Verträgen wie der UN-Charta und dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auszuhebeln. Das würde auch gelten, falls das Memorandum tatsächlich ein Vertrag wäre. Einige Beispiele: Im Jahre 1975 wurde die Schlußakte von Helsinki u.a. von der DDR, der Tschechoslowakei und Jugoslawien unterzeichnet. Keines dieser ehemaligen Völkerrechtssubjekte existiert heute noch, obwohl sie zahlreiche internationale Verträge geschlossen hatten. Die Geschichte ist über diese Staaten hinweggegangen.

Ferner sollten sich jene Staaten, die einen angeblichen Völkerrechtsverstoß durch Rußland behaupten, an die eigene Nase fassen. Denn sie selbst haben das Memorandum verletzt, indem sie einen Staatsstreich initiierten, was eine Verletzung der Souveränität der Ukraine war.

(Des weiteren ist es absurd, wenn in diesem Kontext behauptet wird, die Ukraine habe 1994 auf ihre Atomwaffen verzichtet. Das Land hatte zu keinem Zeitpunkt eigene Atomwaffen. Nach der Auflösung der UdSSR unterstanden alle strategischen Streitkräfte der RF. Es waren also lediglich rußländische Atomwaffen zeitweise auf ukrainischem Staatsgebiet stationiert. Eine andere Lösung hätten die USA und ihre "Partner" seinerzeit auch gar nicht zugelassen.)

Diplomatieunfähigkeit

Gäbe es in der EU heute einen Bismarck, dann wäre die Ukraine-Krise schon einer Lösung, vergleichbar etwa dem Berliner Kongreß von 1878, zugeführt worden. Stattdessen gebärden sich USA und EU kompromißlos und bestehen weiterhin auf ihrer Vormachtstellung, der sich Rußland und die Einwohner der Südostukraine zu fügen hätten. Sie sehen die Ukraine als Beute an, die sie sich von Rußland nicht wegnehmen lassen wollen. In der deutschen Presse war im Zusammenhang mit den verhängten Sanktionen wörtlich davon die Rede, die RF müsse "bestraft" werden. D.h. Kanzlerin Merkel wird nicht nur als Regierungschefin der BRD, sondern als oberste Richterin Europas gesehen, deren Verdikt sich alle unterordnen müssen. Diese irreale Wahrnehmung gibt es auch in den USA. Was gut für Amerika ist, ist gut für die Welt.

Die daraus folgende Selbstüberschätzung führt freilich zu einer strukturellen Dilomatieunfähigkeit des Westens. Denn er kann nicht verhandeln, sondern nur diktieren; in anderen Staaten sieht er weniger Verhandlungspartner als vielmehr Befehlsempfänger, deren Wohl und Wehe allein von seiner Gnade abhängt. Dieser Ansatz ist heute endgültig gescheitert. Doch es fällt den politischen Eliten in der EU und Nordamerika sehr schwer, dies einzusehen. Vielfach dominieren auch heute noch überlebte Vorstellungen einer hierarchischen, unipolaren Weltordnung. Doch je mehr sich die Welt weiterentwickelt und je wichtiger Asien und Lateinamerika werden, desto stärker wird der Westen weiter an Bedeutung verlieren. Von einer westlichen Dominanz kann schon heute keine Rede mehr sein. Die multipolare Welt ist kein Wunschtraum, sondern Realität. Es wird Zeit, daß sich unsere Außenministerien daran gewöhnen.

(Die Diplomatieunfähigkeit ist im Syrienkonflikt ebenfalls deutlich zu Tage getreten. Während das Moskauer Außenministerium unermüdlich sowohl mit der Regierung in Damaskus als auch mit Vertretern der verschiedenen Oppositionsgruppen verhandelt hat, war aus dem Westen immer nur die Forderung "Assad muß weg" zu hören. Daß man damit angesichts des Rückhaltes, den Assad nach wie vor in seinem Land genießt, keinen Erfolg haben konnte, ist mittlerweile offenkundig. Zudem hat sich der Westen nun ein neues Islamistenproblem geschaffen, welches auf ihn selbst zurückfallen wird.)

Zudem hat die EU, wie die letzten Wochen gezeigt haben, nunmehr fast jegliche Eigenständigkeit auf der internationalen Bühne aufgegeben und ist zu einem Anhängsel der USA geworden. Washington wird sich darüber freuen, viele Europäer hingegen nicht.

