Freitag, 7. März 2014

Die Krim ist sicher, jetzt geht es um die Ostukraine

"Blutrünstige russische Okkupanten" auf der Krim.

Diese Woche war in und um die Ukraine wiederum sehr turbulent. Doch beginnen wir mit einem weiter zurückliegenden Ereignis. Am 20. Februar hatten in Kiew unbekannte Scharfschützen sowohl auf die Polizei als auch auf Demonstranten geschossen. Dabei sollen etwa 80 Personen ums Leben gekommen sein. Sofort haben die ukrainischen und westlichen Medien die Schuld auf die Regierung Janukowitsch geschoben. Mittlerweile hat die EU sogar Sanktionen gegen einzelne Personen verhängt.

Deshalb schlug gestern der gestern veröffentlichte Mitschnitt eines Telefonates zwischen dem estnischen Außenminister und der EU-Außenbeauftragten Ashton (hier auf Deutsch) ein wie eine Bombe: Die Heckenschützen stammen höchstwahrscheinlich aus den Reihen der damaligen Opposition (also des Maidan), die heute in Kiew die "Regierung" stellt. Deshalb hat sich die ehemalige Chefärztin des Maidan-Feldlazaretts auch geweigert, in der neuen Regierung den Posten der Gesundheitsministerin zu übernehmen.

Diese These deckt sich übrigens mit ersten Untersuchungen Kiewer Journalisten, wonach ein Teil der Schüsse aus dem Hotel "Ukraina" kam, welches zu diesem Zeitpunkt von den Maidan-Kämpfern besetzt war. Und zufälligerweise haben andere Maidan-Kämpfer im fraglichen Zeitraum im PKW eines Abgeordeneten der Partei vom Jazenjuk und Timoschenko ein Scharfschützengewehr entdeckt und davon gleich ein Video gedreht. Unter den "Aktivisten" in Kiew ist nun das Mißtrauen groß; gestern hat eine Hundertschaft von Maidan-Kämpfern einen Friedhof mitsamt Krematorium besetzt, um die Einäscherung von getöteten Kameraden und damit die Vernichtung von Beweisen zu verhindern.


Marodieren und Gesetzlosigkeit greifen um sich

Während die deutschen Medien so tun, als sei in den Teilen der Ukraine, in denen die Putschisten mehr oder weniger die Macht ausüben, alles in bester Ordnung, als ginge alles einen Weg hin zu "Demokratie" und "Reformen", ist das Gegenteil der Fall. So ist z.B. in diesemVideo zu sehen, wie Terroristen des Rechten Sektors Hotelgäste in Kiew belästigen. Und hier kann man sich anschauen, wie Banditen eine Dienststelle der Strafvollzugsbehörde unter Kontrolle bringen. Den Fußballverband haben sie ebenfalls besetzt.

Doch den Vogel schießt erneut Saschko Belyj alias Alexander Musytschko, Koordinator des Rechten Sektors in Rowno und bekannter Straftäter, ab: Im obigen Video ist zu sehen, wie er einen Staatsanwalt in dessen Büro heimsucht und schlägt. Und im unteren Video droht er dem sog. "Innenminister" der "neuen ukrainischen Regierung" in Kiew an, ihn umzubringen. Und selbiger "Innenminister" hat nicht die Macht, diesen Verbrecher festzunehmen! Diese Vorfälle zeigen eindeutig, wer im Augenblick in der Ukraine das Sagen hat. Die sog. "Regierung", die in den deutschen Medien gefeiert wird, ist es jedenfalls nicht.


Auch viele andere halbseidene Gestalten nutzen die allgemeine Verunsicherung. So beschlagnahmt z.B. in der Stadt Lubny ein selbsternannter "Volksrat" private Automobile. Hinzu kommen zahlreiche Fälle von Schutzgelderpressung, in die auch Musytschko verwickelt ist. In den "demokratisierten" Gebieten herrschen Angst und Schrecken. Nicht einmal die Reste der Verkehrspolizei, die noch vorhanden sind, können sich schützen. Dieser Tage wurden bei Kiew drei Polizisten im Dienst erschossen, obwohl sie sich dem neuen Regime zur Verfügung gestellt hatten. Es gibt Berichte, wonach in der West- und Zentralukraine täglich hunderte Gewaltverbrechen verübt werden. Das nimmt nicht wunder, wenn man bedenkt, daß den Aufständischen zehntausende Schußwaffen und sogar Panzerfahrzeuge in die Hände gefallen sind, wie das folgende Video zeigt:


