Sonntag, 13. April 2014

USA und EU unterstützen Strafexpedition (UPD.)


Dieses Wochenende war wiederum sehr ereignisreich. Mittlerweile haben sich die Gebiete Donezk und Lugansk fast vollständig der Kontrolle der Junta in Kiew entzogen. Am Samstag und Sonntag kam es in vielen Städten und Gemeinden erneut zu Demonstrationen der Bürger, die oft in der Besetzung von Verwaltungs- und manchmal auch Polizeigebäuden gipfelten (siehe Karte, wobei auf dieser noch nicht alle Orte markiert sind). An den meisten Orten wurden Barrikaden errichtet.

Herausragendes Beispiel ist die Kleinstadt Slawjansk, die sich unter Führung der Bürgermeisterin komplett dem Aufstand angeschlossen hat. Sie ist bereits seit Samstagfrüh in der Hand der Aufständischen, die hier (ausnahmsweise) auch bewaffnet sind, nachdem die örtliche Polizei zu ihnen übergegangen war. (Wie in Lugansk vor einer Woche, so sind den Aufständischen mittlerweile an mehreren Orten Waffen, Uniformen etc. aus Behördenbeständen in die Hände gefallen.)
Am Sonntagmorgen gab es in Slawjansk einen Zwischenfall inklusive Schußwechsel zwischen zwei bis drei Parteien, wobei es noch Unbekannte gibt. Die Putschisten hatten eine Kolonne von Schützenpanzerwagen in die Stadt geschickt, diese machten nach dem Gefecht jedoch wieder kehrt. Es soll ein bis zwei Tote und etwa ein Dutzend Verletzte gegeben haben. Tagsüber wurden neue Geplänkel gemeldet. Am Sonntagabend wurden in Slawjansk angeblich zwei Söldner einer privaten Militärfirma gefangengenommen.

Aktuelle Videos aus Slawjansk sind hier, hier, hier und hier zu finden. Bilder und Videos aus weiteren Orten im Osten des Landes: Mariupol, Enakijewo, Lugansk, Kramatorsk und Drushkowa,

Die Ostukraine scheint für die Putschisten verloren. Die in den Regionen vorhandenen Sicherheitskräfte laufen scharenweise zu den Aufständischen über (hier ein Video aus Donetsk). In Artjomowsk konnte sogar eine Kompanie der neugeschaffenen Nationalgarde ohne Kampf gestellt und entwaffnet werden. Polizisten, die sich für neutral erklärt haben, werden von Junta-treuen Kräften wegen Befehlsverweigerung verhaftet. Den ganzen Tag über wurde zwar wieder die Verlegung von schwerer Technik wie Kampfpanzern gemeldet, doch ist äußerst zweifelhaft, ob die ukrainischen Soldaten bereit sind, auf ihre Mitbürger zu schießen.
Am Abend hat der ukrainische Präsident Janukowitsch in Rostow am Don erneut eine Pressekonferenz abgehalten, auf der er die Polizisten und Soldaten seines Landes aufgefordert hat, keine Befehle der Putschisten mehr auszuführen. Unter den Vertretern der Junta herrscht schon seit Tagen offene Panik, die mittlerweile die Grenze zur Paranoia überschritten hat. Jazenjuk z.B. soll jede Nacht an einem anderen Ort verbringen, weil er Angst sowohl vor den Russen als auch dem Rechten Sektor hat.

Im Süden sieht es schlechter aus. Dort gab es heute in Saporoshje einen Zwischenfall, bei dem eine Demonstration der Referendumsbefürworter von 500 herangekarrten Kämpfern des Rechten Sektors eingekesselt wurde. Die Demonstranten wurden dann vom SBU verhaftet. (Auch in Charkow ist es am Sonntag nach zwei Kundgebungen zu einer Auseinandersetzung mit Verletzten gekommen; anschließend wurde dort ebenfalls das Rathaus besetzt.)

Einer der neuen Brennpunkte dürfte Odessa zu sein. In der Stadt war es vor wenigen Tagen zu einer Großdemonstration anläßlich des siebzigsten Jahrestages der Befreiung der Stadt von den deutschen Besatzern gekommen. Dieser wurde von Maidan-Kämpfern gestört, konnte aber nicht verhindert werden. Deshalb sind sie am Sonntag verstärkt aufmarschiert, um die Einheimischen zu terrorisieren. Doch auch letztere haben wieder Flagge gezeigt.
Hinzu kam der Besuch des schwedischen Außenministers Carl Bildt, der demonstrativ den vermummten Maidan-Kämpfern den Rücken stärkte und Rußland kritisierte. Die Einwohner Odessas, die gegen den Maidan sind, wurden von ihm als "Separatisten" tituliert, gegen die gekämpft werden müsse. Von Bildt kam hingegen kein Wort zu den massiven Menschenrechtsverletzungen, derer sich die Putschisten und ihre Banden gerade auch in Odessa schuldig gemacht haben.

Am Samstag kam ein weiterer ausländischer Gast nach Kiew. CIA-Direktor Brennan war angereist, um den demoraliserten Putschisten Mut zu machen und die Einzelheiten der Strafexpedition gegen die Bevölkerung der Südostukraine zu planen. Schon vor Tagen wurde vor dem SBU-Hauptquartier in Kiew die US-Flagge gehißt und im Gebäude sollen sich mittlerweile Dutzende ausländische Berater aufhalten. Offenbar gab Brennans Visite den Ausschlag für den am Morgen begonnenen Angriff auf Slawjansk (s.o.).

Am Sonntagnachmittag hat "Präsident" Turtschinow dann den Beginn einer großmaßstäblichen "Anti-Terror-Operation" gegen die Bevölkerung der Südostukraine verkündet. Hierbei sollen auch Verbände der Streitkräfte eingesetzt werden. (Zur Erinnerung: Während der gewaltsamen Unruhen im Februar, wo seinerzeit von den Putschisten auch Schußwaffen eingesetzt worden waren, hatte die US-Regierung an Präsident Janukowitsch appelliert, keine Militäreinheiten einzusetzen und überdies die Polizei aus Kiew abzuziehen. Jetzt will Washington anscheinend ein Blutbad anrichten.)

Es ist jedoch zweifelhaft, auf welche Kräfte sich die Junta überhaupt noch stützen kann. Die Armee will wohl großteils nicht kämpfen, die örtliche Polizei steht ihr nicht mehr zur Verfügung und die Söldner, von denen einige hundert im Land sein sollen, reichen für eine derartige Operation nicht aus. Bereits in der zurückliegenden Woche gab es große Ankündigungen, denen jedoch keine Taten folgten. Deshalb gewinnt der neueste Schachzug der USA an Relevanz: Der US-Zerstörer "Donald Cook" ist am Sonntag in den Hafen von Odessa eingelaufen, was wiederum Proteste der Einwohner hervorgerufen hat. Die USA werden sich jetzt möglicherweise direkt an der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste gegen den Putsch beteiligen. Zugleich soll Rußland von einem Schutz der bedrohten Menschen abgehalten werden.

Wir könnten in den nächsten Tagen auch den offenen Einsatz polnischen Militärs sehen (verdeckt operieren sie schon lange in der Ukraine). Denn am Sonntag hat der polnische Ministerpräsident Tusk verkündet, er unterstütze den von Turtschinow angekündigten Armee-Einsatz gegen die renitenten Teile der ukrainischen Bevölkerung. Auch Catherine Ashton hat bereits Verständnis für diese Maßnahmen signalisiert. Zur Zeit verstärkt die NATO ihre Kriegsschiffe im Schwarzen Meer.

In der Nacht soll eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates stattfinden, doch ist zweifelhaft, daß dort substanzielle Ergebnisse erzielt werden. USA und EU marschieren, wie schon im Februar, wieder im Gleichschritt. Aufgrund der Probleme der ukrainischen Polizei und Armee müssen es jetzt Söldner und eventuell reguläre NATO-Soldaten richten. Die ausländischen Drahtzieher des Putsches vom 22. Februar wollen sich ihre "Investition" nicht vermiesen lassen. Die Ukraine ist ihre Beute und es hat den Anschein, als wollten die Euroatlantiker ihre neue Kolonie mit Klauen und Zähnen verteidigen.

D.h. ferner, daß es jetzt in den westlichen Medien zu einer neuen Propagandaoffensive kommen wird. Die Bürger der Ostukraine sind jetzt nicht nur Separatisten, sondern auch Terroristen und "russische Soldaten". In Kiew war schon wieder von einem Partisanenkrieg gegen die Ostukraine die Rede. Nun denn, wir werden sehen, was die nächsten Tage bringen.


Nachtrag (14. April, 12:55 Uhr)

Heute vormittag ist ein weiteres Ultimatum der Junta verstrichen, ohne daß es in den Regionen Donezk oder Lugansk zu den angekündigten Gewaltmaßnahmen gekommen wäre. Es ist nicht das erste Ultimatum, was folgenlos verstreicht. Dies sagt viel über die Stimmung unter den Putschisten in Kiew. Einerseits schrecken sie, trotz ihrer öffentlich ausgesprochenen Gewaltphantasien, vor massiver Gewaltanwendung zurück - auch, weil ihnen die Kräfte und Mittel dafür fehlen. Andererseits sind sie nicht fähig, in einen echten Dialog mit den Bürgern der Südostukraine einzutreten und vernünftige Verhandlungen zu führen. Kurzum: Die Usurpatoren leben in Agonie. Ihre Scheinwelt, an deren Errichtung die westlichen Sponsoren des Putsches kräftig mitgearbeitet haben, hat keinen Bezug mehr zur Realität. Deshalb können sie die Vorgänge in der wirklichen Welt kaum noch beeinflussen.

Vorhin ist in der Kleinstadt Gorlowka das Polizeirevier von Demonstranten umstellt und dann gestürmt worden. Die Polizei hat sich am Mittag auf die Seite des Volkes gestellt. In der Stadt werden nun auch Barrikaden errichtet. Eine Sensation wurde aus Slawjansk, was seit Samstag komplett unter Kontrolle der Aufständischen steht, gemeldet: Die vor der Stadt zusammengezogenen 25. Luftlandebrigade, ein Eliteverband der ukrainischen Armee, hat Kiew den Gehorsam verweigert und ist auf die Seite der Einwohner und ihrer Selbstschutzkräfte übergegangen. Außerdem konnten die Aufständischen den Flugplatz der Stadt unter Kontrolle bringen. Das dürfte es dann gewesen sein. Selbst wenn die Junta in der Westukraine noch ein paar Polizisten, bewaffnete Nationalisten sowie Söldner zusammenkratzen kann, werden diese Kräfte nicht mehr fähig sein, das Land wieder unter die Knute der Putschisten zu zwingen.

Unterdessen ist es der West- und Zentralukraine ebenfalls zu neuen Zwischenfällen gekommen. In Lwow haben Angehörige von Banden einen Markt gestürmt. Und in Kiew gibt es schon wieder Demonstrationen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die damit verbundenen drastischen Kürzungen. Die Slowakei hat sich übrigens am Sonntag aus juristischen Gründen geweigert, die von Kiew gewünschte Rückleitung rußländischen Erdgases durchzuführen. Jetzt wird es wirklich eng für die Putschisten. Daran können auch Besuche des CIA-Chefs und des schwedischen Außenministers nichts ändern.


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Freitag, 11. April 2014

Die gescheiterte Anti-Rußland-Politik (2)

Die Einflußsphären der USA vs. die Einflußsphäre Rußlands.
Amerika sagt empört: "He, was bildest du dir ein!"

Fortsetzung von Teil 1

Die Putin-Rede vom 18. März

Der Wutausbruch von Samantha Powers ist nur die Nachwirkung einer anderen, vergangenen Epoche. "Danke, daß ich nicht länger in einem besiegten Land lebe" schrieb denn auch die russische Journalistin Uljana Skojbeda. Zwei Dekaden der Demütigung und Einkreisung Rußlands gehören der Vergangenheit an. Die endgültige Unterwerfung und Zerstückelung des Landes, über die manche im Westen seit über hundert Jahren phantasieren, ist erneut nicht gelungen und wird, daran besteht kein Zweifel, auch in Zukunft nicht gelingen.