Die Krim zwischen der Ukraine und Rußland. Merkel spricht:
"Verfluchte Barbaren! In der zivilisierten Welt entscheidet der
schwarze Herrscher darüber, wer mit wem zusammenlebt."

Neuer Gaskonflikt

Unterdesssen ist das Kiewer Regime erneut auf Konfrontationskurs gegangen. Ein Rada-Abgeordneter hatte letzte Woche stolz verkündet, er brauche die russische Sprache nur, um Gefangene zu vernehmen. Doch am letzten Freitag weilte eine Delegation des ukrainischen Gasversorgers Naftogas in Moskau und die Unterredungen wurden selbstverständlich in russischer Sprache geführt. Naftogas hat nicht nur mitgeteilt, daß die geschuldeten Zahlungen für bereits erbrachte Gaslieferungen in Höhe von aktuell 2 Milliarden US-Dollar nicht geleistet werden können. Nein, man wollte darüber hinaus von Rußland einen weiteren Kredit über 2 bis 3 Milliarden USD erhalten - Rückzahlung völlig ungewiß.

Dann hat Jazenjuk stolz verkündet, daß er kein Erdgas mehr aus der RF beziehen wolle, weil der neue Preis zu hoch sei. Außerdem sollen vorerst keine Gasschulden beglichen werden. Stattdessen soll die EU, insbesondere die Slowakei, einspringen. Nach dem Willen Kiews soll rußländisches Erdgas, welches die Slowakei bezieht, in die Ukraine zurückgeleitet werden.

Das stößt zum einen auf technische Schwierigkeiten, denn es ist fraglich, inwieweit dafür die Pipelines, die für den Gastransport nach Westen gedacht sind, genutzt werden können. Deswegen hat gestern die slowakische Regierung die Junta in Kiew schon der Lüge bezichtigt. Die Sloawkei sei mitnichten bereit, sofort Erdgas zur Verfügung zu stellen. Man könne dies zwar tun und beginne schon mit einigen Vorbereitungen, doch müsse zunächst geklärt werden, wer die technischen Maßnahmen finanziert. Ferner möge Kiew darlegen, wie es denn für das aus der Slowakei bezogene Gas bezahlen wolle, Geschenke gebe es nicht. Und drittens dürfte das gesamte Rückleitungskonstrukt an Rechtsproblemen scheitern, denn in den Verträgen zwischen Gasprom und seinen Geschäftspartnern in der EU ist ein Weiterverkauf des aus Rußland bezogenen Erdgases ausgeschlossen.

Nun beklagen sich die Putschisten darüber, daß der seit dem 1. April geltende Preis von Gasprom zu viel hoch sei, deutlich höher als die für die EU-Staaten geltenden Preise. Insofern dürfen drei wichtige ASpekte nicht vergessen werden. Erstens ergibt sich die Berechnung des Preises aus dem 2009 geschlossenen Vertrag, an dessen Aushandlung u.a. Julia Timoschenko beteiligt war. Zweitens haben Energieversorgungsunternehmen aus der EU selbst Geld in Rußland investiert, es existieren zahlreiche gemeinsame Projekte wie etwa die North-Stream-Pipeline durch die Ostsee. Und drittens bezahlen die Abnehmer in der EU regelmäßig ihre Rechnungen, ohne öffentlich angemahnt werden zu müssen. Das ist wie auf dem Kreditmarkt: Je höher das Ausfallrisiko, desto höher der Preis (bzw. die Zinsen), damit überhaupt ein bißchen Geld in die Kasse kommt, sofern der Kunde ausnahmsweise einmal liquide ist.

Und weil das neue Regime in Kiew seinen eigenen Verlautbarungen zufolge keinen Wert auf ein gutes Verhältnis zu Rußland legt, hat Moskau auch keinen Grund mehr, aufgrund brüderlicher Gefühle das von der Ukraine verbrauchte Erdgas zu subventionieren. Dies um so mehr, als 50 % der Aktien von Gasprom nicht dem Staat, sondern privaten Aktionären gehören, darunter auch ausländische Teilhaber. Diese Privatpersonen können weder von den USA noch von der EU dazu verpflichtet werden, die ukrainische Wirtschaft zu fördern.