Jetzt noch ein weiteres Video, das die Machtverhältnisse in der frisch demokratisierten Ukraine darstellt. Kämpfer des Rechten Sektors sind in den Stadtrat von Wassilkow in der Nähe von Kiew eingedrungen und bedrohen die Abgeordneten. Das soll also die schöne neue Demokratie sein:



Die sogenannte Regierung

Die Handlungen der sog. "neuen Regierung" von Kiew sind nur für das Ausland von Interesse, im Inland nimmt sie niemand ernst. Wie Frau Ashton im bereits erwähnten Telefonat gesagt hat: Die Junta von Jazenjuk muß nur ein paar Wochen durchhalten. Bereits wenige Stunden nach ihrer Ernennung sind die ersten Minister zurückgetreten.

Noch desolater ist die Situation in den Streitkräften. Die groß angekündigte allgemeine Mobilmachung war ein Flopp, es haben sich kaum Reservisten oder Freiwillige bei den Wehrkreiskommandos gemeldet. Stattdessen verweigern immer mehr Soldaten der Junta den Befehl. Nicht nur auf der Krim, auch andernorts. Darum sollen nun in den Militäreinheiten nach sowjetischem Vorbild Kommissare vom Maidan eingesetzt werden, die die Soldaten und Offiziere auf Linie bringen. Und der Generalstabschef Iljin, auf den die Putschisten große Hoffnungen gesetzt hatten, hat sich letzte Woche mit einem "Herzanfall" in ein Krankenhaus auf der Krim begeben. Um sich selbst militärische Stärke zu suggerieren, läßt man eine Kolonne von etwa zehm SPz BMP auf Tiefladern durch das Land fahren. Es sind immer dieselben Fahrzeuge, die an verschiedenen Orten auftauchen, doch ohne Mannschaften dazu. Lachhaft.

"Premierminister" Jazenjuk ist gestern der Kragen geplatzt und er hat drei Stellvertreter des Verteidigungsministers entlassen, weil sie sich geweigert haben, die Banditen des Rechten Sektors in die Armee aufzunehmen und damit der Schlägerbande eine legale Tarnung zu verschaffen. Unterdessen sollen Kämpfer dieser Banden aber in den Ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU) und die Polizei eingesickert sein, vornehmlich über Dienststellen in der Westukraine. D.h. sie tragen jetzt nicht nur Waffen, sondern auch eine staatliche Uniform und Dienstausweise. Demnächst sollen diese Banditen auch offiziell bewaffnet werden, um im Süden und Osten für "Ordnung" zu sorgen (sprich: um einen Genozid zu begehen). Ihr Anführer, Dmitro Jarosch, ist bereits stellvertretender Chef des Nationalen Sicherheitsrates.

Die Führer des Rechten Sektors haben übrigens schon angekündigt, in Rußland Terroranschläge begehen zu wollen. Die Neonazis sind die idealen Partner für die USA (genauso wie die Wahhabiten im islamischen Raum). In diesem Kontext ist auch die angekündigte Erhöhung der Militärhilfe durch die USA zu sehen. D.h. die Amis finanzieren jetzt offiziell Terroristen für in Rußland begangene Anschläge.

Daß die Kiewer Junta in heller Aufregung - um nicht zu sagen: in blanker Panik - ist, zeigen auch ihre Gesetzgebungsinitiativen. Nunmehr soll nicht nur Russisch als Sprache verboten werden, sondern auch die Benutzung des kyrillischen Alphabets, welches auch für die ukrainische Sprache verwendet wird, soll gesetzlich untersagt werden. Ferner weiß man jetzt auch, warum insbesondere die USA den Umsturz gefördert haben: Nach dem Willen der Putschisten soll die Ukraine der NATO beitreten und dort sollen Elemente der US-Raketenabwehr installiert werden. Es geht den Amis also nicht um Demokratie, sondern allein um Geopolitik.

Die Panik der Kiewer Usurpatoren zeigt sich auch in ihren heftigen pseudojuristischen Aktionen. Seit sich der legale Staatspräsident Janukowitsch am 28.02. in einer Pressekonferenz zu Wort gemeldet hat, ahnen sie, daß sie sich nur schwer an der Macht halten können. Deshalb haben sie jetzt Haftbefehl gegen Janukowitsch erlassen - wegen Staatsstreichs. Einfach lächerlich.

