Sonntag, 26. Januar 2014

Die Ostukraine wehrt und behauptet sich


Wie heute früh schon vermutet, gab es im Laufe des Tages im Osten und Süden der Ukraine zahlreiche Brennpunkte. Die Anhänger des "Euromaidan" versuchen, die Unruhen auf das gesamte Land auszudehnen. In den russisch geprägten Landesteilen war es bis dato ziemlich ruhig und auch die Anhänger der Regierung waren kaum in Erscheinung getreten. Doch seit diesem Wochenende ist die Lage anders: Der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die "Faschisten" und Bandera-Anhänger formiert sich und wird, wo nötig, auch handgreiflich. Oft organisiert über soziale Netzwerke wie VKontakte.

Nachfolgend einige Beispiele:

In Lugansk haben einheimische Regierungsgegner versucht, die Gebietsverwaltung zu stürmen und den Gouverneur zum Rücktritt zu zwingen. Erfolglos - sie konnten von örtlichen Kosakengruppen gestoppt werden, ohne daß es zu Auseinandersetzungen kam. In Krowoj Rog waren die "friedlichen" Anhänger der "europäischen Idee" gewalttätiger und haben ein Büro der Partei der Regionen sowie ein Meeting ihrer Anhänger attackiert. Auch dort wurden sie von den Einheimischen wieder in ihre Busse getrieben und aus der Stadt geworfen (Video hier). In beiden Fällen stand die Polizei loyal zur legalen Regierung.

Ähnlich verlief die Angelegenheit in Odessa, wo die Bilder dieses Artikels aufgenommen worden sind. Am Sonntagmorgen hatten sich einige hundert Unterstützer der Regierung vor dem Gebäute der Gebietsverwaltung versammelt. Einen ersten Sturmversuch der "Maidan"-Leute hatte es bereits am Freitagabend gegeben. Heute war die Stimmung eher entspannt. Regierungsgegner sind ein wenig durch die Stadt gezogen, haben dabei aggressive Parolen gebrüllt und sich danach wieder zum Bahnhof begeben, um nach Hause zu fahren.


Desgleichen in Sewastopol. Hier hatte die Opposition rund 300 Anhänger aufgeboten. Doch gegen die geschlossene Abwehrfront aus Bürgern und Polizisten hatten sie keine Chance und so beließen sie es bei wüsten Beschimpfungen ihrer Mitbürger und kleineren Rangeleien am Rande der Kundgebung. Nach 90 Minuten war der Spuk vorbei (noch ein Video hier). Mithin bleiben auch dieser Stadt am Schwarzen Meer Bilder wie aus Kiew erspart. In der Stadt wurde heute eine Selbstschutzabteilung aus Freiwilligen formiert, welche ab morgen sämtliche wichtigen Objekte in der Stadt bewachen und vor eventuellen Angriffen schützen soll.

In Simferopol, gleichfalls auf der Krim gelegen, stellten sich Bürger ebenfalls demonstrativ vor ein Verwaltungsgebäude, um dessen Eroberung durch Regierungsgegner zu verhindern. Ihre Parolen lauteten: "Die Faschisten werden nicht durchkommen" und "Alle Bandera-Leute vor Gericht" - das realexistierende Volk der Autonomen Republik Krim gegen die Minderheit des "Euromaidan".

In Saporoshje wurde die Regionalverwaltung von "Aktivisten" des "Euromaidan" belagert. Sie forderten des sofortigen Rücktritt des Gouverneurs und drohten mit dem Sturm. Auch hier stellten sich Einwohner und Polizei dem Ansturm entgegen; der Verwaltungschef, welcher offenbar großen Rückhalt bei seinen Bürgern genießt, organisierte den Widerstand. Am Abend begannen die Sicherheitskräfte mit der Befreiung des von den Putschisten eingeschlossenen Gebäudes.


Ähnlich gespannt war die Lage in und um Charkow, der mit anderthalb Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt der Ukraine. Der Gouverneur, Michail Dobkin, hatte sich noch in der Nacht demonstrativ an die Seite der Polizei gestellt. Im Laufe des Tages wollten Randalierer aus der Westukraine mit 30 Bussen in die Stadt eindringen, wurden von der Polizei jedoch schon während der Anreise blockiert. 500 "Europafans" gelang dennoch der Durchbruch in die Stadt. Sie marschierten durch die Straßen, skandierten Parolen, unternahmen jedoch keinen Sturmversuch. Die einheimische Bevölkerung bedachte sie mit abwertenden Rufen.
Auch in Charkow haben sich mittlerweile Bürgergwehren gebildet, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen abwehren wollen. Eines ihrer Mitglieder entgegnete einem Reporter auf die Frage, was er wolle, mit den Worten, daß er in der Stadt lebe und sie nicht den westukrainischen Chaoten überlassen wolle.