Zudem darf nicht vergessen werden, daß Rußland durch seine Kredite in den vergangenen Monaten die Ukraine vor dem totalen finanziellen Kollaps bewahrt hat, was auch von der IWF-Chefin Lagarde ausdrücklich gewürdigt wurde. (Soviel zum Märchen, die bösen Russen wollten die armen Ukrainer versklaven.) Währenddessen haben die westlichen Regierungen, die den Staatsstreich aktiv gefördert haben, ihren Vasallen in Kiew bis jetzt noch keine nennenswerte Finanzhilfe zur Verfügung gestellt. Das ist ein weiteres Paradoxon der gegenwärtigen Lage!

Gleichwohl hat Präsident Putin am Freitag betont, daß Gasprom der Ukraine nicht das Gas "abdrehen" werde. Trotzdem müßten sich nun die EU-Mitgliedsstaaten bewegen und rasch mit Rußland und anderen Staaten zu einer Konferenz zusammentreten, damit die Ukraine vor dem vollständigen ökonomischen Chaos bewahrt werde. Trotzdem wird die Ukraine ab sofort nur noch soviel Erdgas erhalten, wie sie tatsächlich bezahlt hat, sprich: Lieferung per Vorkasse. Auch das ist eine durchaus marktübliche Praxis.

(Mehr zum Thema Erdgas hier und hier.)


Vorschläge Rußlands und die aktuelle Situation

Die rußländische Regierung hat zur Lösung der Ukraine-Krise folgende Vorschläge unterbreitet:

1. Durchführung von Volksabstimmungen in allen Regionen des Landes über den zukünftigen Status der jeweiligen Region. D.h. Regionen, die sich vom ukrainischen Gesamtstaat lösen wollen, können das auf geordnete und zivilisierte Weise tun. Oder, wenn sie in der Ukraine verbleiben wollen, können die Bürger für einen Übergang des Landes zu einer föderalen Staatsordnung votieren.

2. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, welche dazu führen soll, daß die strukturellen innenpolitischen Probleme, Blockaden, Schlägereien im Parlament usw., die es während der letzten 23 Jahre ständig gab, aufhören. Danach soll die neue Verfassung ebenfalls in einem Referendum bestätigt werden.

3. Die neue Verfassung sollte folgendes beinhalten: Festschreibung der Rechte der nichtukrainischen Bevölkerungsteile (insbesondere staatlicher Status der russischen Sprache); sehr weitgehende Föderalisierung des Landes, damit die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nach ihren eigenen Vorstellungen leben können und keine die andere dominiert oder gar unterdrückt; wie bisher, so soll auch zukünftig die Blockfreiheit der Ukraine verfassungsrechtlich abgesichert sein (also kein Beitritt zur NATO).

4. Nach Verabschiedung der neuen Verfassung Neuwahlen für alle Staatsorgane, damit diese wieder eine zweifelsfreie demokratische Legitimation erhalten. Eine isolierte Neuwahl des nach der Verfassung von 2004 (die jetzt angeblich wieder gelten soll) weitgehend machtlosen Präsidenten am 25. Mai sei hingegen sinnlos.

Das sind angesichts der derzeitigen Lage in der Ukraine sehr vernünftige Ansätze. Bemerkenswert ist, daß der angebliche "Unrechtsstaat" Rußland auf der Durchführung von Volksabstimmungen besteht, während die sog. "Demokratien" des "freien Westens" solche Abstimmungen nicht zulassen wollen, sondern darauf beharren, daß der von ihnen initiierte Putsch legal und legitim sei.

Leider haben Vertreter der Putschisten diese Vorschläge schon weitgehend zurückgewiesen. Aber immerhin deutet sich jetzt das langsame Aufkeimen einer gewissen Verhandlungsbereitschaft an, denn nächste Woche soll in der Schweiz eine erste Konferenz mit der Teilnahme des Kiewer Regimes, der USA, der EU und Rußlands beginnen. Moskau besteht zudem darauf, daß auch Vertreter der Südostukraine an den Verhandlungen teilnehmen, denn die Junta repräsentiere nur die Bürger der West- und Zentralukraine. Man wird sehen, wie dieses Spiel in den nächsten Tagen weitergehen wird.