Auf wirtschaftspolitischem Gebiet hat sich das Putschistenregime völlig dem Westen unterworfen. Die Kreditbedingungen des IWF wurden vollumfänglich akzeptiert. Das bedeutet u.a. Gehalts- und Rentenkürzungen, Verteuerung kommunaler Dienstleistungen u.a.m. Im Monat März können überhaupt keine Renten und Stipendien gezahlt werden. D.h. es wird in den nächsten Wochen eine Menge unzufriedener Leute in der Ukraine geben. Kombiniert man das mit der Menge an illegal im Umlauf befindlichen Waffen und der bereits angestiegenen Kriminalitätsrate, dann ahnt man, was dort demnächst abgehen wird.

Dagegen helfen auch nicht die ausländischen Finanziers. Die EU stellt zunächst 610 Mio. € bereit, einige Milliarden sollen in den nächsten Jahren folgen. Von den geforderten 35 Milliarden sind die Putschisten allerdings noch weit entfernt. Mittlerweile sind übrigens schon die ersten NATO-Soldaten in Uniform im Land eingetroffen.

Die Revolution der Oligarchen

Stand der Aufstand vom Maidan nicht im Zeichen des Kampfes gegen Korruption, Amtsmißbrauch und Mißwirtschaft? Sollten einige Bürger der Ukraine tatsächlich daran geglaubt haben, dann werden sie jetzt bitter enttäuscht. Denn zahlreiche Oligarchen wurden von der Junta mit wichtigen Posten im Staatsapparat belohnt. Diese Woche wieder einige Gouverneure. Offensichtlich sollen so verdiente Unterstützer ausgezeichnet werden.

Doch dies gefällt nicht allen. In Kiew soll sich unter einigen "Aktivisten" schon Unmut regen (in Lwow wurde die neue Gouverneurin vom örtlichen "Maidan" abgelehnt) und in der Ost- und Südukraine treiben die Putschisten die Bürger mit ihren Personalentscheidungen erst recht in den Widerstand. Doch die Oligarchen haben etwas, was Jazenjuk fehlt: viel Geld. Damit können sie sich nicht nur private Schlägerbanden, sondern auch Privatarmeen leisten. Vorgestern sind in Kiew 300 Mitarbeiter privater Militärunternehmen aus dem Ausland eingetroffen und gestern konnte man sie schon in Donezk beim Einsatz gegen putschistenfeindliche Demonstranten sehen:


Informationsblockade und Terror im Namen der "Demokratie"

Nicht nur die deutschen Medien berichten extrem einseitig, auch viele ukrainische. Nach dem Putsch wurden die wenigen, die vorher dem Maidan gegenüber kritisch eingestellt waren, auf Linie gebracht. Russischsprachige und andere "unukrainische" TV-Sender wurden von den Kabelnetzbetreibern im Auftrag der Junta aus dem Programm genommen, daher boomt die Nachfrage nach Satellitenanlagen und Kurzwellenempfängern. Teile des Landes sind vom Internet abgeschnitten oder es sind nur ausgewählte Inhalte zugänglich.

Kritische Journalisten wie z.B. Sergej Ruljow werden von Banditen zusammengeschlagen, ihre Büros verwüstet und Arbeitsmittel zerstört. Daß es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, belegt die haßerfüllte TV-Journalistin Violetta Daschkowa, die sogar davon träumt, die Einwohner der Ostukraine zu erschießen.

Um sich auf dem Wege der Autosuggestion Mut zu machen, werden von ukrainischen Medien haufenweise Falschmeldungen verbreitet, z.B. die angebliche Nachricht, daß Präsident Janukowitsch plötzlich gestorben sei. Dummerweise wußte man in der Klinik, wo das angeblich passiert sein sollte, nichts davon. Das gleiche gilt für angebliche Truppenverlegungen Rußlands, wo der ukrainischen Generalstab Verbände nennt, die es gar nicht gibt. Der Informationskrieg tobt, auch in Gestalt von massiven Hackerangriffen auf "unukrainische" Internetseiten.

Ebenso der "demokratische" Terror gegen alle Andersdenkenden. Gestern Abend ist in Donezk der vom Volk am Sonntag gewählte Gouverneur Pawel Gubarjew verhaftet und nach Kiew gebracht worden. Auch Wladimir Rogow und andere Aktivisten, die der Junta feindlich gegenüber stehen, wurden vermutlich entführt oder gar getötet. Es kursieren Verhaftungs- und Liquidationslisten, auf denen "volksfeindliche Elemente" aufgeführt sind. Bedrohungen sind an der Tagesordnung. Daß die "Demokraten" und "Eurointegratoren" auch vor Mord nicht zurückschrecken, belegen neue Fotos und Videos von einem Hinterhalt, in dem  Maidan-Kämpfer am 20. Februar Präsidentenanhänger von der Krim überfallen haben.