Am 18. März, zwei Tage nach dem Referendum auf der Krim und in Sewastopol, hat Präsident Putin eine überaus wichtige Rede gehalten (hier auf Deutsch), deren Lektüre sich lohnt. Sie wird, ebenso wie seine Ansprache auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007, in die Geschichte eingehen. Anstatt ernsthaft auf die von ihm vorgetragenen Bedenken einzugehen, wurde ihm seinerzeit im Westen vorgeworfen, "gepoltert" zu haben. Rußland hätte sich wieder an den Katzentisch zu begeben und die Herrscher der Welt machen zu lassen.

Doch jetzt zu seiner jüngsten Rede. Zunächst ein ausführlicher Blick in die Geschichte, auf die Versuche, die russischen Bürger zu ukrainifizieren und auf die chaotische Lage, die seit zwei Jahrzehnten in der Ukraine herrscht. Unter anderem:
"Millionen von Russen gingen in einem Land schlafen, und wachten hinter einer Grenze auf; sie wurden in einem Augenblick zu einer nationalen Minderheit in den ehemaligen Sowjetrepubliken, und das russische Volk wurde damals zum größten geteilten Volk der Welt.

Heute, viele Jahre später, hörte ich, wie die Einwohner der Krim sagten, dass sie damals, 1991, wie ein Sack Kartoffeln einfach aus den einen Händen in andere übergeben wurden. Es ist schwer, dem zu widersprechen. Der russische Staat tat was? Er senkte sein Haupt und fand sich damit ab, schluckte diese Beleidigung. Unser Land befand sich damals in einer kritischen Lage, es konnte einfach nicht für seine Interessen einstehen. Doch die Menschen konnten sich mit dieser himmelschreienden historischen Ungerechtigkeit nicht abfinden. All diese Jahre haben sowohl die Bürger, als auch viele Persönlichkeiten der Gesellschaft dieses Thema oft angesprochen, indem sie sagten, dass die Krim seit jeher russische Erde sei, und Sewastopol eine russische Stadt. Ja, wir haben all das gut verstanden und im Herzen und in der Seele nachfühlen können, aber man musste von den Gegebenheiten ausgehen und nun auf einer neuen Grundlage gutnachbarliche Beziehungen mit der unabhängigen Ukraine aufbauen. Die Beziehungen zur Ukraine, mit dem ukrainischen Brudervolk waren und bleiben für uns höchst wichtig – ganz ohne Übertreibung."
Dann geht Putin auf den Staatsstreich vom 22. Februar 2014 und dessen gewaltsame Folgen für die Ukraine im Allgemeinen und für die Krim im Besonderen ein. Wichtig war hier vor allem das erneute Zugehen auf die Krimtataren, denn die Ukraine hat es in den 23 Jahren ihrer Unabhängigkeit nicht geschafft, dieses Volk zu rehabilitieren und seine Lage substanziell zu verbessern. Das Programm des Präsidenten ist der Gegenentwurf zur gegenwärtigen Ukraine, wo es nur noch eine Amtssprache gibt:
"Übrigens sind von den 2.200.000 Einwohnern der Krim heute fast anderthalb Millionen Russen, 350.000 Ukrainer, die überwiegend die russische Sprache als ihre Muttersprache betrachten, sowie ungefähr 290-300.000 Krimtataren, ein bedeutender Teil derer, wie das Referendum gezeigt hat, sich ebenfalls in Richtung Russland orientiert.
Ja, es gab eine Zeit, als man den Krimtataren, wie auch anderen Völkerschaften der UdSSR gegenüber mit Härte und Ungerechtigkeit aufgetreten ist. Ich will eines sagen: Millionen von Menschen verschiedener Nationalitäten wurden Opfer der damaligen Repressionen, vor allem natürlich auch Russen. Die Krimtataren sind inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt. Ich bin der Ansicht, dass es notwendig ist, alle politischen und rechtlichen Schritte dazu zu unternehmen, die Rehabilitation der Krimtataren zu vollenden und ihren guten Namen in vollem Umfang wiederherzustellen.
Wir achten Vertreter aller Nationalitäten, die auf der Krim leben. Das ist ihr gemeinsames Haus, ihre kleine Heimat, und es wäre sicher richtig – denn ich weiß, dass die Einwohner der Krim das unterstützen – gäbe es dort nebeneinander drei gleichberechtigte Landessprachen: Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch."
Dann folgt eine juristische Analyse:
"Bei der Unabhängigkeitserklärung und der Ausrufung eines Referendums hat der Oberste Rat der Krim sich auf die UN-Charta berufen, in der davon die Rede ist, dass eine Nation über Selbstbestimmungsrecht verfügt. Übrigens hat die Ukraine selbst sich textlich fast identisch darauf berufen, als sie aus der UdSSR ausschied – das sei angemerkt. Die Ukraine nahm dieses Recht für sich in Anspruch, und den Bewohnern der Krim wird es verwehrt. Aus welchem Grund?

Außerdem stützte sich die Regierung der Krim auf den bekannten Präzedenzfall mit Kosovo, ein Präzedenzfall, den unsere westlichen Partner selbst geschaffen haben, quasi mit eigenen Händen, und zwar in einer Lage, die der in der Krim ganz analog ist; man erklärte die Trennung des Kosovo von Serbien für legitim und versuchte die Beweisführung, dass es keines Einverständnisses der Zentralmacht für solche unilateralen Unabhängigkeitserklärungen bedürfe. Der Internationale Gerichtshof der UN hat auf Grundlage von Artikel 1 Punkt 2 der UN-Charta sein Einverständnis damit erklärt und in seiner Entscheidung am 22. Juli 2010 folgendes erklärt. Ich zitiere wörtlich: „Es besteht kein allgemeines Verbot einseitiger Unabhängigkeitserklärungen, das aus der Praxis des Sicherheitsrates resultieren würde“ – und weiter: „Das allgemeine Völkerrecht beinhaltet keinerlei anwendbares Verbot von Unabhängigkeitserklärungen“. Wie man so schön sagt, alles glasklar.

Ich mag es nicht besonders, Zitate anzubringen, aber kann doch nicht davon absehen, noch einen Auszug aus einem offiziellen Dokument zu bringen, diesmal ist das ein schriftliches Memorandum der USA vom 17. April 2009, das diesem Internationalen Gerichtshof im Zusammenhang mit der Anhörung zu Kosovo vorgelegt wurde. Wieder Zitat: „Unabhängigkeitserklärungen können, wie das auch häufig passiert, das innere Recht verletzen. Aber das bedeutet nicht, dass dadurch das Völkerrecht verletzt wird“. Zitat Ende. Sie haben es selbst geschrieben, der ganzen Welt verkündet, alles zurechtgebogen, und nun regen sie sich auf. Worüber denn? Das, was die Bewohner der Krim tun, passt exakt in diese Instruktion – eine solche ist es ja faktisch. Das, was die Albaner im Kosovo (denen wir mit Achtung begegnen) dürfen, wird den Russen, Ukrainern und Krimtataren auf der Krim verwehrt. Wieder die Frage: Warum?

Von genau den gleichen – von den Vereinigten Staaten und von Europa – hören wir, dass Kosovo angeblich ein Sonderfall gewesen sei. Worin besteht denn das Besondere nach Meinung unserer Kollegen? Es stellt sich heraus, dass es darin besteht, dass es im Verlauf des Kosovokonflikts viele menschliche Opfer gegeben hat. Was ist das denn – ein juristisches Argument? In der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ist davon überhaupt keine Rede. Wissen Sie, das sind schon nicht einmal mehr doppelte Standards. Das ist ein frappierend primitiver und unverhohlener Zynismus. Es kann doch nicht sein, dass man alles so grob für seine Interessen zurechtbiegt, ein und dieselbe Sache heute „schwarz“ und morgen „weiß“ nennt. Denn soll daraus etwa folgen, dass man einen jeden Konflikt bis zu menschlichen Opfern vorantreiben muss?"
Dann geht der Präsident auf die Entwicklung der Weltordnung und die Position Rußlands in dieser ein:
"Im Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine spiegelt sich all das, was derzeit, aber auch bereits in den vergangenen Jahrzehnten in der Welt passiert. Nach dem Verschwinden der bipolaren Welt ist diese Welt nicht etwa stabiler geworden. Wichtige und internationale Institutionen erstarken nicht, im Gegenteil, häufig ist es so, dass sie an Bedeutung verlieren. Unsere westlichen Partner, allen voran die Vereinigten Staaten, ziehen es vor, in ihrer praktischen Politik nicht vom Völkerrecht, sondern vom Recht des Stärkeren Gebrauch zu machen. Sie glauben an ihre Erwähltheit und Exklusivität, daran, dass sie die Geschicke der Welt lenken dürfen und daran, dass immer nur sie allein Recht haben können. Sie handeln so, wie es ihnen einfällt: mal hier, mal da wenden sie Gewalt gegen souveräne Staaten an, bilden Koalitionen nach dem Prinzip „wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“. Um ihren Aggressionen das Mäntelchen der Rechtmäßigkeit zu verleihen, erwirken sie entsprechende Resolutionen bei internationalen Organisationen, und wenn das aus irgendeinem Grunde nicht gelingt, dann ignorieren sie sowohl den UN-Sicherheitsrat, als auch die UNO als Ganzes. [...]

Es gab auch eine ganze Serie an gesteuerten „farbigen“ Revolutionen. Es ist klar, dass die Menschen in den Ländern, in denen sie passierten, müde waren von der Tyrannei, von der Armut, von der Perspektivlosigkeit, doch diese Gefühle wurden zynisch ausgenutzt. Diesen Ländern wurden Standards aufgezwungen, die in keinerlei Weise den Lebensweisen, den Traditionen oder der Kultur dieser Völker entsprachen. Im Endeffekt herrscht anstelle von Demokratie und Freiheit das Chaos, Gewalt und eine Abfolge an Staatsstreichen. Der „Arabische Frühling“ wurde zum „Arabischen Winter“.
Ein ähnliches Szenario kam in der Ukraine zur Anwendung. Im Jahr 2004 erfand man eine von der Verfassung nicht vorgesehene dritte Runde bei den Präsidentschaftswahlen, um den genehmen Kandidaten damit durchzubringen. Das ist ein Absurdum und ein Hohn gegenüber der Verfassung. Jetzt wurde eine vorab ausgebildete, gut ausgerüstete Armee aus bewaffneten Radikalen in das Szenario eingebracht.

Wir verstehen sehr gut, was hier abläuft, wir wissen, dass diese Aktionen sowohl gegen die Ukraine, als auch gegen Russland gerichtet waren, ebenso auch gegen eine Integration im eurasischen Raum. Und das während einer Zeit, in der Russland aufrichtig um Dialog mit unseren Kollegen im Westen bemüht war. Wir schlagen ständig Kooperation in Schlüsselfragen vor, wir wollen das gegenseitige Vertrauen fördern, wir wünschen, dass unsere Beziehungen auf Augenhöhe stattfinden, dass sie offen und ehrlich seien. Aber wir sehen keinerlei Entgegenkommen.
Im Gegenteil, wir wurden Mal ums Mal betrogen, es wurden Entscheidungen hinter unserem Rücken getroffen, man stellte uns vor vollendete Tatsachen. So war es mit der NATO-Osterweiterung, mit der Installation von militärischer Infrastruktur an unseren Grenzen. Uns wurde immer ein und dasselbe erzählt: „Na, das hat nichts mit euch zu tun.“ Es ist leicht gesagt, es habe nichts mit uns zu tun.
So war es auch mit der Entfaltung der Raketenabwehrsysteme. Ungeachtet all unserer Befürchtungen bewegt sich die Maschinerie vorwärts. So war es auch mit dem endlosen In-die-Länge-Ziehen der Verhandlungen zu Fragen der Visafreiheit, mit den Versprechen eines ehrlichen Wettbewerbs und eines freien Zugangs zu den globalen Märkten. [...]