Die aktuellen Ereignisse in Donezk und Lugansk haben heute dazu geführt, daß "Premierminister" Jazenjuk überraschend nach Donezk gereist ist. Dort hat er sich zwar mit einigen Politikern und Oligarchen aus der Region getroffen, doch Vertreter der Aufständischen waren nicht darunter. Jazenjuk selbst hat dort zwar auch Russisch gesprochen und diverse Versprechungen gemacht (ein landesweites Referendum war nicht darunter), doch ist der Mann bekannt dafür, daß sich seine Meinung sehr schnell ändern kann. (Das hat er mit Steinmeier gemein.) Die Bürger der Südostukraine sind jedenfalls skeptisch und in den beiden Städten denkt niemand ans Aufgeben, solange keine substanziellen Zusagen auf dem Tisch liegen.

Auch heute war in der Obersten Rada wieder die Rede von "Erschießungen" und anderen Gewaltakten gegen die Einwohner von Donezk und Lugansk. Die Anhänger der "europäischen Integration" leiden offenbar unter besonderen Gewaltphantasien. Allerdings rennt ihnen die Zeit davon. Gestern hat die Spezialeinheit "Alfa" des SBU sich geweigert, die besetzten Verwaltungsgebäude zu stürmen. Zwanzig Prozent der Polizeibeamten in Donezk haben bereits den Dienst quittiert, ein Teil ist zu den Aufständischen übergegangen. Der Junta fehlt es zunehmend an qualifiziertem Personal zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen. In der Armee sieht es noch schlechter aus. Schlecht ausgerüstet, schlecht versorgt und mit einem Kampfgeist, der in vielen Einheiten gegen Null geht. Kaum ein Soldat ist bereit, gegen seine Mitbürger vorzugehen oder gegen Rußland Krieg zu führen, aller Propaganda der westukrainischen Nationalisten zum Trotz.

Realistischerweise haben die Putschisten im Prinzip nur noch zwei Optionen: Entweder stimmen sie den von den Bürgern der Südostukraine sowie Rußland erhobenen Forderungen zu. Dann kann die Krise einigermaßen friedlich gelöst werden, auch wenn sich einige Regionen in den Referenden für ein Ausscheiden aus dem ukrainischen Staat aussprechen sollten. Oder aber sie verbauen sich diesen Weg und schlagen den Aufstand gewaltsam nieder. Doch einem Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung der Südostukraine, wie ihn manche Vertreter der Putschisten offen fordern, wird die RF nicht tatenlos zusehen. Mithin käme es dann zum Einmarsch rußländischer Truppen.

Egal für welche Option sie sich entscheiden, die Junta hat durch ihre eigene Politik und gestützt auf ihre ausländischen Sponsoren, den ukrainischen Staat in seiner bisherigen Form und Gestalt zerstört. Und zwar endgültig. Daran können auch die Verrenkungen westlicher Politiker nichts mehr ändern.

Obama bei seinem Psychologen. Er phantasiert: "Russische Panzer auf der Krim!
Russische Panzer auf der Krim!" Sein Arzt sagt: "Was für reichhaltige Halluzinationen!
Irak, Libyen und Afghanistan haben ihn nicht krank gemacht."

Innere Probleme der Putschisten

Man könnte vielleicht meinen, die Lage in der West- und Zentralukraine, wo sich die politische Basis der Usurpatoren befindet, wäre ruhiger. Doch dem ist nicht so. z.B. wurde diese Woche in Lwow das Gebäude der Staatsanwaltschaft von Demonstranten gestürmt.

In Kiew gab es dieser Tage erneut Demonstrationen, diesmal gegen die Finanz- und Sozialpolitik der "Regierung". Um die Sparvorgaben des IWF zu erfüllen, wurden nicht nur Renten, Stipendien für Studenten und andere Leistungen gekürzt, sondern es wird auch massiv Personal im öffentlichen Dienst abgebaut. Allein im Geschäftsbereich des Innenministeriums 80.000 Stellen, in den sozialen Diensten müssen 18.000 Mitarbeiter ihren Hut nehmen usw. usf. D.h. daß in den nächsten Wochen hunderttausende Bürger der Ukraine ohne Beschäftigung und damit ohne Geld dastehen werden. Auch die Industrie hat Probleme, z.T. aufgrund der selbstverordneten Embargopolitik gegenüber Rußland. Die Griwna hat in den letzten Tagen gegenüber anderen Währungen massiv an Wert verloren, es wird eine Hyperinflation erwartet. Damit dürfte der Bankrott des Landes in nicht allzu ferner Zukunft eintreten.