Um die Gerichte im Land gefügig zu machen, wurden von den Putschisten gegen die (vollständig) abgesetzten Mitglieder des Verfassungsgerichts Strafverfahren eingeleitet. Wie die neuen Machthaber in Kiew mit ihren Gegnern umgehen, kann man sich im folgenden Video ansehen. Der Mann ist Mitglied der KP:


Dies alles hat unter ukrainischen Bürgern, die mit dem neuen Kiewer Regime nicht einverstanden sind, eine Fluchtwelle ausgelöst. In den letzten Wochen haben sich 140.000 Ukrainer in der Rußländischen Föderation als Flüchtlinge gemeldet. (Diese Entwicklung entspricht ganz der Absicht der Putschisten, welche zwar das bisherige ukrainische Staatsgebiet bewahren, es jedoch von "moskowitischen" Elementen ethnisch und kulturell "säubern" wollen.) Dazu trägt auch die kulturelle Unterdrückung der Russischsprachler bei. In Lwow werden an ihren Wohnungen bereits Warnzettel angebracht (wie im Dritten Reich: Kauft nicht bei ...) und in Odessa werden Schüler dafür gerügt, daß sie untereinander Russisch sprechen. Und die Behörden des Kiewer Regimes löschen jetzt schon ihre russischsprachigen Internetseiten.

Doch von diesen Vorfällen ist in der deutschen Presse nichts zu lesen. Aufgrund der extrem einseitigen und selektiven Berichterstattung unserer Medien können es sich die Putschisten sogar leisten, offenkundige Wahrheiten zu leugnen. So hat z.B. dieser Tage der ukrainische UN-Botschafter in New York behauptet, alle Berichte über die Greueltaten der UPA während des Zweiten Weltkrieges seien Erfindungen der sowjetischen Propaganda. Das wird man u.a. in Warschau anders sehen, wenn man dort an einige hunderttausend von den ukrainischen "Freiheitskämpfern" ermordete Polen denkt.

Putschistenfeindliche Demo am letzten Wochenende in Donezk.

Lage in der Südostukraine

Zunächst zur Krim. Dort ist die Lage mittlerweile klar. Nachdem am Wochenende die örtlichen Selbstverteidigungskräfte der Autonomen Republik durch Einheiten aus der RF, später auch durch Freiwillige aus Serbien und Bulgarien verstärkt worden waren, haben die Putschisten dort nicht Fuß fassen können. Die Polizei sowie die örtlichen Dienststellen des SBU haben sich der Regierung und dem Parlament der Krim unterstellt. Desgleichen die meisten Armee-Verbände, inklusive dem OB der Marine und allen Luftabwehreinheiten. Letztere wurden blockiert und damit in eine günstige Lage gebracht, so daß sie nicht kämpfen mussten. Mittlerweile verfügt die Autonome Republik über ein eigenes Innen- und ein eigenes Verteidigungsministerium.

Am 16. März soll nun in der Republik sowie in der formal nicht dazugehörenden Stadt Sewastopol ein Referendum stattfinden, in dem die Bürger über ihren zukünftigen Status abstimmen. Entweder weiter als Teil der Ukraine oder Beitritt zur Rußländischen Föderation. In Anbetracht der Massendemonstrationen der letzten Wochen dürften am Ausgang dieses Volksentscheides keine Zweifel bestehen.

Zwar versuchen die Kiewer Junta und einige fremde Staaten, welche die Ukraine ganz in ihren Herrschaftsbereich einverleiben wollen, die Abstimmung zu be- und verhindern (etwa, indem der regionalen Wahlbehörde der Zugang zu den in Kiew gespeicherten Wählerdaten gesperrt wird). Doch sie werden keinen Erfolg haben. Zwar wird es in den nächsten Tagen noch zu Provokationen und vielleicht auch Anschlägen kommen, bei den - rein zufällig natürlich - immer Fernsehteams in der Nähe sind. Doch sie werden keinen Erfolg haben.

