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Klein: Ist es denn politisch auch nicht nachzuvollziehen aus Ihrer Sicht und auch nicht klug von Seiten der deutschen Außenpolitik, sich jetzt ja doch ein wenig solidarisch schützend vor Moskau zu stellen?
Naumann: Also ich meine, die deutsche Außenpolitik wäre gut beraten zu überlegen, wo denn der Bündnispartner ist und von wem man mehr braucht und von wem man stärker abhängig ist. Auf Gedankenspiele zu setzen, dass man, wie es ja auch mal in der deutschen Politik gewesen ist, dass man Achsen zwischen Moskau und Berlin und vielleicht noch verlängert nach Paris schmiedet, von diesem strategischen Unsinn sollte man möglichst rasch Abschied nehmen. Ich glaube, das hat auch die Bundesregierung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundeskanzlerin auch nur im Entferntesten an derartigen Unsinn denkt. Was man tun muss, ist mit Russland reden und mit Russland darüber sprechen, dass man nichts tut, was die gegenseitigen Interessen beeinträchtigt. Aber wenn die Generale in Moskau sich nicht ihr Schulgeld wiedergeben lassen wollen, dann müssen sie ihrem Präsidenten schon mal die richtigen Sachen aufschreiben und nicht über das falsche Pferd nun ein Geschrei entfachen.
Klein: Sie sprechen davon, man solle sich überlegen, von wem man abhängig ist. In Washington hat man sehr stark den Eindruck, dass Europa und auch Deutschland sich vor allen Dingen stark von Russland abhängig fühlen, nämlich in der Energiefrage, und dass dies auch im Hintergrund das zentrale Motiv dafür ist, sich jetzt auch in dieser Frage genau so zu verhalten. Eine Abhängigkeit, auf die wir keine Rücksicht nehmen sollten?
Naumann: Also wir sind sicherlich mit Russland in einem Verbund, in einem Energieverbund, den wir aus eigener Kraft nicht auflösen können, noch dazu nicht, wenn wir auf die einzige Energiequelle, die uns Unabhängigkeit geben würde, die Kernenergie, aus eigenem Entscheid heraus verzichten. Wir müssen eine Partnerschaft mit Russland anstreben, aber Partnerschaft heißt eben auch für Russland, dass man nicht den Partner versucht willfährig zu machen und seine Entscheidungen nahezu erpresserisch zu beeinflussen. Ich glaube, hier müssen beide Seiten noch lernen. Es ist niemand daran interessiert, eine Konfrontation mit Russland zu beginnen, und ich meine, wenn hier auf beiden Seiten mit Augenmaß und Vernunft geredet wird und von Russland respektiert wird, dass jede Nation frei ist in ihren Entscheidungen, über ihre Sicherheit die Entscheidung zu treffen, die sie für notwendig hält, das heißt, wenn es keinen Einspruch Russlands gegen Entscheidungen Polens und Tschechiens und der USA gibt, wohl aber gegenseitige Beratung, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
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Diese Sätze sind wiederum ein typisches Exempel für das Denken (oder besser: die Glaubenssätze) unserer Atlantiker: Die Allianz mit den USA ist ewig, fast götzengleich feststehend und über eventuelle Alternativen dazu darf nicht nachgedacht werden, sie sind generell "strategischer Unsinn".
Nett sind auch Naumanns Einlassungen zur Souveränität. Während er Rußland jede Einflußnahme auf die Entscheidungen der osteuropäischen Staaten untersagen möchte, nehmen es sich zahlreiche europäische Staaten ebenso wie die USA als selbstverständlich heraus, auf die innenpolitische Entwicklung postsowjetischer Staaten Einfluß zu nehmen und ggf. offen Oppositionsgruppen zu unterstützen. Aber das Imperium darf das natürlich.
Was gibt es zum eigentlichen Thema des Interviews, der Debatte über die Installation von Raketenabwehrsystemen in Osteuropa, zu sagen? - Nichts. Die National Missile Defence ist derzeit - bestenfalls - rudimentär einsatzfähig und es ist fraglich, ob jemals alle geplanten Elemente realisiert werden. Daher ist die derzeit geführte Diskussion eine Scheindebatte. Und selbst wenn alle Planungen umgesetzt werden sollten, droht wohl kaum ein neuer Rüstungswettlauf.
Zum Abschluß noch ein Wort zu der von Naumann angesprochenen Modernisierung der russischen Interkontinentalraketen. Deren Einführung geht einher mit einer erheblichen Reduzierung der strategischen Streitkräfte insgesamt. Ferner sind die von Naumann und Joffe genannten vierstelligen Zahlen für Raketen nicht nachvollziehbar. Mit Stand 2006 verfügten die russischen Streitkräfte über 503 landgestützte ICBM und 180 seegestützte SLBM, dazu kamen 79 strategische Bomber.
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