Zugleich sind in Kiew und anderen Städten immer noch "Aktivisten" des "Euromaidan" versammelt, leben in ihren Zeltlagern und führen paramilitärische Übungen durch. Zugleich schimpfen sie offen darüber, daß sie kein Geld mehr bekommen, weil die neuen Machthaber sie nur benutzt haben, um sich selbst in Amt und Würden zu bringen. Jetzt fühlen sich die Maidan-Kämpfer fallengelassen, weil man ihrer nicht mehr bedarf. Die Oligarchen wollen auch sie nicht an der Macht sehen.

Man kombiniere diese beiden Faktoren und stelle sich vor, was in Kiew in einigen Wochen geschehen könnte. Nämlich neue, diesmal echte soziale Unruhen, getragen von verarmten Bürgern, Rentnern, Studenten und erfahrenen Maidan-Kämpfern, die dann wieder ein Ziel haben. Auch insofern befinden sich die Putschisten also in einer gewissen Zeitnot. Es könnte möglicherweise sogar zu einem Szenario kommen, was aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich erscheint: Bürger aus der West- und Zentralukraine sowie aus der Südostukraine schließen sich zusammen, um das derzeitige Regime zu verjagen und teilen danach ihren Staat auf.

Jedenfalls dürfte sich der Einfluß der Vaterlandspartei und Timoschenko und Jazenjuk demnächst stark verringern. In den Umfragen für die Präsidentenwahl liegt der Oligarch Poroschenko von der Partei Udar (Klitschko) deutlich vor der Oligarchin Timoschenko. Der drohende Einflußverlust könnte die Timoschenko-Fraktion zu drastischen Maßnahmen verleiten, um länger an der Macht zu bleiben. Eine solche Maßnahme könnte die Anzettelung eines internationalen Konflikts sein, zumal sich diese Partei der besonderen Förderung der USA erfreut.


Neuer Konfliktherd Transnistrien und Auswirkungen auf die GUS

Abschließend soll noch ein Blick in die Weiten Eurasiens geworfen werden. Aktuell hat sich ein neuer Konfliktherd in Transnistrien aufgetan. Das Gebiet hatte sich Anfang der 1990er Jahre von Moldawien abgespalten und lebte seither de facto selbständig, war jedoch von keinem anderen Staat anerkannt worden (siehe auch hier). Doch jetzt haben die ukrainischen Putschisten und Moldawien de facto eine Blockade über Transnistrien verhängt. Die Grenze zur Ukraine ist geschlossen. Das steigert natürlich die Spannungen und die Regierung Transnistriens hat deshalb schon mit dem Gedanken gespielt, ebenfalls der Rußländischen Föderation beitreten zu wollen. Auch andere Regionen Moldawiens sind vom Pro-EU-Kurs ihrer Regierung nicht begeistert und würden lieber der Zollunion beitreten.

Hier dürfte sich in den nächsten Monaten noch weiterer Konfliktstoff ergeben. Ein neuer Berliner Kongreß wäre möglicherweise dazu fähig, auch diesen bisher "eingefrorenen" Konflikt einer endgültigen Lösung, welche die Zustimmung der betroffenen Bürger findet, zuzuführen. Doch dafür fehlt den heutigen deutschen Diplomaten leider das Format.

Die Auswirkungen des "Euromaidans" auf die übrigen GUS-Staaten könnten ganz anders sein, als von Brüssel und Washington erhofft. So etwa in Aserbaidshan. Dort verhandelt man zwar noch mit der EU über ein Assoziierungsabkommen. Zudem befindet sich die Erdöl- und Erdgasförderung fest in westlicher Hand. Dennoch sind die ökonomischen Beziehungen an Rußland nach wie vor eng, nicht zuletzt durch den Export von Arbeitskräften. Spätestens seit dem Libyen-Krieg sollte man sich jedoch auch in Baku vor den angriffslustigen Westlern fürchten. Zwar hatte Ghaddafi den Wahlkampf des französischen Präsidenten Sarkozy finanziert, doch hat ihn das nicht vor dem Angriff der NATO bewahrt.