Die Mehrzahl der Krimtataren dürfte durch den Besuch einer Delegation aus der rußländischen Republik Tatarstan, bei dem auch einige Kooperationsabkommen unterzeichnet wurden, beruhigt worden sein. Einige Anführer islamistischer Gruppen sind zwar gekauft worden, um gegen Rußland zu agitieren, daraus wird allerdings keine Massenbewegung erwachsen. Denn die Krimtataren sind in der jetzigen Ukraine, ebenso wie die Russen, Bürger zweiter Klasse.

Fazit: Das Schicksal der Krim ist besiegelt, trotz der noch zu erwartenden Störmanöver. (Interessant ist die "Berichterstattung" unserer Medien: Als ein paar tausend Menschen in Kiew demonstriert haben, war vom "ukrainischen Volk" die Rede. Wenn jedoch mehrere zehntausend Bürger in Sewastopol, Simferopol, Charkow, Donezk und anderen Städten der Südostukraine auf die Straße gehen, dann spricht die Journaille von "Separatisten".)
Hinzu kommt die von Moskau schon zugesagte Wirtschaftshilfe. Auf der Krim werden die Renten pünktlich bezahlt werden. Das ist sicher für viele Menschen besser als in einer verarmten Rest-Ukraine zu leben.

Gedenken an die in Kiew gefallenen Angehörigen der Bereitschaftspolizei.

Nun zu Charkow: Dort war es am vergangenen Wochenende - wie in der gesamten Südostukraine - zu Großdemonstrationen gekommen. Den Bürgern ist es sogar gelungen, die von Maidan-Kämpfern besetzte Gebietsverwaltung wieder freizukämpfen. Doch in den letzten Tagen zeigte sich, daß die Bürger von ihrem Bürgermeister Gennadi Kernes verraten worden waren. Ein in der Schweiz ansässiger Oligarch, der dieser Tage eine Gouverneursposten erhalten hat, hatte ihn gekauft. Damit sind den Charkower Bürgern ihre beiden Führungsfiguren Dobkin und Kernes abhanden gekommen. Doch der Widerstandsgeist dürfte damit kaum erlahmt sein.

Donezk: Die Hauptstadt des Donbass war am letzten Wochenende das Zentrum der Kundgebungen gegen die Putschisten. Über 50.000 Menschen waren auf der Straße und haben ihren neuen Gouverneur Pawel Gurabjew gewählt, weil ihnen der von den Putschisten ernannte nicht gefiel. Gurabjew kündigte denn dieser Tage auch an, daß der Donbass dem Vorbild der Krim folgen werde. D.h. es soll ebenfalls Referenden über den Austritt aus der Ukraine geben. Daraufhin wurde er gestern "verhaftet" und ist seither verschwunden. Noch am Abend kam es zu Unterstützungskundgebungen - die Bürger versuchten, den Abtransport ihres Gouverneurs zu verhindern.

In den Tagen zuvor war es in der Stadt mehrfach zu Auseinandersetzungen gekommen. Stoßtrupps des Oligarchen Achmetow hatten den Gouverneur aus dem Gebäude der Gebietsverwaltung vertrieben, später nahmen die Bürger das Gebäude erneut in Besitz. In Donezk zeigt sich das Muster des neuen Regimes: die Hauptarbeit leisten bezahlte Schläger, flankiert (und "legalisiert") werden sie von einigen Polizisten, die extra aus dem Westteil der Ukraine dorthingebracht worden sind, weil die einheimischen Kräfte als unzuverlässig gelten. Heute haben die Donezker Angehörigen der Bereitschaftspolizei "Berkut" sich ausdrücklich geweigert, weitere Befehle der Putschisten und ihres Gouverneurs entgegenzunehmen.

Im Laufe des heutigen Tages kam es zu einer weiteren Großkundgebung - wohlgemerkt: an einem Arbeitstag. Daran läßt sich ermessen, wie sehr die Einwohner des Donbass die Kiewer Putschisten hassen:


Andere Städte: Auch in Lugansk wurde am 5. März ein neuer Volksgouverneur gewählt. Demonstrationen gegen die Putschisten gab es ferner in Rowenki, Kriwoj Rog sowie Odessa (siehe hier und hier). Überall rufen die Menschen "Rossija! Rossija!" und unterzeichnen Petitionen an Putin, damit er Truppen entsendet. Zudem werden Unterschriften für Plebiszite nach dem Vorbild der Krim gesammelt.