Kurz, wir haben allen Grund zu der Annahme, dass die sprichwörtliche Eindämmungspolitik gegen Russland, die sowohl im 18., im 19. und im 20. Jahrhundert betrieben wurde, auch heute noch fortgeführt wird. Man versucht ständig, uns in irgendeine Ecke zu drängen, und zwar dafür, dass wir eine unabhängige Position vertreten, dafür, dass wir diese verteidigen, und dafür, dass wir die Dinge beim Namen nennen und nicht heucheln. Im Falle der Ukraine haben unsere westlichen Partner eine Grenze überschritten, handelten grob, verantwortungslos und unprofessionell.
Sie waren doch ausgezeichnet im Bilde darüber, dass sowohl in der Ukraine, als auch auf der Krim Millionen russischer Menschen leben. Wie sehr muss man denn politisches Feingefühl und Augenmaß eingebüßt haben, um die Folgen seiner Handlungen nicht vorauszusehen? Russland ist an eine Grenze gelangt, hinter die es nicht mehr zurück konnte. Wenn man eine Feder bis zum Anschlag zusammendrückt, wird sie sich irgendwann einmal mit Gewalt ausspannen. Dessen sollte man immer gewahr sein.

Heute ist es notwendig, die Hysterie abzustellen, die Rhetorik aus Zeiten des Kalten Kriegs zu beenden und eine offensichtliche Sache anzuerkennen: Russland ist ein selbständiger, aktiver Faktor der internationalen Gemeinschaft, es hat, wie andere Länder auch, nationale Interessen, die man berücksichtigen und achten muss."
Dann geht es um die Rolle der NATO:
"Ich möchte ebenso daran erinnern, dass es in Kiew bereits schon Erklärungen über einen Beitritt der Ukraine zur NATO gegeben hat. Was würde diese Perspektive für die Krim und Sewastopol bedeuten? Es würde bedeuten, das in einer Stadt der russischen militärischen Ehre die NATO-Flagge weht, dass es eine Bedrohung für den gesamten Süden Russlands gäbe – keine vorübergehende, sondern eine ganz konkrete. Alles, was hätte passieren können, ist eben das, was hätte passieren können, gäbe es die Wahl der Bewohner der Krim nicht. Dafür sei ihnen großer Dank.
Übrigens sind wir nicht gegen eine Zusammenarbeit mit der NATO, ganz und gar nicht. Wir sind dagegen, dass eine Militärallianz – und die NATO ist und bleibt bei allen internen Prozessen immer noch eine Militärallianz – vor unserem Zaun, an unserem Haus und auf unseren historischen Territorien das Sagen hätte. Wisst ihr, ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass wir nach Sewastopol zu Besuch bei NATO-Seeleuten fahren. Sie sind übrigens überwiegend ganz wunderbare Jungs, aber sollen sie lieber nach Sewastopol zu uns zu Besuch kommen, als wir zu ihnen."
Und auch die geplanten Gegenschläge des Westens werden bedacht:
"Wir werden es mit Sicherheit auch mit äußeren Gegenmanövern zu tun bekommen, doch wir müssen für uns selbst entscheiden, ob wir dazu bereit sind, unsere nationalen Interessen konsequent zu verteidigen, oder ob wir sie mehr und mehr aufgeben und uns wer weiß wohin zurückziehen. Manche westliche Politiker schrecken uns bereits nicht nur mit Sanktionen, sondern auch mit der Perspektive einer Verschärfung der inneren Probleme. Es wäre interessant zu erfahren, was sie damit meinen: Aktivitäten einer gewissen „Fünften Kolonne“ – also verschiedener „Vaterlandsverräter“ – oder rechnen sie damit, dass sie die soziale und wirtschaftliche Lage Russlands verschlechtern können und damit eine Unzufriedenheit der Menschen hervorrufen? Wir betrachten solche Verlautbarungen als unverantwortlich und offen aggressiv, und werden entsprechend darauf reagieren. Dabei werden wir selbst niemals nach einer Konfrontation mit unseren Partnern – weder in Ost, noch in West – streben; ganz im Gegenteil, wir werden alles Notwendige unternehmen, um zivilisierte, gutnachbarliche Beziehungen aufzubauen, so, wie es sich in der heutigen Welt gehört."
Die Zeit der Demütigung und des Rückzugs ist für Rußland vorbei. Nationale (Sicherheits-)Interessen werden nicht nur formuliert, sondern auch verteidigt. Eine Unterwerfung unter einseitig vom Westen gemachte Regeln wird es nicht mehr geben. Zusammenarbeit sehr gerne, aber keine Subordination.

Dagegen helfen weder Schnappatmung noch Sanktionen, denn Volk und Regierung sind sich, wie alle Meinungsumfragen belegen, einig und die realen Fähigkeiten der RF sind weitaus besser als es sich der Westen jahrzehntelang eingeredet hat. Mit Staunen blicken z.B. US-Offiziere auf die Handlungen des rußländischen Militärs und der örtlichen Selbstverteidigungskräfte auf der Krim. Diese Schnelligkeit, Präzision, Geheimhaltung und Professionalität, verbunden mit praktisch keinen Verlusten, hätten sie nicht erwartet. Das steht schon in krassem Gegensatz zur Blutspur der NATO.


Das Budapester Memorandum

Der Rußländischen Föderation ist vorgeworfen worden, sie hätte durch die Aufnahme der Republik Krim in ihren Staatsverband das sog. Budapester Memorandum aus dem Jahre 1994 verletzt. Allerdings ist dieses Memorandum kein völkerrechtlicher Vertrag und von keinem der Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden, nicht einmal von der Ukraine selbst. Folglich ist es rechtlich nicht bindend - genau so unverbindlich, wie die 1990 gemachten Zusagen der NATO-Staaten, das Militärbündnis nicht nach Osten erweitern zu wollen.

Ein solches unverbindliches Dokument ist zudem nicht fähig, das in mehreren völkerrechtlichen Verträgen wie der UN-Charta und dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auszuhebeln. Das würde auch gelten, falls das Memorandum tatsächlich ein Vertrag wäre. Einige Beispiele: Im Jahre 1975 wurde die Schlußakte von Helsinki u.a. von der DDR, der Tschechoslowakei und Jugoslawien unterzeichnet. Keines dieser ehemaligen Völkerrechtssubjekte existiert heute noch, obwohl sie zahlreiche internationale Verträge geschlossen hatten. Die Geschichte ist über diese Staaten hinweggegangen.

Ferner sollten sich jene Staaten, die einen angeblichen Völkerrechtsverstoß durch Rußland behaupten, an die eigene Nase fassen. Denn sie selbst haben das Memorandum verletzt, indem sie einen Staatsstreich initiierten, was eine Verletzung der Souveränität der Ukraine war.

(Des weiteren ist es absurd, wenn in diesem Kontext behauptet wird, die Ukraine habe 1994 auf ihre Atomwaffen verzichtet. Das Land hatte zu keinem Zeitpunkt eigene Atomwaffen. Nach der Auflösung der UdSSR unterstanden alle strategischen Streitkräfte der RF. Es waren also lediglich rußländische Atomwaffen zeitweise auf ukrainischem Staatsgebiet stationiert. Eine andere Lösung hätten die USA und ihre "Partner" seinerzeit auch gar nicht zugelassen.)

Diplomatieunfähigkeit

Gäbe es in der EU heute einen Bismarck, dann wäre die Ukraine-Krise schon einer Lösung, vergleichbar etwa dem Berliner Kongreß von 1878, zugeführt worden. Stattdessen gebärden sich USA und EU kompromißlos und bestehen weiterhin auf ihrer Vormachtstellung, der sich Rußland und die Einwohner der Südostukraine zu fügen hätten. Sie sehen die Ukraine als Beute an, die sie sich von Rußland nicht wegnehmen lassen wollen. In der deutschen Presse war im Zusammenhang mit den verhängten Sanktionen wörtlich davon die Rede, die RF müsse "bestraft" werden. D.h. Kanzlerin Merkel wird nicht nur als Regierungschefin der BRD, sondern als oberste Richterin Europas gesehen, deren Verdikt sich alle unterordnen müssen. Diese irreale Wahrnehmung gibt es auch in den USA. Was gut für Amerika ist, ist gut für die Welt.

Die daraus folgende Selbstüberschätzung führt freilich zu einer strukturellen Dilomatieunfähigkeit des Westens. Denn er kann nicht verhandeln, sondern nur diktieren; in anderen Staaten sieht er weniger Verhandlungspartner als vielmehr Befehlsempfänger, deren Wohl und Wehe allein von seiner Gnade abhängt. Dieser Ansatz ist heute endgültig gescheitert. Doch es fällt den politischen Eliten in der EU und Nordamerika sehr schwer, dies einzusehen. Vielfach dominieren auch heute noch überlebte Vorstellungen einer hierarchischen, unipolaren Weltordnung. Doch je mehr sich die Welt weiterentwickelt und je wichtiger Asien und Lateinamerika werden, desto stärker wird der Westen weiter an Bedeutung verlieren. Von einer westlichen Dominanz kann schon heute keine Rede mehr sein. Die multipolare Welt ist kein Wunschtraum, sondern Realität. Es wird Zeit, daß sich unsere Außenministerien daran gewöhnen.

(Die Diplomatieunfähigkeit ist im Syrienkonflikt ebenfalls deutlich zu Tage getreten. Während das Moskauer Außenministerium unermüdlich sowohl mit der Regierung in Damaskus als auch mit Vertretern der verschiedenen Oppositionsgruppen verhandelt hat, war aus dem Westen immer nur die Forderung "Assad muß weg" zu hören. Daß man damit angesichts des Rückhaltes, den Assad nach wie vor in seinem Land genießt, keinen Erfolg haben konnte, ist mittlerweile offenkundig. Zudem hat sich der Westen nun ein neues Islamistenproblem geschaffen, welches auf ihn selbst zurückfallen wird.)

Zudem hat die EU, wie die letzten Wochen gezeigt haben, nunmehr fast jegliche Eigenständigkeit auf der internationalen Bühne aufgegeben und ist zu einem Anhängsel der USA geworden. Washington wird sich darüber freuen, viele Europäer hingegen nicht.

Die Krim zwischen der Ukraine und Rußland. Merkel spricht:
"Verfluchte Barbaren! In der zivilisierten Welt entscheidet der
schwarze Herrscher darüber, wer mit wem zusammenlebt."

Neuer Gaskonflikt

Unterdesssen ist das Kiewer Regime erneut auf Konfrontationskurs gegangen. Ein Rada-Abgeordneter hatte letzte Woche stolz verkündet, er brauche die russische Sprache nur, um Gefangene zu vernehmen. Doch am letzten Freitag weilte eine Delegation des ukrainischen Gasversorgers Naftogas in Moskau und die Unterredungen wurden selbstverständlich in russischer Sprache geführt. Naftogas hat nicht nur mitgeteilt, daß die geschuldeten Zahlungen für bereits erbrachte Gaslieferungen in Höhe von aktuell 2 Milliarden US-Dollar nicht geleistet werden können. Nein, man wollte darüber hinaus von Rußland einen weiteren Kredit über 2 bis 3 Milliarden USD erhalten - Rückzahlung völlig ungewiß.

Dann hat Jazenjuk stolz verkündet, daß er kein Erdgas mehr aus der RF beziehen wolle, weil der neue Preis zu hoch sei. Außerdem sollen vorerst keine Gasschulden beglichen werden. Stattdessen soll die EU, insbesondere die Slowakei, einspringen. Nach dem Willen Kiews soll rußländisches Erdgas, welches die Slowakei bezieht, in die Ukraine zurückgeleitet werden.

Das stößt zum einen auf technische Schwierigkeiten, denn es ist fraglich, inwieweit dafür die Pipelines, die für den Gastransport nach Westen gedacht sind, genutzt werden können. Deswegen hat gestern die slowakische Regierung die Junta in Kiew schon der Lüge bezichtigt. Die Sloawkei sei mitnichten bereit, sofort Erdgas zur Verfügung zu stellen. Man könne dies zwar tun und beginne schon mit einigen Vorbereitungen, doch müsse zunächst geklärt werden, wer die technischen Maßnahmen finanziert. Ferner möge Kiew darlegen, wie es denn für das aus der Slowakei bezogene Gas bezahlen wolle, Geschenke gebe es nicht. Und drittens dürfte das gesamte Rückleitungskonstrukt an Rechtsproblemen scheitern, denn in den Verträgen zwischen Gasprom und seinen Geschäftspartnern in der EU ist ein Weiterverkauf des aus Rußland bezogenen Erdgases ausgeschlossen.

