Samstag, 14. April 2007

Der Londoner (Möchtegern-)Revolutionär

Es bleibt spannend. Noch gestern hat das britische Außenministerium auf die jüngsten Äußerungen Beresowskis reagiert, allerdings mit äußerster diplomatischer Zurückhaltung:
"BECKETT STATEMENT ON BORIS BEREZOVSKY (13/04/07)

'I am aware of comments alleged to have been made by Boris Berezovsky in an interview with the Guardian newspaper on 13 April, appearing to call for the overthrow of the current Russian Government by force. I deplore such sentiments. We expect everyone living or working in, or visiting the UK, whatever their status, to observe our laws and regulations. The Home Office will now seek to collate full information on the alleged comments so that a review and full assessment can be made.'"

Unterdessen scheint der Delinquent wieder zurückzurudern (vielleicht unter dem Eindruck einer möglichen Ausweisung?), denn angeblich war alles nicht so gemeint:
"Beresowski widerspricht sich selbst

[...]

Der russische Milliardär Boris Beresowski hat mit Äusserungen über Pläne zum Sturz des russischen Präsidenten Putin für Verwirrung gesorgt. Der russische Oligarch bestritt einen Bericht der britischen Tageszeitung «Guardian» vom selben Tag, wonach er eine gewaltsame Palastrevolution finanziere. In einer am Freitagnachmittag veröffentlichten Erklärung betonte Beresowski, er unterstütze einen «unblutigen» Regierungswechsel in Moskau. «Ich unterstütze keine direkte Aktion. Ich befürworte oder unterstütze Gewalt nicht.»

In Russland werde die Freiheit zur Meinungsäusserung nicht respektiert und deshalb sei es dort auch nicht möglich, mit Wahlen demokratische Veränderungen zu erreichen, fügte Beresowski hinzu. Daher unterstütze er «andere Methoden» für einen Machtwechsel. «Ich möchte jedoch sehr deutlich machen, dass diese Methoden unblutig sind... «

Lawrow fordert Auslieferung

Der «Guardian» hatte zuvor unter Berufung auf ein Gespräch mit Beresowski berichtet, dieser strebe den Sturz Putins an. Der Milliardär hatte bereits früher zu einer solchen Aktion aufgerufen. Der russische Aussenminister Lawrow reagierte mit der Forderung nach Auslieferung des Oligarchen, der in Grossbritannien Asyl geniesst. Generalstaatsanwalt Juri Tschaika leitete ein Strafverfahren wegen Aufrufs zum gewaltsamen Umsturz ein und kündigte an, er werde London um die Verhaftung Beresowskis bitten.

«Es ist unmöglich, das russische Regime mit demokratischen Mitteln zu verändern», hatte Beresowski dem «Guardian» mit Blick auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen im kommenden Winter gesagt. Deshalb bereite er einen gewaltsamen Umsturz vor, hiess es in der britischen Zeitung. Nach eigenen Angaben steht er mit Teilen der politischen Elite Russlands in Kontakt, die seine Kritik an Putin unterstützten. Der Kremlchef schade seiner Heimat, indem er demokratische Reformen rückgängig mache, die Opposition unterdrücke und sich über die Verfassung hinwegsetze. Beresowski macht den Kreml auch für den spektakulären Gifttod seines Mitarbeiters Litwinenko im November 2006 verantwortlich.

[...]

Im vergangenen Jahr hatte der damalige britische Aussenminister Jack Straw gedroht, Beresowski den Flüchtlingsstatus abzuerkennen, nachdem dieser bereits damals zum gewaltsamen Umsturz in Russland aufgerufen hatte. Ein britisches Gericht lehnte aber ein russisches Auslieferungsersuchen mit dem Hinweis ab, Beresowski geniesse in Grossbritannien Asyl."

Ansonsten ist es in der deutschsprachigen Presse eher still. Die heutige FAZ berichtet auf S. 6 erstaunlich ausgewogen, auch die Welt beschränkt sich auf die Darstellung des Sachverhalts, desgleichen der Tagesspiegel, die FTD und die SZ. Lediglich Peter Nonnenmacher kommentiert - in der Frankfurter Rundschau:

"[...]

Die gelbe Karte hatte Boris Beresowsky von seinen britischen "Gastgebern" ja schon bekommen. [...] Mit seinen neuen Äußerungen, mag Beresowsky sich die rote Karte eingehandelt haben. Dass er bekennt, ein "Komplott für eine neue russische Revolution" zu schmieden, geht weiter als alles, was er bisher zu Protokoll gab. Wird sich London genötigt sehen, ihn nun auszuweisen?

Moskaus Botschafter in London hat das bereits gefordert. Tatsächlich wäre eine solche Entscheidung gar nicht von der Regierung, sondern von einem Magistratsgericht zu fällen. Eine Rolle dürfte spielen, ob Beresowsky Auflagen gemacht wurden, als er vor vier Jahren als Flüchtling anerkannt wurde. Was die Regierung aber nicht aus der Pflicht entlässt, Stellung zu beziehen. Sie sieht sich offenbar in einer Klemme. Beresowsky an Putin und die russische Justiz auszuliefern, zumal nach der noch ungeklärten Litwinenko-Affäre, kann keinen Politiker oder Richter in London reizen. Andererseits hat Beresowskys Wortwahl eine Lage provoziert, in der es vielleicht kein Zurück mehr gibt."


In Moskau berichtet die bis vor kurzem Beresowski gehörende Zeitung Kommersant überraschend unparteiisch über die Ermittlungen der russischen und britischen Behörden.

In der Blogosphäre finden sich lesenswerte Darstellungen und Kommentare zu dieser Affäre im Russia Blog, bei Europhobia und Russophile.com. Rossijskaja Federazija sieht - zu Recht - spannende Zeiten heraufziehen. Und Siberian Light denkt über Beresowskis Motivation nach:
"[...]

As for me, I’m beginning to wonder if Berezovsky is little more than a bored, slightly deluded oligarch with a penchant for thrill seeking, rather than the heroic exiled rebel, about to ride to the aid of his oppressed countrymen that others would prefer to portray him as."

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