Die östlichen und südlichen Gebiete sind im Augenblick der Brennpunkt in der Ukraine, nicht die Krim, auf die sich die westlichen Medien so stark konzentrieren. Hier entscheidet sich in den kommenden Tagen das Schicksal der Menschen; hier entscheidet sich, ob sie weiter von den Westukrainern unterdrückt und von den Oligarchen beherrscht werden oder nicht.

Völkerrechtliche Lage der Ukraine

Wir erleben gerade - und das ist nicht übertrieben -, wie Weltgeschichte geschrieben wird. Auch die völkerrechtliche Situation der Ukraine ist nicht leicht zu durchschauen. Die Putschisten sprechen selbst davon, daß sie eine "Revolution" (also einen Wechsel der Rechtsordnung) vollführt hätten. Wie vor einer Woche schon dargelegt, wird diese Annahme durch die Handlungen des neuen Regimes gestützt: Es steht nicht mehr auf dem Boden der bisher geltenden ukrainischen Verfassung(en). Statt dessen sind neue Entscheidungsorgane (Maidan-Stab) und Entscheidungsmechanismen (Mehrfachabstimmen im Parlament, Verprügeln von "falsch stimmenden" Abgeordneten usw.) entstanden. Des weiteren wurde Janukowitschs Amtsenthebung völlig regelwidrig durchgeführt.

Nun ergibt sich eine seltsame Situation. Janukowitsch ist nach wie vor der rechtmäßige Präsident des ukrainischen Staates. Doch faktische Staatsgewalt hat er im Augenblick nicht, ebensowenig ein anderes der bisherigen Staatsorgane. Zugleich ist eine neue Staatsgewalt entstanden, die jedoch in keiner juristischen Kontinuität zur bisherigen Verfassungsordnung steht. Hier setzt eine Prüfung anhand der Drei-Elemente-Lehre an: Es gibt zwar eine neue Staatsgewalt, diese wird jedoch nicht über das gesamte Staatsgebiet des bisherigen ukrainischen Staates ausgeübt. Auf der Krim und in anderen Gebieten der Südostukraine sind die neuen Kiewer Machthaber keineswegs gefestigt. D.h. ihr Staatsgebiet erstreckt sich nur auf den Westen und die Mitte der bisherigen Ukraine. Ebenso weigern sich erhebliche Teile des bisherigen ukrainischen Staatsvolkes beharrlich, sich dem neuen Regime zu unterwerfen. Mithin umfaßt das Staatsvolk der neuen Staatsgewalt ebenfalls nur die Einwohner in den westlichen Gebieten.

Ergebnis: Infolge der "Maidan-Revolution" ist ein neuer Staat entstanden, während der alte ukrainische Staat untergegangen ist. Der neue ist nur teilweise identisch mit der bisherigen Ukraine.

Die russischsprachigen Einwohner der Südostukraine können in Anbetracht dieser Ereignisse sowie der starken Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, von ihrem völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen. Auf der Krim ist das praktisch schon geschehen, in anderen Gebieten wird es wohl noch folgen.

Dieser Befund hat weitreichende Folgen: Solange die Frage der Staatennachfolge nicht geklärt ist, ist nicht sicher, inwieweit der neue Staat an die völkerrechtlichen Verträge der alten Ukraine gebunden ist und ob er überhaupt noch Mitglied internationaler Organisationen wie etwa der UNO ist. Die Rußländische Föderation hat daraus bereits Konsequenzen gezogen und ihre diplomatischen Beziehungen mit Kiew für beendet erklärt.

Eine weitere Stütze der hier vertretenen Auffassung sind die Aussagen der neuen Kiewer "Regierung", daß sie für die Schulden des alten ukrainischen Staates gegenüber der RF nicht aufkommen wolle. Würden diese Herrschaften von einer Kontinuität des Staates, also einem reinen Regierungswechsel, ausgehen, dann stellte sich die Frage der Schuldenregulierung überhaupt nicht.

Allerdings ist zweifelhaft, ob es sich bei der neuen ukrainischen Gebietskörperschaft überhaupt um einen Staat im Vollsinne handelt. Denn er ist nicht souverän, d.h. er steht unter dem massiven Einfluß fremder Staaten, insbesondere der USA. "Premierminister" Jazenjuk hatte lange Zeit seinen Pressestab in der US-Botschaft in Kiew, zudem haben er und seine Mitstreiter regelmäßig Anweisungen dieser Botschaft entgegengenommen und befolgt. Folglich dürfte es an der staatlichen Souveränität fehlen.