Nun beklagen sich die Putschisten darüber, daß der seit dem 1. April geltende Preis von Gasprom zu viel hoch sei, deutlich höher als die für die EU-Staaten geltenden Preise. Insofern dürfen drei wichtige ASpekte nicht vergessen werden. Erstens ergibt sich die Berechnung des Preises aus dem 2009 geschlossenen Vertrag, an dessen Aushandlung u.a. Julia Timoschenko beteiligt war. Zweitens haben Energieversorgungsunternehmen aus der EU selbst Geld in Rußland investiert, es existieren zahlreiche gemeinsame Projekte wie etwa die North-Stream-Pipeline durch die Ostsee. Und drittens bezahlen die Abnehmer in der EU regelmäßig ihre Rechnungen, ohne öffentlich angemahnt werden zu müssen. Das ist wie auf dem Kreditmarkt: Je höher das Ausfallrisiko, desto höher der Preis (bzw. die Zinsen), damit überhaupt ein bißchen Geld in die Kasse kommt, sofern der Kunde ausnahmsweise einmal liquide ist.

Und weil das neue Regime in Kiew seinen eigenen Verlautbarungen zufolge keinen Wert auf ein gutes Verhältnis zu Rußland legt, hat Moskau auch keinen Grund mehr, aufgrund brüderlicher Gefühle das von der Ukraine verbrauchte Erdgas zu subventionieren. Dies um so mehr, als 50 % der Aktien von Gasprom nicht dem Staat, sondern privaten Aktionären gehören, darunter auch ausländische Teilhaber. Diese Privatpersonen können weder von den USA noch von der EU dazu verpflichtet werden, die ukrainische Wirtschaft zu fördern.

Zudem darf nicht vergessen werden, daß Rußland durch seine Kredite in den vergangenen Monaten die Ukraine vor dem totalen finanziellen Kollaps bewahrt hat, was auch von der IWF-Chefin Lagarde ausdrücklich gewürdigt wurde. (Soviel zum Märchen, die bösen Russen wollten die armen Ukrainer versklaven.) Währenddessen haben die westlichen Regierungen, die den Staatsstreich aktiv gefördert haben, ihren Vasallen in Kiew bis jetzt noch keine nennenswerte Finanzhilfe zur Verfügung gestellt. Das ist ein weiteres Paradoxon der gegenwärtigen Lage!

Gleichwohl hat Präsident Putin am Freitag betont, daß Gasprom der Ukraine nicht das Gas "abdrehen" werde. Trotzdem müßten sich nun die EU-Mitgliedsstaaten bewegen und rasch mit Rußland und anderen Staaten zu einer Konferenz zusammentreten, damit die Ukraine vor dem vollständigen ökonomischen Chaos bewahrt werde. Trotzdem wird die Ukraine ab sofort nur noch soviel Erdgas erhalten, wie sie tatsächlich bezahlt hat, sprich: Lieferung per Vorkasse. Auch das ist eine durchaus marktübliche Praxis.

(Mehr zum Thema Erdgas hier und hier.)


Vorschläge Rußlands und die aktuelle Situation

Die rußländische Regierung hat zur Lösung der Ukraine-Krise folgende Vorschläge unterbreitet:

1. Durchführung von Volksabstimmungen in allen Regionen des Landes über den zukünftigen Status der jeweiligen Region. D.h. Regionen, die sich vom ukrainischen Gesamtstaat lösen wollen, können das auf geordnete und zivilisierte Weise tun. Oder, wenn sie in der Ukraine verbleiben wollen, können die Bürger für einen Übergang des Landes zu einer föderalen Staatsordnung votieren.

2. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, welche dazu führen soll, daß die strukturellen innenpolitischen Probleme, Blockaden, Schlägereien im Parlament usw., die es während der letzten 23 Jahre ständig gab, aufhören. Danach soll die neue Verfassung ebenfalls in einem Referendum bestätigt werden.

3. Die neue Verfassung sollte folgendes beinhalten: Festschreibung der Rechte der nichtukrainischen Bevölkerungsteile (insbesondere staatlicher Status der russischen Sprache); sehr weitgehende Föderalisierung des Landes, damit die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nach ihren eigenen Vorstellungen leben können und keine die andere dominiert oder gar unterdrückt; wie bisher, so soll auch zukünftig die Blockfreiheit der Ukraine verfassungsrechtlich abgesichert sein (also kein Beitritt zur NATO).

4. Nach Verabschiedung der neuen Verfassung Neuwahlen für alle Staatsorgane, damit diese wieder eine zweifelsfreie demokratische Legitimation erhalten. Eine isolierte Neuwahl des nach der Verfassung von 2004 (die jetzt angeblich wieder gelten soll) weitgehend machtlosen Präsidenten am 25. Mai sei hingegen sinnlos.

Das sind angesichts der derzeitigen Lage in der Ukraine sehr vernünftige Ansätze. Bemerkenswert ist, daß der angebliche "Unrechtsstaat" Rußland auf der Durchführung von Volksabstimmungen besteht, während die sog. "Demokratien" des "freien Westens" solche Abstimmungen nicht zulassen wollen, sondern darauf beharren, daß der von ihnen initiierte Putsch legal und legitim sei.

Leider haben Vertreter der Putschisten diese Vorschläge schon weitgehend zurückgewiesen. Aber immerhin deutet sich jetzt das langsame Aufkeimen einer gewissen Verhandlungsbereitschaft an, denn nächste Woche soll in der Schweiz eine erste Konferenz mit der Teilnahme des Kiewer Regimes, der USA, der EU und Rußlands beginnen. Moskau besteht zudem darauf, daß auch Vertreter der Südostukraine an den Verhandlungen teilnehmen, denn die Junta repräsentiere nur die Bürger der West- und Zentralukraine. Man wird sehen, wie dieses Spiel in den nächsten Tagen weitergehen wird.

Die aktuellen Ereignisse in Donezk und Lugansk haben heute dazu geführt, daß "Premierminister" Jazenjuk überraschend nach Donezk gereist ist. Dort hat er sich zwar mit einigen Politikern und Oligarchen aus der Region getroffen, doch Vertreter der Aufständischen waren nicht darunter. Jazenjuk selbst hat dort zwar auch Russisch gesprochen und diverse Versprechungen gemacht (ein landesweites Referendum war nicht darunter), doch ist der Mann bekannt dafür, daß sich seine Meinung sehr schnell ändern kann. (Das hat er mit Steinmeier gemein.) Die Bürger der Südostukraine sind jedenfalls skeptisch und in den beiden Städten denkt niemand ans Aufgeben, solange keine substanziellen Zusagen auf dem Tisch liegen.

Auch heute war in der Obersten Rada wieder die Rede von "Erschießungen" und anderen Gewaltakten gegen die Einwohner von Donezk und Lugansk. Die Anhänger der "europäischen Integration" leiden offenbar unter besonderen Gewaltphantasien. Allerdings rennt ihnen die Zeit davon. Gestern hat die Spezialeinheit "Alfa" des SBU sich geweigert, die besetzten Verwaltungsgebäude zu stürmen. Zwanzig Prozent der Polizeibeamten in Donezk haben bereits den Dienst quittiert, ein Teil ist zu den Aufständischen übergegangen. Der Junta fehlt es zunehmend an qualifiziertem Personal zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen. In der Armee sieht es noch schlechter aus. Schlecht ausgerüstet, schlecht versorgt und mit einem Kampfgeist, der in vielen Einheiten gegen Null geht. Kaum ein Soldat ist bereit, gegen seine Mitbürger vorzugehen oder gegen Rußland Krieg zu führen, aller Propaganda der westukrainischen Nationalisten zum Trotz.

Realistischerweise haben die Putschisten im Prinzip nur noch zwei Optionen: Entweder stimmen sie den von den Bürgern der Südostukraine sowie Rußland erhobenen Forderungen zu. Dann kann die Krise einigermaßen friedlich gelöst werden, auch wenn sich einige Regionen in den Referenden für ein Ausscheiden aus dem ukrainischen Staat aussprechen sollten. Oder aber sie verbauen sich diesen Weg und schlagen den Aufstand gewaltsam nieder. Doch einem Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung der Südostukraine, wie ihn manche Vertreter der Putschisten offen fordern, wird die RF nicht tatenlos zusehen. Mithin käme es dann zum Einmarsch rußländischer Truppen.

Egal für welche Option sie sich entscheiden, die Junta hat durch ihre eigene Politik und gestützt auf ihre ausländischen Sponsoren, den ukrainischen Staat in seiner bisherigen Form und Gestalt zerstört. Und zwar endgültig. Daran können auch die Verrenkungen westlicher Politiker nichts mehr ändern.

Obama bei seinem Psychologen. Er phantasiert: "Russische Panzer auf der Krim!
Russische Panzer auf der Krim!" Sein Arzt sagt: "Was für reichhaltige Halluzinationen!
Irak, Libyen und Afghanistan haben ihn nicht krank gemacht."

Innere Probleme der Putschisten

Man könnte vielleicht meinen, die Lage in der West- und Zentralukraine, wo sich die politische Basis der Usurpatoren befindet, wäre ruhiger. Doch dem ist nicht so. z.B. wurde diese Woche in Lwow das Gebäude der Staatsanwaltschaft von Demonstranten gestürmt.

In Kiew gab es dieser Tage erneut Demonstrationen, diesmal gegen die Finanz- und Sozialpolitik der "Regierung". Um die Sparvorgaben des IWF zu erfüllen, wurden nicht nur Renten, Stipendien für Studenten und andere Leistungen gekürzt, sondern es wird auch massiv Personal im öffentlichen Dienst abgebaut. Allein im Geschäftsbereich des Innenministeriums 80.000 Stellen, in den sozialen Diensten müssen 18.000 Mitarbeiter ihren Hut nehmen usw. usf. D.h. daß in den nächsten Wochen hunderttausende Bürger der Ukraine ohne Beschäftigung und damit ohne Geld dastehen werden. Auch die Industrie hat Probleme, z.T. aufgrund der selbstverordneten Embargopolitik gegenüber Rußland. Die Griwna hat in den letzten Tagen gegenüber anderen Währungen massiv an Wert verloren, es wird eine Hyperinflation erwartet. Damit dürfte der Bankrott des Landes in nicht allzu ferner Zukunft eintreten.

Zugleich sind in Kiew und anderen Städten immer noch "Aktivisten" des "Euromaidan" versammelt, leben in ihren Zeltlagern und führen paramilitärische Übungen durch. Zugleich schimpfen sie offen darüber, daß sie kein Geld mehr bekommen, weil die neuen Machthaber sie nur benutzt haben, um sich selbst in Amt und Würden zu bringen. Jetzt fühlen sich die Maidan-Kämpfer fallengelassen, weil man ihrer nicht mehr bedarf. Die Oligarchen wollen auch sie nicht an der Macht sehen.

Man kombiniere diese beiden Faktoren und stelle sich vor, was in Kiew in einigen Wochen geschehen könnte. Nämlich neue, diesmal echte soziale Unruhen, getragen von verarmten Bürgern, Rentnern, Studenten und erfahrenen Maidan-Kämpfern, die dann wieder ein Ziel haben. Auch insofern befinden sich die Putschisten also in einer gewissen Zeitnot. Es könnte möglicherweise sogar zu einem Szenario kommen, was aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich erscheint: Bürger aus der West- und Zentralukraine sowie aus der Südostukraine schließen sich zusammen, um das derzeitige Regime zu verjagen und teilen danach ihren Staat auf.

Jedenfalls dürfte sich der Einfluß der Vaterlandspartei und Timoschenko und Jazenjuk demnächst stark verringern. In den Umfragen für die Präsidentenwahl liegt der Oligarch Poroschenko von der Partei Udar (Klitschko) deutlich vor der Oligarchin Timoschenko. Der drohende Einflußverlust könnte die Timoschenko-Fraktion zu drastischen Maßnahmen verleiten, um länger an der Macht zu bleiben. Eine solche Maßnahme könnte die Anzettelung eines internationalen Konflikts sein, zumal sich diese Partei der besonderen Förderung der USA erfreut.