Ergo könnte sich Aserbaidshan stärker als bisher in Richtung Moskau orientieren. Denn die oben auszugsweise zitierte Rede Wladimir Putins vom 18. März enthielt eine verklausulierte Sicherheitsgarantie für die GUS-Staaten: Rußland wird, sofern von den Einheimischen gewünscht, nicht einfach zusehen, wie ihnen von außen mit Gewalt Standards aufgezwungen werden, die nicht ihrer Lebensweise, Kultur und Tradition entsprechen. Das dürfte das Ende der "farbigen Revolutionen" bedeuten.

Dies könnte für Georgien ebenfalls ein Grund sein, sich künftig wieder etwas stärker an die RF anzulehnen. Zwar scheint der politische Konsens in Georgien, unabhängig von den jeweils an der Macht befindlichen Parteien, recht eindeutig auf eine Integration in EU und NATO hinzudeuten. Doch ist die innenpolitische Lage im Augenblick ähnlich der Ukraine 2010: Im vergangenen Jahr ist Michail Saakaschwili von seinem Volk abgewählt worden. Kurz danach tauchte er in Kiew auf, um bei einer neuen Revolution mitzuwirken. Nach Auskunft georgischer Militärkreise waren vier Scharfschützen aus Georgien, die früher zu Saakaschwilis Leibwächtern gehört hatten, in Kiew am Massaker des 20. Februar beteiligt.

Zudem ist Saakaschwili ein eindeutiger Agent der USA, die sich mit seiner Abwahl wohl nicht abfinden können. Der Ex-Präsident ist in ein Ermittlungsverfahren involviert, in dem es um die Tötung eines Politikers während seiner Amtszeit geht. Er weigert sich jedoch, nach Tiflis zu reisen, um dort mit den Ermittlern zu sprechen. Zudem wurden in der georgischen Hauptstadt bereits Emissäre aus der Ukraine festgestellt. Deshalb geht man in Tiflis davon aus, daß dort in den nächsten Monaten nach den Kommunalwahlen der nächste "Maidan" angezettelt werden könnte, der das Ziel verfolgt, Saakaschwili wieder an die Macht zu bringen. Sicher kein beruhigendes Szenario für die gewählte Regierung.

Ansonsten steht die Republik Belarus ganz oben auf der Abschußliste des Westens. Doch erscheint das Land, anders als die Ukraine, zu gefestigt, als daß es einem ähnlichen Angriff erliegen würde. Die Phantasie mancher westlicher Politiker, einen Maidan auf dem Roten Platz in Moskau anzuzetteln, ist ähnlich absurd. Zwar plant die marginale, aus dem Ausland unterstützte "außersystemische Opposition" schon wieder große Auftritte. Doch ihr Ansehen in der Bevölkerung geht mittlerweile gegen Null. Nawalnyj, auf den noch vor einigen Monaten viele ausländische Beobachter große Hoffnungen gesetzt hatten, ist nach seiner Mitwirkung bei der Ausarbeitung der US-Sanktionen gegen die RF politisch tot.

Resümee

So haben sich der "Euromaidan", die Unruhen und der Putsch in Kiew bereits jetzt zum Eigentor für die auswärtigen Sponsoren in den USA und der EU entwickelt. Die erhoffte Beute in Form der Ukraine werden sie nicht einfahren können. Entsprechend groß ist der Katzenjammer etwa in Polen, das schon angekündigt hat, eine dritte ukrainische Revolution nach 2004 und 2014 nicht unterstützen zu wollen. Und die Ausweitung der "Revolutionen" auf andere GUS-Staaten wird wohl nahezu zwangsläufig dazu führen, daß sich diese wieder enger an Rußland anschließen - also genau das tun, was durch die ganzen Manöver eigentlich verhindert werden sollte. In Gestalt der Zollunion, der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und der OVKS stehen geeignete Instrumente für diesen Prozeß zur Verfügung.

Die einzigen, die von dem stärkeren Chaos in Eurasien profitieren könnten, sind die Vereinigten Staaten von Amerika. im Sinne ihrer Strategie von der "Verwaltung des Chaos" könnten sie sowohl Rußland als auch die EU gewissermaßen in Schach halten und damit ihren eigenen Abstieg hinauszögern. Fragt sich nur, ob die EU und ihre Bürger die ihnen in Washington zugedachte Rolle spielen wollen.


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