Daraus folgt ferner, daß alles Gerede über territoriale Integrität hinfällig ist, denn die Grenzen des neuen Staates stehen noch gar nicht fest. Zudem bietet die jüngere Geschichte genügend Beispiele für den Zerfall von Staaten - oft vom "freien Westen" gefördert (Jugoslawien 1991, Sowjetunion 1991, Serbien/Kosovo 1999 ff.). Deshalb steht die westliche Argumentation auf schwachen Füßen. Doch das stört ihre Protagonisten nicht. Sie wähnen sich im Besitz der alleinigen Wahrheit und wollen die ganze Welt nach ihrem Willen gestalten.

Fazit: In der Ost- und Südukraine liegt die Macht zur Zeit auf der Straße. Fragt sich, wer sie aufheben kann ... Deshalb agiert das neue Kiewer Regime dort auch so rücksichtslos und mit voller Härte, die keinerlei Rücksicht auf Grund- und Menschenrechte nimmt (ganz anders als Janukowitsch gegenüber dem Maidan).

Insgesamt muß konstatiert werden, daß Jazenjuk und seine engeren Mitstreiter mit der Lage völlig überfordert sind. Anscheinend hatten ihnen ihre ausländischen Berater suggeriert, sie bräuchten sich nur an die Schalthebel der Macht zu setzen und schon würde ihnen die ganze Staatsmaschine gehorchen. Doch nun gibt es überall Probleme. Lange werden sie sich wohl kaum halten können. Vielleicht haben sie deshalb ein besonderes Interesse an einer weiteren Eskalation, um sich als unschuldige Opfer der bösen Russen darzustellen und so NATO-Truppen ins Land zu holen.

Pressekonferenz von Wladimir Putin am 4. März.

Die Politik der Rußländischen Föderation

Vor einer Woche noch hatte Rußland Schwierigkeiten, eine kohärente Politik zu formulieren. Doch dank der einmütigen Unterstützung der Putschisten durch die USA, die EU und Kanada sind diese Probleme mittlerweile überwunden.

Die Position der RF zur Konfliktregulierung ist nach wie vor, daß die Vereinbarung zwischen präsident Janukowitsch und der seinerzeitigen Opposition vom 20. Februar umgesetzt werden muß, um wieder Ruhe in der Ukraine zu schaffen. Den bewaffneten Staatsstreich kann Rußland nicht akzeptieren. Zwar hatten sich die BRD, Polen und Frankreich als "Notare" zur Verfügung gestellt, doch diese Staaten haben heute nicht die Absicht, auf den Stand vom 20.02. zurückzukehren. Logisch - sie haben den Umsturz nach Kräften gefördert und müßten schön dumm sein, ihn nun wieder rückgängig zu machen. Vielmehr wird von Rußland (und den Menschen in der Südostukraine) erwartet, daß sie die durch den Putsch in Kiew geschaffenen Fakten schlucken. Doch das wird keiner tun.

Da der Westen zunehmend auf Konfrontationskurs geht und bei seiner Verweigerungshaltung bleibt, sind wohl auch keine weiteren zielführenden Verhandlungen möglich (zumindest im Augenblick). Denn über was soll verhandelt werden, wenn die westlichen "Partner" in einer Traumwelt leben, in der es weder einen Staatsstreich noch bewaffnete Banden gibt und alles, was eit Wochen in der Ukraine geschieht, schön "demokratisch" ist? Unsere Politiker sind offenbar zu Gefangenen der Lügenpropaganda ihrer eigenen Medien geworden.

Deshalb wird die Krise weitergehen und es ist eine weitere Verschlechterung zu erwarten. Insbesondere die USA haben Rußland in eine Alles-oder-nichts-Position gebracht: entweder beim geplanten Genozid an den eigenen Landsleuten tatenlos zusehen oder eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen in Kauf nehmen. Moskau hat sich für letzteres entschieden. Der Pressesprecher des Präsidenten, Dmitrij Peskow, hat heute in einem bemerkenswerten Interview betont, daß die Rußländische Föderation alle russischsprachigen Menschen in der Ukraine vor Angriffen schützen werde. Somit ist die Linie klar.