Neuer Konfliktherd Transnistrien und Auswirkungen auf die GUS

Abschließend soll noch ein Blick in die Weiten Eurasiens geworfen werden. Aktuell hat sich ein neuer Konfliktherd in Transnistrien aufgetan. Das Gebiet hatte sich Anfang der 1990er Jahre von Moldawien abgespalten und lebte seither de facto selbständig, war jedoch von keinem anderen Staat anerkannt worden (siehe auch hier). Doch jetzt haben die ukrainischen Putschisten und Moldawien de facto eine Blockade über Transnistrien verhängt. Die Grenze zur Ukraine ist geschlossen. Das steigert natürlich die Spannungen und die Regierung Transnistriens hat deshalb schon mit dem Gedanken gespielt, ebenfalls der Rußländischen Föderation beitreten zu wollen. Auch andere Regionen Moldawiens sind vom Pro-EU-Kurs ihrer Regierung nicht begeistert und würden lieber der Zollunion beitreten.

Hier dürfte sich in den nächsten Monaten noch weiterer Konfliktstoff ergeben. Ein neuer Berliner Kongreß wäre möglicherweise dazu fähig, auch diesen bisher "eingefrorenen" Konflikt einer endgültigen Lösung, welche die Zustimmung der betroffenen Bürger findet, zuzuführen. Doch dafür fehlt den heutigen deutschen Diplomaten leider das Format.

Die Auswirkungen des "Euromaidans" auf die übrigen GUS-Staaten könnten ganz anders sein, als von Brüssel und Washington erhofft. So etwa in Aserbaidshan. Dort verhandelt man zwar noch mit der EU über ein Assoziierungsabkommen. Zudem befindet sich die Erdöl- und Erdgasförderung fest in westlicher Hand. Dennoch sind die ökonomischen Beziehungen an Rußland nach wie vor eng, nicht zuletzt durch den Export von Arbeitskräften. Spätestens seit dem Libyen-Krieg sollte man sich jedoch auch in Baku vor den angriffslustigen Westlern fürchten. Zwar hatte Ghaddafi den Wahlkampf des französischen Präsidenten Sarkozy finanziert, doch hat ihn das nicht vor dem Angriff der NATO bewahrt.

Ergo könnte sich Aserbaidshan stärker als bisher in Richtung Moskau orientieren. Denn die oben auszugsweise zitierte Rede Wladimir Putins vom 18. März enthielt eine verklausulierte Sicherheitsgarantie für die GUS-Staaten: Rußland wird, sofern von den Einheimischen gewünscht, nicht einfach zusehen, wie ihnen von außen mit Gewalt Standards aufgezwungen werden, die nicht ihrer Lebensweise, Kultur und Tradition entsprechen. Das dürfte das Ende der "farbigen Revolutionen" bedeuten.

Dies könnte für Georgien ebenfalls ein Grund sein, sich künftig wieder etwas stärker an die RF anzulehnen. Zwar scheint der politische Konsens in Georgien, unabhängig von den jeweils an der Macht befindlichen Parteien, recht eindeutig auf eine Integration in EU und NATO hinzudeuten. Doch ist die innenpolitische Lage im Augenblick ähnlich der Ukraine 2010: Im vergangenen Jahr ist Michail Saakaschwili von seinem Volk abgewählt worden. Kurz danach tauchte er in Kiew auf, um bei einer neuen Revolution mitzuwirken. Nach Auskunft georgischer Militärkreise waren vier Scharfschützen aus Georgien, die früher zu Saakaschwilis Leibwächtern gehört hatten, in Kiew am Massaker des 20. Februar beteiligt.

Zudem ist Saakaschwili ein eindeutiger Agent der USA, die sich mit seiner Abwahl wohl nicht abfinden können. Der Ex-Präsident ist in ein Ermittlungsverfahren involviert, in dem es um die Tötung eines Politikers während seiner Amtszeit geht. Er weigert sich jedoch, nach Tiflis zu reisen, um dort mit den Ermittlern zu sprechen. Zudem wurden in der georgischen Hauptstadt bereits Emissäre aus der Ukraine festgestellt. Deshalb geht man in Tiflis davon aus, daß dort in den nächsten Monaten nach den Kommunalwahlen der nächste "Maidan" angezettelt werden könnte, der das Ziel verfolgt, Saakaschwili wieder an die Macht zu bringen. Sicher kein beruhigendes Szenario für die gewählte Regierung.

Ansonsten steht die Republik Belarus ganz oben auf der Abschußliste des Westens. Doch erscheint das Land, anders als die Ukraine, zu gefestigt, als daß es einem ähnlichen Angriff erliegen würde. Die Phantasie mancher westlicher Politiker, einen Maidan auf dem Roten Platz in Moskau anzuzetteln, ist ähnlich absurd. Zwar plant die marginale, aus dem Ausland unterstützte "außersystemische Opposition" schon wieder große Auftritte. Doch ihr Ansehen in der Bevölkerung geht mittlerweile gegen Null. Nawalnyj, auf den noch vor einigen Monaten viele ausländische Beobachter große Hoffnungen gesetzt hatten, ist nach seiner Mitwirkung bei der Ausarbeitung der US-Sanktionen gegen die RF politisch tot.

Resümee

So haben sich der "Euromaidan", die Unruhen und der Putsch in Kiew bereits jetzt zum Eigentor für die auswärtigen Sponsoren in den USA und der EU entwickelt. Die erhoffte Beute in Form der Ukraine werden sie nicht einfahren können. Entsprechend groß ist der Katzenjammer etwa in Polen, das schon angekündigt hat, eine dritte ukrainische Revolution nach 2004 und 2014 nicht unterstützen zu wollen. Und die Ausweitung der "Revolutionen" auf andere GUS-Staaten wird wohl nahezu zwangsläufig dazu führen, daß sich diese wieder enger an Rußland anschließen - also genau das tun, was durch die ganzen Manöver eigentlich verhindert werden sollte. In Gestalt der Zollunion, der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und der OVKS stehen geeignete Instrumente für diesen Prozeß zur Verfügung.

Die einzigen, die von dem stärkeren Chaos in Eurasien profitieren könnten, sind die Vereinigten Staaten von Amerika. im Sinne ihrer Strategie von der "Verwaltung des Chaos" könnten sie sowohl Rußland als auch die EU gewissermaßen in Schach halten und damit ihren eigenen Abstieg hinauszögern. Fragt sich nur, ob die EU und ihre Bürger die ihnen in Washington zugedachte Rolle spielen wollen.


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Dienstag, 8. April 2014

Die Strafexpedition gegen die Südostukraine hat begonnen (UPD.)

Die Kiewer Junta hat letzte Nacht damit begonnen, den Volksaufstand der Südostukraine gewaltsam niederzuschlagen. Es gab Tote und Verletzte. Zuvor hatte "Präsident" Turtschinow angekündigt, daß gegen die Aufständischen mit Härte vorgegangen werde. "Premierminister" Jazenjuk will alle Demonstranten - und das sind Zehntausende - als "Teilnehmer von Massenunruhen" für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis stecken. Und die beiden Rada-Abgeordneten Ljaschko und Farion rufen sogar unverhohlen zur Ermordung der Südostukrainer auf (O-Töne in Videoform siehe hier und hier - gegen diese Politiker werden weder von den USA noch von der EU Sanktionen verhängt!). So startet ein Genozid.

Dabei können sich die Putschisten kaum auf die örtliche Polizei stützen. Diese ist entweder - zu einem kleinen Teil - zu den Aufständischen übergelaufen oder hat sich - zu einem größeren Teil - für neutral erklärt, d.h. die Beamten wollen nicht auf ihre Mitbürger und Nachbarn schießen. Daher hat "Innenminister" Awakow bereits erklärt, es werde in der Polizei der Südostukraine eine große Säuberung geben, weil das Personal im Sinne der Revolution unzuverlässig sei. Einige Beamte wurden bereits in Gewahrsam genommen; "ungehorsame" Polizeidienstellen werden z.T. von juntatreuen Kämpfern gestürmt.

Stattdessen wurden gestern in großem Umfang Polizeikräfte, Einheiten der Nationalgarde (= Maidan-Kämpfer) sowie andere Banditen, namentlich aus dem Rechten Sektor, aus der West- und Zentralukraine nach Charkow, Donezk und Lugansk verlegt (Video). Hinzu kommen offensichtlich - das hat Awakow ebenfalls zugegeben - Söldner von privaten Militärfirmen. Heute wurden in Charkow bewaffnete Kämpfer in schwarzen Overalls festgestellt, die angeblich zur MWD-Sondereinheit "Jaguar" gehören, untereinander jedoch Englisch gesprochen haben. Offenbar trauen die Putschisten und ihre ausländischen Sponsoren den ukrainischen Kräften nicht mehr - eine Befürchtung, die nicht unbegründet ist. Daher die direkte Unterstützung "on the ground".

Nun zu den einzelnen Brennpunkten:


Charkow

Dort war der Aufstand gegen die Putschisten, verglichen mit Donezk und Lugansk, relativ schwach und schlecht organisiert. Viele Bürger der Stadt scheuen offenbar gewaltsame Auseinandersetzungen. Daher konnte die Junta dort punkten. Das von den Bürgern besetzte Gebäude der Gebietsverwaltung wechselte während der Nacht mehrfach den Besitzer. Bei den Kämpfen gab es mehrere Verletzte. Am Morgen hatten Kämpfer des Rechten Sektors, der Nationalgarde sowie Polizisten aus Winniza, Poltawa und Sumy das Gebäude unter Kontrolle gebracht. Ein Teil der Besetzer hatte sich zuvor zurückgezogen, weshalb nur 70 von ihnen festgenommen werden konnten.

Die Gefangenen sind, so das Kiewer Innenministerium, ausschließlich Einwohner der Region Charkow. Soviel zur Behauptung der Junta und ihrer Medien, die Aufständischen wären keine ukrainischen Bürger, sondern rußländische Soldaten und Agenten. Die Inhaftierten - vielleicht sollte man angesichts der Gemengelage eher von Geiseln sprechen, denn eine funktionierende Justiz gibt es in der Ukraine nicht mehr, nachdem gestern der Rechte Sektor das Oberste Gericht in Kiew gestürmt hat - wurden in Gefängnisse in anderen Regionen verbracht, d.h. sie haben zur Zeit keinen Zugang zu einem Rechtsanwalt, auch sind ihre Namen nicht bekannt, ihre Familien wissen also nichts über ihre verhafteten Angehörigen. Es gab zudem mehrere Verletzte.


Im Laufe des heutigen Tages kam es in Charkow erneut zu kleineren Kundgebungen und Auseinandersetzungen. Das Stadtzentrum ist weitgehend abgeriegelt; in der Stadt patrouillieren Kämpfer mit Surmgewehren und MGs. Was dort zur Zeit abläuft, wird von der Junta offiziell als "Anti-Terror-Operation" eingestuft. D.h. jeder Demonstrant ist nicht nur ein Andersdenkender, sondern ein potentieller Terrorist. Während der Unruhen im Januar und Februar hatte es unter Präsident Janukowitsch keinerlei Anti-Terror-Operation gegeben.

Weitere aktuelle Videos aus Charkow: siehe hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Wie man darin sehen kann, ist der Widerstandsgeist der Bürger trotz der Repressionsmaßnahmen keineswegs erlahmt. Sie fordern weiterhin die Durchführung einer Volksabstimmung über die Zukunft ihrer Region. (Erstaunlicherweise gibt es keine Videos von dem entscheidenden Sturm am Morgen, obwohl vorher noch Livestreams gelaufen waren. Anscheindend wurden die Kameraleute als erste "neutralisiert".)


Donezk

Dort ist es bis jetzt erstaunlicherweie ruhig geblieben. Das Gebäude der Gebietsverwaltung ist nach wie vor in der Hand der Aufständischen. Die kurzzeitig besetzte SBU-Dienststelle wurde wieder geräumt, nachdem von dort Waffen und relevante Unterlagen abtransportiert worden waren. In der Nacht war es zu einer komischen Situation gekommen, als Junta-treue Rada-Abgeordnete sowie der Oligarch Achmetow auftauchten und das Kommando des Aufstands übernehmen wollten. Doch in der Republik Donezk beginnt man offenbar, sich von Einfluß der Oligarchen zu befreien.