In Nikolajew hingegen, wo sich die Situation gestern Abend zugespitzt hatte, blieb es heute völlig ruhig. Vor der Liegenschaft hatten sich zahlreiche Bürger zu ihrem Schutz versammelt. Hier kam der rund 300 Mann starke Stoßtrupp der Opposition mit der Eisenbahn direkt aus Lwow und wurde schon auf dem Bahnhof von den Einwohnern der Stadt in Empfang genommen. Die Lemberger Revoluzzer zogen kurz durch die Stadt und trollten sich dann recht schnell wieder, so daß es friedlich blieb.

Als Fazit der heutigen Ereignisse kann man wohl festhalten, daß die Anhänger die Opposition im Osten und Süden der Ukraine viel zu schwach sind, um aus eigener Kraft (werbe-)wirksame Aktionen wie in Kiew, Lwow und anderen Orten durchzuführen. Sie sind auf massive Unterstützung von außerhalb angewiesen. Kein Wunder, sind doch diese Regionen die Basis von Präsident Janukowitsch und seiner Regierungskoalition. Wo örtliche Politiker, Bürger und Sicherheitskräfte zusammenstehen, müssen die "Maidan-Aktivisten", obgleich oft schon die Knüppel in der Hand, unverrichteter Dinge wieder abziehen - ohne daß es zu nennenswerten Ausschreitungen kommt! Die Lage in der Ostukraine ist also nach wie vor viel ruhiger als in Kiew oder dem Westen.

Dennoch ist die Lage im Osten und Süden nach wie vor nicht geklärt. In den sozialen Medien gehen Gerüchte um, wonach die Opposition in den nächsten 48 Stunden neue, massive Angriffe auf Regierungs- und Verwaltungsgebäude plane, um ihren Aufstand - zumindest in der medialen Wahrnehmung - über das ganze Land auszubreiten und so an Legitimität zu gewinnen (vor allem im Ausland). Daher werden auch heute nacht und morgen viele Ukrainer auf der Straße sein, um ihre Städte und Regionen nicht in die Hände zugereister Randalierer fallen zu lassen. Damit wird auch die Illusion, daß sich "das ukrainische Volk" gegen ein "diktatorisches Regime" erhoben habe, immer weniger glaubhaft.

Für ihren Widerstand gegen die Randalierer vom "Euromaidan" werden die Ostukrainer inzwischen im Netz als "Separatisten", die nach Rußland auswandern sollten, beschimpft. So "zivilisiert" und "demokratisch" gehen die "europäisch orientierten" Westukrainer mit der anderen Hälfte ihrer Mitbürger um, die sich wagt, eine andere politische Meinung zu haben, einer anderen Konfession anzuhängen und eine andere Sprache zu sprechen. Anscheinend wollen die Galizier weiter auf Kosten der Ostukraine leben, die Bürger dort aber unterdrücken und sich gefügig machen. Nazis eben - im echten Sinne des Wortes.


Zu den sonstigen politischen Entwicklungen der letzten 24 Stunden im Land am Dnjepr und insbesondere in Kiew hat der Kollege vom Elynitthria-Blog einen äußerst lesenswerten Artikel geschrieben, dem ich nicht mehr viel hinzufügen kann: "EU stellt nach Machtdemonstration ihre Forderungen via Jazenjuk". Eine gute und sachliche Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der deutschen Medien bietet auch die Propagandaschau.

Abschließend ein Video aus Dnepropetrowsk, wo der Schutz des Verwaltungsgebäudes offenbar schlechter organisiert war. Somit sind die Randalierer vom "Rechten Sektor" (hier eine Selbstdarstellung der Neonazis), die nach Augenzeugenberichten mit vier Autobussen aus der Westukraine in die Stadt gekommen waren, bei ihrem Sturm recht weit vorangekommen:


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Fotos: http://r-70.livejournal.com

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