Am 1. März hatte Präsident Putin den Föderationsrat gem. Art. 102 der Verfassung der RF um seine Zustimmung zur möglichen Entsendung von Streitkräften auf das Staatsgebiet der Ukraine gebeten, um die dort befindlichen Staatsbürger der RF, insbesondere die Angehörigen der Schwarzmeerflotte, sowie die russischsprachige Minderheit vor möglichen Angriffen zu schützen. Der Föderationsrat hat den Antrag einstimmig gebilligt. Zuvor hatte der legale ukrainische Präsident Janukowitsch schriftlich seine Zustimmung erklärt.

Damit sind Art und Umfang einer möglichen Intervention genau umrissen. Es geht nicht darum, die gesamte Ukraine zu besetzen. Das wäre schon kräftemäßig gar nicht möglich. Vielmehr sollen genau umrissene Personengruppen vor den Angriffen der zur Zeit in der Ukraine umhermarodierenden Banden geschützt werden. Angesichts der tätlichen Angriffe, welche sich seit Wochen ereignen, geht es mithin zuvörderst um den Schutz der Menschenrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Diese Maßnahme wird um so wichtiger, wenn man bedenkt, daß in der Ukraine die öffentliche Ordnung weitgehend zusammengebrochen ist und insbesondere die Polizei nicht oder nur unzureichend funktioniert. Folglich ist es absurd, von einem "Krieg gegen die Ukraine" zu sprechen. Denn "die Ukraine" gibt es nicht mehr, an ihre Stelle sind bewaffnete Haufen und ein paar Usurpatoren in Kiew getreten.

Mittlerweile ist die Krim von rußländischen Truppen gesichert worden. Sie verstärken die örtlichen Selbstschutzgruppen, Polizei und Kosaken. Auch in der Ostukraine könnte ein Einsatz bevorstehen, wenn es zu größeren Angriffen der Junta und ihrer Schlägertrupps auf die einheimische Bevölkerung kommt. Leider sieht es im Augenblick danach aus, denn die Bürgerwehren, die sich fast allerorts gebildet haben, funktionieren oft mehr schlecht als recht. Deshalb ist in den nächsten Tagen ein weiterer Truppeneinsatz zu erwarten, denn die Junta macht keine Anstalten, auf eine Machtergreifung in der Südostukraine zu verzichten.

Offenbar ist die Lage sehr ernst, weit ernster, als ich noch vor einigen Tagen erwartet hätte. Deshalb wird es vermutlich, wie auf der Krim, zu weiteren Volksabstimmungen über den Beitritt von Regionen zur Rußländischen Föderation kommen. Jede andere Lösung würde die dort lebenden Menschen für Jahrzehnte in einer rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheit lassen. Denn die USA und, etwas zurückhaltender, die EU haben bereits umfangreiche Sanktionen angekündigt, um die Menschen auf den von ihnen befohlenen Kurs zu zwingen. In Kanada gibt es bereits Ausweisungen.

Außenminister Lawrow hat daraufhin in ungewohnt scharfer Form gewarnt, daß sich Sanktionen gegen Rußland zum Bumerang entwickeln werden. Denn zahlreiche Staaten stehen hinter Moskau. Zuvörderst China, wo man schon laut über das Eintreiben amerikanischer Schulden nachgedacht hat. Doch das stört die USA bis jetzt nicht. Ihre Regierung hat heute verlauten lassen, daß man gegen die RF alle nichtmilitärischen Mittel einsetzen werde, um die RF zur Unterwerfung unter die Forderungen Washingtons zu zwingen. Dennoch wurde heute ein weiterer Raketenzerstörer ins Schwarze Meer verlegt und vor der griechischen Küste im Mittelmeer kreuzt eine Flugzeugträgergruppe. Und für die Drecksarbeit am Boden hat man die "Verbündeten" vom Rechten Sektor, der bereits Terroranschläge in Rußland angekündigt hat.

Dieser Tage titelte eine deutsche Zeitung: "Europa [gemeint war die EU] stellt sich gegen Moskau". Damit dürfte die hiesige Kriegsstimmung hinreichend gekennzeichnet sein. Doch warum sollten die Russen Angst vor "Europa" haben? Bereits 1812 und 1941 stellten sich große Teile Europas gegen sie. Und wer hat am Ende gewonnen? Die deutschen Panzer im Zweiten Weltkrieg waren auch nach "europäischen Standards" gefertigt und haben Hitler trotzdem nicht den Endsieg bescheren können. Aber auch hier in Deutschland muß sich erst der jahrelang aufgestaute Rußlandhaß entladen, bevor wieder kühlere Köpfe das Ruder übernehmen.

"Blutrünstige russische Okkupanten" auf der Krim.


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