Heute haben die Besetzer nach Verhandlungen einen Teil ihrer Waffen an kiewtreue Polizisten übergeben. Dafür wurden das Verwaltungsgebäude und seine Umgebung mit Barrikaden gesichert (siehe obiges Video). Heute war das Gebäude, zumindest zweitweise, ohne Strom und Wasser. Am Abend haben dort mehrere tausend Bürger versammelt. Für die Nacht oder den frühen Morgen wird mit einem Sturm gerechnet, denn die Junta hatte bereits gestern umfangreiche Kräfte und Mittel nach Donezk gebracht, darunter nicht nur Kämpfer, sondern auch Panzerfahrzeuge. Es sollen mehrere hundert, mit Schußwaffen ausgestattete Kämpfer auf ihren Einsatzbefehl warten, denen gesagt wurde, daß es keine Paragraphen für die Tötung von Separatisten gebe. (Gestern hatte Awakow verlautbaren lassen, er wolle nicht schießen lassen.) Doch die Donezker Aufständischen sind zum Teil bewaffnet, was das Unterfangen der Putschisten schwieriger macht.

(In diesem Amateurvideo aus Donezk kann man übrigens die ARD bei der Arbeit sehen. Der WDR-Journalist beschimpft die Bürger ganz im Stil der Junta als Separatisten.)


Lugansk

Hier steht die Sache der Aufständischen am besten. Ehemalige Offiziere und Afghanistanveteranen haben die Organsiation übernommen und bilden den Kern der Selbstverteidigungskräfte. Diese sind mit erbeuteten SBU-Waffen ausgestattet. Das besetzte SBU-Gebäude ist gesichert, auf den Straßen der Stadt wurden von den Bürgern Barrikaden errichtet (siehe das Video über diesem Abschnitt). Mehrere hundert bis tausend Menschen befinden sich am SBU-Gebäude (siehe dieses Video vom Abend des 08.04.).

Daher dürfte die Junta in Lugansk am härtesten zuschlagen, um ein blutiges Exempel zu statuieren, welches die übrigen rebellischen Regionen abschrecken soll. Heute wurden Schützenpanzerwagen und möglicherweise auch Kampfpanzer in die Stadt verlegt. Zudem wurde in Teilen der Stadt der Strom abgeschaltet - typisches Zeichen für eine bevorstehende Attacke. Lugansk ist, ebenso wie Donezk, weitgehend von der Außenwelt abgeriegelt. Hierfür eignen sich die Kräfte der neugeschaffenen Nationalgarde, deren Kampfwert ansonsten ziemlich gering ist.


Nikolajew

In der südukrainischen Schiffbauerstadt waren die letzten 24 Stunden am blutigsten. Kämpfer des Rechten Sektors haben ein Zeltlager von Antimaidan-Aktivisten zerstört. Dabei wurden seitens der "europafreundlichen Neonazis" Schußwaffen und Pyrotechnik unmittelbar gegen unbewaffnete Menschen eingesetzt (siehe obiges Video). Im Ergebnis ist ein Bürger gestorben und weitere, angeblich bis zu zehn, wurden verletzt (siehe das Video unter diesem Abschnitt).

Währenddessen haben Polizeibeamte danebengestanden und haben untätig zugesehen. D.h. die Banditen haben im Einverständnis mit der Polizeiführung gehandelt. Mit anderen Worten: Die "demokratische" Junta in Kiew hat genau das gewollt. Heute haben die Kämpfer eine Fabrik in Nikolajew besetzt.


Odessa

Auch in der Hafenstadt am Schwarzen Meer hat das Putschisten-Regime seit gestern die Zügel angezogen. Erneut steht nicht die wenig zuverlässige Polizei in der ersten Reihe, sondern maskierten Schläger diverser Maidan-Banden. Im untenstehenden Video ist zu sehen, wie Mitglieder des Rechten Sektors einen jungen Mann, der ein Georgsband an der Jacke trägt, nicht nur zusammenschlagen, sondern zusammentreten. Das ist die widerliche Fratze der "westlichen Werte", die sich im Augenblick in der Ukraine zeigt.


Gestern haben in Odessa die Banditen im Namen der "europäischen Integration" die Losung "Moskali na noshi" skandiert (Videobeweis, ab 00:56). D.h. sie wollen alle russischsprachigen Einwohner der Ukraine, die sog. "Moskowiter", "ans Messer" bringen. Ein weiterer, offener Aufruf zum Völkermord!

Polizei und SBU sollen übrigens ihre Waffenlager in Odessa leeren und den Inhalt nach Kiew verbringen. Offenbar befürchtet man, daß die Waffen sonst jenen Bürgern, die nicht zur Unterwerfung bereit sind, in die Hände fallen könnten.

Die Angriffe auf Berichterstatter haben sich unterdessen verschärft. Am 7. und 8. April wurden nicht nur erneut Mitarbeiter russischsprachiger Medien ausgewiesen, sondern auch ein Kameramann der ARD, der über den Flughafen Donetsk einreisen wollte, sowie ein Reporter der Zeitschrift Forbes. Journalisten, die noch in der Region tätig sind, arbeiten oft unter halbkonspirativen Bedingungen, sofern sie nicht, wie die meisten deutschen Medien, offen auf seiten der Junta stehen. Offenkundig sind die Putschisten nervös und wollen bei ihrer Strafexpedition gegen die Südostukraine möglichst wenig Augenzeugen.

Wir erinnern uns an den Januar und Februar, als die heutigen Minister selbst noch Aufständische waren. Damals hatten ausländische Regierungen zu ihren Gunsten offen interveniert, hatten gefordert, daß sie in besetzten öffentlichen Gebäuden bleiben können. Namentlich Außenminister Steinmeier hatte außerdem mehrfach intensiv die Amnestierung von Mördern und anderen Gewalttätern gefordert und diese letztlich auch durchgesetzt. Bleibt abzuwarten, wie sie fürderhin mit den Gewaltexzessen ihrer ukrainischen Kumpane umgehen werden.

Im Südosten wird es jedenfalls weiterhin Blutvergießen und Massenverhaftungen geben. Dafür sind die Maidan-Anhänger viel zu aufgehetzt. Sie leben in einer Psychose und wollen alle Bürger, die anderer Meinung als sie sind, einfach nur noch umbringen oder, sofern sie Gnade walten lassen, zumindest für lange Jahre inhaftieren.


Nachtrag (9. April, 16:00)

In Charkow hat sich heute eine paradoxe Situation ergeben. Etwa 300 Angehörige der Bereitschaftspolizei-Einheit "Berkut" sollten von Putschisten-treuen Kräften entwaffnet werden, weil sie sich geweigert hatten, gegen ihre eigenen Mitbürger vorzugehen. Um die Beamten zu schützen, haben sich heute Einwohner vor deren Kaserne versammelt und bilden dort eine Art lebenden Schutzschild.

Am Mittwochvormittag hat zudem "Innenminister" Awakow angekündigt, daß die Lage in der Ostukraine binnen 48 Stunden bereinigt werde, entweder durch Verhandlungen oder durch Gewalt. Daß das keine leeren Worte sind, zeigen diese Bilder von Schützenpanzern in Saporoshje, hunderte Kilometer von der Staatsgrenze entfernt. Auch aus dem Gebiet Donezk wird die neuerliche Verlegung von Panzertechnik gemeldet. Und in Lugansk wurden mehrere Krankenhäuser massiv mit frischen Medikamenten und Blutkonserven versehen.

Die Putschisten fühlen offenbar, daß ihnen die Luft ausgeht. Denn auch die Westukraine haben sie nur bedingt unter Kontrolle. Gestern haben Demonstranten in Lwow die Staatsanwaltschaft gestürmt. Hinzu kommt der neue Gaskrieg. Am Freitag hatte das Regime von Moskau einen neuen Kredit in Höhe von zwei bis drei Milliarden Dollar verlangt. Außerdem weigert sich Kiew, seine Gasrechnungen der letzten Monate zu bezahlen. Damit summieren sich allein die Gasschulden gegenüber Rußland auf 2 Milliarden USD. Ferner sollen die Putschisten heute angeblich verlautbart haben, sie würden demnächst kein rußländisches Erdgas mehr in Richtung EU weiterleiten. Anscheinend wollen sie wirklich einen großen Knall herbeiführen.


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Sonntag, 6. April 2014

Aufstand in Donezk, Lugansk und Charkow (2 UPDATES)

Wieder einmal überschlagen sich in der Ukraine die Ereignisse. Diesmal im Osten des Landes. Seit Februar kommt es dort samstags und sonntags regelmäßig zu Großdemonstrationen gegen die Putschisten in Kiew. Die Bürger fordern - zumeist friedlich, ohne Einsatz von Steinen oder Molotowcocktails (anders als auf dem "Euromaidan") - die Durchführung von Volksabstimmungen über die Zukunft ihrer Gebiete.

Bisher waren diese Aktionen auf die Wochenenden beschränkt, denn von Montag bis Freitag müssen die Menschen arbeiten gehen. (In der Westukraine ist das anders, dort steht aufgrund der höheren Arbeitslosigkeit mehr Personal zur Verfügung, das auch an Werktagen rebellieren kann.) Doch heute hat sich das geändert. Die üblichen Kundgebungen mündeten in die Besetzung von Verwaltungsgebäuden durch die Demonstranten, mit der Folge, daß unter den Usurpatoren in Kiew schon offene Panik ausgebrochen ist. Anscheinend fühlen sie, daß sich ihre Herrschaft dem Ende zuneigen könnte.


Der wichtigste Brennpunkt ist im Augenblick Donezk (siehe obiges Video). Dort wurde, nach einer Kundgebung mit etwa 25-30.000 Teilnehmern, im Laufe des Sonntags die Gebietsverwaltung besetzt. Zur Zeit sollen sich dort etwa 4.000 Bürger aufhalten. Trotz der Verhaftungswelle, die auch an diesem Wochenende wieder über die Region gerollt ist, war es den Menschen möglich, eine gewisse Organsation aufzubauen. Die örtliche Polizei ist dem Vernehmen nach entweder auf die Seite der Demonstranten übergegangen oder hat sich zurückgezogen und für neutral erklärt. Es gibt Berichte darüber, daß das Regime Spezialkräfte des SBU aus Kiew nach Donezk verlegt hat, die am Montag mit einem Sturm beginnen sollen. Offenbar wird die Stadt, auch wegen der symbolischen Bedeutung des Donbass, für besonders wichtig gehalten.

Zweiter Brennpunkt ist Lugansk (siehe das zweite Video). Dort gelang den Bürgern die Eroberung der Dienststelle des Ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU). Außerdem wurden weitere öffentliche Gebäude besetzt. Hier gelang auch die Befreiung einiger zuvor verhafteter Aktivisten aus dem Gefängnis. Auch in Lugansk scheint sich die Polizei mehr oder weniger in Agonie zu befinden. Leider gab es zwei Verletzte (ein Polizist und eine Demonstrantin).


In Charkow gab es tagsüber ebenfalls eine Kundgebung, am Abend wurde dort das Gebäude der Gebietsverwaltung besetzt. Zuvor hatte es einen Zwischenfall mit Kämpfern des Rechten Sektors gegeben. Die Polizisten sollen auch hier zum Teil auf der Seite der Demonstranten stehen. Der Rada-Abgeordnete Ljaschko will am Montag einige tausend Schläger nach Charkow schicken, um die Einwohner endgültig zu unterwerfen.

Auch aus Odessa und Cherson gab es am Sonntag neuerliche Demos.

Es bleibt abzuwarten, wie die nächsten Stunden und Tage verlaufen werden. In den drei Städten werden Barrikaden errichtet. Die Demonstranten machen jedenfalls nicht den Eindruck, als wären sie bereit, schnell nach Hause zu gehen. Dafür waren die Drohungen und Beleidigungen der letzten Tage und Wochen zu stark. Nicht nur die Verhaftungen, auch der Verlust des Arbeitsplatzes wegen Teilnahme an "separatistischen" Kundgebungen oder das erzwungene "Spenden" von Geld für den "Euromaidan" haben die Menschen verbittert. Dieser Tage hat der sog. Präsident Tutschinow im Fernsehen verkündet, daß die russische Sprache keinen staatlichen Status erhalten werde. Außerdem wurde die geforderte Föderalisierung des Landes abgelehnt. Diese Entscheidungen werden Folgen haben.

Am Montag sollen überall neue örtliche Verwaltungsorgane, die von der Junta unabhängig sind, gebildet werden. Doch den Putschisten läuft die Zeit davon; sie wissen, daß sie die Etablierung einer Gegenmacht nicht zulassen dürfen, denn sonst bricht ihre ohnehin dünne Legitimation endgültig zusammen. Daher ist mit dem Einsatz von Gewalt seitens SBU, Nationalgarde und Schlägerbanden zu rechnen. Ferner gibt es Meldungen, wonach der Oligarch Kolomojskij aus Dnepropetrowsk Teile seiner Privatarmee (vulgo: Söldner privater Militärfirmen) in die Ostukraine entsandt hat.

PS: Nachfolgend ein Video vom 4. April, das den deutschen Generalkonsul Detlef Wolter in Lugansk zeigt. Seine Gesprächspartner, die sog. "Vertreter der Zivilgesellschaft", waren ausschließlich Vertreter einer kleinen Minderheit, nämlich Anhänger des Euromaidan, die dem Konsul einreden, die Bürger der Region würden die Junta unterstützen. Das dem nicht so ist, dürfte am Sonntag deutlich geworden sein. Hier sieht man erneut, auf wessen Seite sich deutsche Diplomaten in der Ukraine einmischen:


Nachtrag 2 (7. April, 12:39 Uhr): Zunächst nach Donezk. Dort konnten die Demosntranten in der Nacht das Gebäude des SBU einnehmen. Heute Mittag hat sich ein neues Regionalparlament formiert und den unabhängigen Staat "Volksrepublik Donezk" in den Grenzen des Donezker Gebietes ausgerufen. Ein solcher Staat existierte bereits kurzzeitig im Jahr 1918. Für den 11. Mai ist eine Volksabstimmung über den Status der Region geplant.

Nun ins Baltikum. Heute hat die Regierung Lettlands die Ausstrahlung einiger russischsprachiger Fernsehkanäle verboten bzw. sie mit solch einem Verbot bedroht. Zuvor waren analoge Entscheidungen bereits in Litauen (ebenfalls EU- und NATO-Mitglied) sowie in der Ukraine getroffen worden. Pressefreiheit adé, jetzt kommt die offene Zensur im Namen der "westlichen Werte"!

Abschließend noch einmal nach Kiew. Dort haben Kämpfer des Rechten Sektors das Gebäude des Obersten Gerichts blockiert. Sie fordern eine "Lustration" (= Säuberung) der Justiz von Richtern, die keine Anhänger des "Euromaidan" und der "nationalen Revolution" sind.

Nachtrag 3 (7. April, 19:30 Uhr): Heute Abend soll auch in Charkow eine "Republik Charkow" ausgerufen worden sein. In Nikolajew wird zur Stunde das Gebäude der Regionalverwaltung von Atimaidan-Demonstranten bestürmt. In Lugansk hat sich im besetzten Gebäude des SBU eine "Partisanenabteilung" formiert, die zumindest über Handfeuerwaffen verfügt und gegen die Kiewer Junta kämpfen will, sollte diese nicht endlich auf die Wünsche der Bürger der Südostukraine eingehen (Referendum, Sprache, Blockfreiheit).

In Donezk hat sich die Lage am Abend verschärft. Dort sind aus Kiew einige Dutzend bewaffnete Kämpfer eingeflogen worden, möglicherweise zum Teil Söldner (siehe dazu das folgende Video, Schlagstöcke und Schilde sind nicht zu erkennen). Offenbar wird dort eine gewaltsame Niederschlagung und Unterwerfung der Bürger vorbereitet.
In die Stadt war am Nachmittag auch Julia Timoschenko geflogen, die die Idee einer Volksabstimmung erneut rundweg abgelehnt hat. "Präsident" Turtschinow hat eine "Anti-Terror-Operation" gegen die Demonstranten angekündigt. Den Bürgern werden wegen "Separatismus" Haftstrafen von 5 bis 8 Jahren angedroht. Selbst haben die Putschisten im Januar und Februar drei (!) Amnestiegesetze durchgedrückt, doch nun sind die "Demokraten" gnadenlos.



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Freitag, 4. April 2014

Die gescheiterte Anti-Rußland-Politik (1)


Die zurückliegenden Wochen haben gezeigt, daß der "Westen" sowohl in seiner Wahrnehmung Rußlands als auch in seiner daraus folgenden Politik gründlich daneben gegriffen und Eigentore geschossen hat. Nachfolgend einige Beispiele.

Olympische Spiele: Da das rußländische Volk und die von ihm gewählten Staatsorgane ihre inneren Verhältnisse nicht so eingerichtet haben, wie von einigen fremden Staaten gewünscht, wurden die Spiele von manchen Politikern boykottiert und von der westlichen Presse sytematisch schlechtgeredet. Außerdem sei die RF als Sportnation ein Versager. Ergebnis: Rußland hat sowohl die "normalen" Winterspiele als auch - überraschenderweise - die Paralympics in der Nationenwertung gewonnen. Zudem wurden die Spiele von so vielen ausländischen Politikern besucht wie keine Olympiade zuvor. Damit haben diejenigen ausländischen Politiker, die sich im "Boykott" geübt haben, nicht etwa Rußland isoliert, sondern sich selbst.

Putsch in Kiew = Wechsel der Krim

Durch den Staatsstreich, der zum Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine geführt hat, sollte das Land komplett an den "Westen" angebunden und von Rußland (nicht nur politisch und ökonomisch) getrennt werden. Doch nach dem geglückten Putsch in Kiew brach der Katzenjammer aus. Der gesamte Südosten der Ukraine wollte ihn nicht anerkennen und mag nicht unter der nationalistischen Junta leben. Auf der Krim gelang es dem Volk sogar, sich von Kiew ganz freizumachen und letztlich in die historische Heimat, nach Rußland, zurückzukehren.

Hätten EU und USA den Putsch nicht so energisch vorangetrieben, dann hätte der Status quo der Ukraine bewahrt werden können und es wäre nicht zum Wechsel der Krim gekommen. Doch durch seine massive Intervention hat der Westen selbst die Lage herbeigeführt, deren Folgen er nun lautstark und voller Haß beklagt. Allein die USA haben fünf Milliarden Dollar investiert und konnten trotzdem nicht das ganze Land erobern - dumm gelaufen, denn die Menschen, die von ihren Polit-Experimenten betroffen sind, hatte der Westen nicht einkalkuliert.

Es sollte übrigens niemand denken, die Russen wären undankbar für die Mithilfe des Auslands bei der Rückgewinnung der Krim. Am letzten Sonntag wurden dem US-Konsulat in St. Petersburg von freundlichen Bürgern ein Dankgeschenk überreicht:


Gescheiterte Isolation der RF

Von den Vertretern der USA war großspurig angekündigt worden, sie selbst wären die "Weltgemeinschaft" und würden die Rußländische Föderation isolieren. Das hat zahlreiche Staaten, darunter z.B. Argentinien und Afghanistan, nicht davon abgehalten, den auf einer Volksabstimmung beruhenden Wechsel der Krim ausdrücklich anzuerkennen. Wann die anderen ihn faktisch akzeptieren werden, ist lediglich eine Frage der Zeit. Schließlich hat auch Moskau mittlerweile die Kröte Kosovo geschluckt.

Letzte Woche kam es nun in New York während der Vollversammlung der UNO zum großen "Showdown". Dort sollte mittels einer - rechtlich unverbindlichen - Resolution die von Washington und Brüssel erhoffte Isolierung Rußlands vollzogen werden. Doch der Berg kreißte und gebar eine Maus. Von den 193 Mitgliedsstaaten der UN haben lediglich 100 für die Resolution gestimmt, 11 waren dagegen und 58 haben sich der Stimme enthalten. Besonders bemerkenswert: 24 Staaten hatten vor der Abstimmung den Sitzungssaal verlassen, haben sich also durch Abwesenheit enthalten. Darunter war übrigens auch Israel, was von vielen rußländischen Juden positiv vermerkt wurde. Das Land gilt ja sonst als treuer Verbündeter der USA.

Eine Isolation durch die "Weltgemeinschaft" sieht anders aus. Geht man nicht nur von der Anzahl der Staaten, sondern von ihrer Bevölkerung aus, dann kann man sogar sagen, daß der größte Teil der Menschheit nicht gegen Rußland steht. Das Ergebnis der Abstimmung darf man als großen Erfolg der rußländischen Diplomatie werten, genauso wie die Verhinderung des geplanten Krieges gegen Syrien im Herbst 2013.

"Sanktionen gegen Rußland sind Sanktionen gegen mich!"
McDonald's hat, nebenbei bemerkt, seine Filialen auf der Krim bereits geschlossen, 
was sich nur positiv auf die Volksgesundheit auswirken kann.

Schwere Sanktionen

Eine Belustigung besonderer Art sind die von der EU, den USA und Kanada verhängten Sanktionen gegen Rußland. Die Ankündigung, Konten und andere Vermögenswerte von Russen, die im Ausland liegen, "einzufrieren", hat zu einer Kapitalflucht aus den USA und der EU in Richtung RF geführt. Presseberichte sprechen von insgesamt mehreren hundert Milliarden Euro. Damit hat der "Westen" der rußländischen Regierung einen großen Dienst erwiesen. Seit letztem Jahr gilt ein Gesetz, wonach Staatsbeamte keine Vermögenswerte im Ausland haben dürfen und auch den Privatunternehmen wurde von Wladimir Putin immer wieder nahegelegt, ihr Geld in der Heimat anzulegen, um so den einheimischen Bankensektor zu stärken. Was alle diese Appelle nicht vermocht haben, hat nun die Sanktionsdrohung vollbracht - rußländisches Kapital ist wieder in der RF. Auch dafür sagt Putin dem Westen sicher aufrichtigen Dank, denn allein hätte er das niemals geschafft.

Die amerikanischen Kreditkartenunternehmen Mastercard und Visa hatten auf Druck ihrer Regierung zeitweise die Karten von Kunden einiger rußländischer Banken gesperrt. Doch nachdem sie darauf hingewiesen wurden, daß diese Sperrungen rechtswidrig waren und seitens der Politik schon laut darüber nachgedacht wurde, beiden Unternehmen die Tätigkeit in der RF zu untersagen, haben sie beigedreht. Die Angst vor dem Verlust von dutzenden Millionen Kunden ist offenbar zu groß. Trotzdem wird in Rußland jetzt ein eigenes nationales Kreditkartensystem, analog dem japanischen JCB, geschaffen, um die Konten der eigenen Bürger künftig vor den Allüren auswärtiger Mächte zu schützen. Die Pläne dafür lagen schon in den Schubladen des Finanzministeriums und werden zur Zeit umgesetzt.

Überhaupt zeigt sich, daß die besonders von Wladimir Putin und Dmitrij Medwedew vorangetriebene Politik der Integration Rußlands in das Weltwirtschaftssystem ein sicherheitspolitisch bedeutsamer Faktor ist. Namentlich der Beitritt zur WTO war seinerzeit innerhalb der RF heftig kritisiert worden, weil man den Ausverkauf der eigenen Wirtschaft befürchtete. Doch jetzt zeigt sich, daß es richtig war, sich ökonomisch nicht vom Rest der Welt abzuschotten. Gegen ein Land, das Teil vieler Verflechtungen ist, lassen sich Wirtschaftssanktionen kaum durchsetzen, ohne daß sie jenen Staaten, welche die Sanktionen verhängen, gleichermaßen Schaden zufügen. Trotzdem hält die RF sich die Option offen, ggf. wieder auf Lösungen im Rahmen des eigenen Staates bzw. der Zollunion auszuweichen, um sich nicht allzu stark vom Ausland abhängig zu machen.

Selbst wenn etwa die EU bestimmte Exporte in die RF untersagen würde (z.B. Autos), dann könnte Rußland dafür auf Substitute aus den fernöstlichen Staaten ausweichen. D.h. ernsthafte Wirtschaftssanktionen wären für die RF zwar unangenehm, aber keineswegs bedrohlich. Hinzu käme der wahrscheinliche Verlust von mehreren hunderttausend Arbeitsplätzen in der EU, die am Rußlandgeschäft hängen - in Anbetracht der nicht gerade rosigen Wirtschaftslage der EU ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Und sollten die USA einen echten Wirtschaftskrieg gegen Rußland anzetteln, dann könnte Moskau, ggf. in Kooperation mit Peking, ohne weiteres für den Zusammenbruch des US-Dollars sorgen. Davon sind sogar amerikanische Ökonomen überzeugt und warnen ihre Regierung vor solchen Schritten.

Die übrigen Sanktionen wie Visasperren sind ohnehin von nur symbolischer Bedeutung (dazu auch weiter unten). Folgerichtig haben sich alle Abgeordneten der Duma und alle Mitglieder des Föderationsrates bereiterklärt, das Schicksal ihrer "sanktionierten" Kollegen zu teilen.
Bemerkenswert ist, daß Personen auf den Sanktionslisten stehen, obwohl sie absolut nichts mit der causa Krim zu tun hatten. So etwa die Abgeordnete Jelena Misulina, die dem familienpolitischen Ausschuß der Staatsduma vorsteht. Sie soll offenbar für ihre dem Westen nicht genehme Familienpolitik bestraft werden. (Bereits im November 2013 war sie in Leipzig von linken Schlägern drangsaliert worden.)

Oder Viktor Iwanow, Chef des Föderalen Drogenkontrolldienstes. Er war den Amerikanern unangenehm aufgefallen, weil er sie jahrelang (mit mäßigem Erfolg) aufgefordert hat, etwas gegen die überbordende Heroinproduktion im von NATO-Truppen besetzten Afghanistan zu unternehmen. Gestern hat die NATO angekündigt, daß es mit Rußland keine weitere Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Drogenschmuggels geben werde. Beide Maßnahmen nähren in Moskau den schon lange vorhandenen Verdacht, daß die USA das afghanische Drogenproblem, vor allem durch den damit verbundenen Schmuggel, zur Destabilisierung der mittelasiatischen Staaten und Rußlands mißbrauchen. Doch auch dafür wird man, insbesondere im Rahmen der OVKS, Lösungen finden. Erste Konzepte für die Zeit nach dem Rückzug der NATO vom Hindukusch liegen bereits vor.

An einem Automaten zum Bezahlen diverser Dienstleistungen: 
"Sanktionen! US-Präsident Barack Obama und Mitglieder des Kongresses der USA 
haben kein Recht zur Benutzung dieses Terminals." 
Die Kunden müssen dann auf die blaue Schaltfläche mit der 
Aufschrift "Ich bin nicht Obama" klicken. 

Die Sanktionen als Lachnummer

Der Westen erwartet zweierlei Reaktionen auf von ihm verhängte "Sanktionen". Entweder sollen die betroffenen Staaten angekrochen kommen und um ihre Aufhebung betteln. Oder die "bestraften" Länder sollen zu heftigen und unüberlegten Gegenreaktionen veranlaßt werden. Beides ist in Rußland nicht eingetreten. Statt dessen machen sich die Russen über die Sanktionen öffentlich lustig. In den letzten Tagen ist das Verhängen von privaten Sanktionen gegen Präsident Obama und andere Vertreter der USA zum Volkssport geworden. Geschäftsinhaber untersagen Obama das Betreten ihrer Läden, Homepagebetreiber verbieten ihm das Betrachten ihrer Webseite usw. usf. Eine Sammlung dieser Sanktionen ist z.B. auf Oursanctions.ru zu finden.

Des weiteren gab es Flashmobs vor der US-Botschaft in Moskau unter dem Motto "Sanktionen gegen Rußland sind Sanktionen gegen mich". Ebenso wird im Internet zum Boykott von US-Produkten und Unternehmen wie etwa McDonalds, dem Sinnbild des "American way of life", aufgerufen. Eine derartige Welle des Patriotismus hatten offenbar weder Washington noch Brüssel einkalkuliert. Dadurch wird der euroatlantische Anspruch auf Weltherrschaft öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben.

Ausschluß aus der G 8: Ein besonders schwerer Schlag gegen Moskau war der Ausschluß aus dem exklusiven Club der G 8. Während die ARD dadurch ihre niedrigen Instinkte befriedigt sah und frohlockte, Putin und Lawrow seien wie räudige Hunde ausgesperrt worden, war man in Rußland ganz cool. Die G 8 sei ohnehin nur ein informelles Format, zudem habe sich diese Gruppierung schon seit geraumer Zeit überlebt, weil China nicht mit dabei ist. Doch heutzutage sei es absurd, ohne China über Fragen der Weltwirtschaft zu diskutieren. Folglich sei die G 20 das allein relevante Format - und aus dieser Gruppe wird Rußland mit Sicherheit nicht exkludiert.

Ende der Zusammenarbeit mit der NATO: Auch der jüngste Beschluß der NATO, künftig nicht mehr mit der RF kooperieren zu wollen, hat aus Sicht Moskaus nur die schon seit Jahren vorhandenen Gegebenheiten formalisiert. Denn eine substanzhaltige Zusammenarbeit, die für beide Seiten fruchtbar gewesen wäre, habe es ohnehin nie gegeben. Bestes Beispiel dafür ist das geplante Raketenabwehrsystem. Die Funktion des NATO-Rußland-Rates habe vielmehr darin bestanden, die RF "einzubinden", d.h. das Land einerseits vor vollendete Tatsachen zu stellen und anderserseits dazu zu zwingen, gute Mine zum bösen Spiel zu machen (Stichwort: NATO-Osterweiterung).
Doch damit ist jetzt - "Gott sei Dank", wie es Igor Korotschenko formuliert hat - Schluß. Diese "Bestrafung" kommt für Rußland mithin einem Befreiungsschlag gleich. Hoffentlich hat die NATO mittlerweile andere Transportwege für ihre Truppen in Afghanistan gefunden, denn mit der RF will sie ja nicht mehr kooperieren. Warum sollte sie dann rußländische Transportwege nutzen?

NASA stoppt Kooperation: Wie bizarr die US-Politik agiert, verdeutlicht das "Einfrieren" der Zusammenarbeit mit Rußland im Raumfahrtbereich. Im Augenblick sind zwei Amerikaner auf der Internationalen Raumstation und die USA verfügen zur Zeit über kein Transportmittel für diese beiden, sind also auf die RF angewiesen. Sieht fast so aus, als müßten die zwei Astronauten einen neuen Langzeitrekord für den Aufenthalt im All aufstellen - solange, bis Washington Vernunft angenommen hat. Man kann unschwer erkennen, wie sich die Sanktionsverhänger selbst ins Knie schießen.

Frankreich ist vernünftiger: Zwar hatte auch Paris im ersten Sanktionstaumel an eine Kündigung des Vertrages über den Bau von zwei Mistral-Landungsschiffen, die für die Pazifikflotte bestimmt sind, gedacht. Doch nach einem ersten Nachdenken hat die französische Regierung davon Abstand genommen. Immerhin ist der Baufortschritt schon recht weit (ein Schiff ist bereits vom Stapel gelaufen) und Rußland hat bisher weit über eine Milliarde Euro bezahlt. Bei einer Kündigung müßte dieses Geld natürlich zurückerstattet werden, ferner ist höchst ungewiß, ob sich andere Käufer für die beiden Schiffe finden ließen.

"Hurra, Demokratie!"

Der Westen hat sich endgültig demaskiert

Angeblich geht es dem "freien Westen" um hehre Ideale, um Menschenrechte, Demokratie etc. pp. Doch während der Ukraine-Krise hat er sich selbst die Maske vom Gesicht gerissen - mit der Folge, daß niemand mehr dem frommen, in Wahrheit jedoch scheinheiligen Gesäusel mehr Glauben schenken wird.
Bereits die von der EU schon vor zwei Jahren erhobene Forderung nach einer Freilassung der verurteilten Julia Timoschenko war insofern falsch. Hätte die EU es mit ihrem Werte-Geschwafel ernst gemeint, dann hätte sie eine Neuauflage des Gerichtsverfahrens fordern müssen. Doch mit dem Bestehen auf einer bedingungslosen Freilassung ohne neuen Prozeß hat sich die EU unglaubwürdig gemacht. Es ging ihr nur um Machtausübung, nicht um Rechsstaatlichkeit.

So z.B. der geplante und bereits in der Umsetzung begriffene Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine. In der kürzlich veröffentlichten Aufzeichnung eines Telefonates hatte Julia Timoschenko gefordert, die Südostukraine - nicht etwa die RF, wie in den deutschen Medien unzutreffenderweise behauptet! - mit Atomwaffen zu beschießen und so Millionen Menschen umzubringen. Mittlerweile hat Timoschenko die Echtheit des Bandes bestätigt. Auch andere Politiker jener Parteien, die im Augenblick in Kiew die Regierung bilden, lassen sich regelmäßig mit solchen Gewaltphantasien vernehmen. Da nimmt es nicht Wunder, daß die Bürger der Südostukraine gegen die Junta revoltieren und sich ihr und ihren Banditen nicht unterwerfen wollen.

Die Unterdrückung jener Bevölkerungsteile, die den westukrainischen Nationalisten nicht genehm sind, vollzieht sich zur Zeit auf zwei Ebenen. Zum einen in Form des offenen und staatlich geförderten Kulturkampfes. So wird z.B. in Charkow Professoren untersagt, Vorlesungen über russische Literatur auch in russischer Sprache durchzuführen.

Zum anderen durch gezielte Repressionen gegen Einzelpersonen, die verprügelt und/oder verschleppt werden. Ausgeführt werden diese Aktionen nicht nur von Schlägerbanden, sondern auch von Polizisten und Geheimdienstlern. Das trifft insbesondere Teilnehmer - bei weitem nicht nur Organisatoren! - von Demonstrationen gegen die Kiewer Junta sowie neuerdings auch Geistliche der Ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (Verstoß gegen die Religionsfreiheit). Allein während der letzten drei Tage sind zahlreiche Verhaftungen durchgeführt worden, insgesamt sollen es schon einige hundert sein (siehe z.B. hier, hier und hier). Es kann jeden treffen, der keinen Bückling vor dem neuen Regime macht. Und das Regime in Kiew ist man sogar noch stolz auf die Verhaftungswelle! Außerdem werden in Donezk Demonstrationsteilnehmer mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bedroht. Soviel zum Verständnis von "Demokratie", "Meinungsfreiheit" und "Pluralismus" in der neuen, angeblich demokratischen Ukraine. Wo bleibt der Protest des Westens und dessen Pochen auf die "demokratischen Werte"?

Hinzu kommt die systematische Mißachtung der Pressefreiheit. Nicht nur, daß Dutzende Journalisten, vor allem aus der RF, von den Kiewer Machthabern des Landes verwiesen worden sind (allein vom Fernsehsender Ren-TV in den letzten Tagen sieben Mitarbeiter). Russischsprachige Kanäle dürfen nicht mehr in ukrainischen Kabelnetzen verbreitet werden, den dortigen TV-Sendern ist sogar die Ausstrahlung von in der RF gedrehten Krimis verboten worden.

Innnerhalb der "demokratischen" EU geht man jetzt ebenfalls zur offenen Zensur über. In Litauen wurde bereits die Ausstrahlung des russischen Senders NTW verboten, weitere Kanäle sollen demnächst folgen. In Finnland wurde eine Talkshow abgesetzt, weil dort ein finnischer Wahlbeobachter, der während des Referendums auf der Krim weilte, zu Wort kam. In Deutschland verliert ein Journalist seinen Job, weil der Verdacht besteht, er könnte nur um einen Millimeter von der vorgegebenen russophoben Propagandalinie abweichen. Und der Journalist Dmitrij Kisseljow wurde von der EU gar mit persönlichen Sanktionen belegt, weil sein Sender es gewagt hatte, aus der Ukarine live zu berichten und Bilder zu zeigen, die Brüssel unangenehm waren. Wie war das doch gleich mit Pluralismus und Demokratie?

Menschenrechte als selektive Waffe

Gegen diese Menschenrechtsverletzungen regt sich im "freien Westen" allerdings kaum Kritik. Die sonst üblichen Verdächtigen wie Amnesty International oder Human Rights Watch schweigen zu diesen Fragen verdächtig laut. Sie ignorieren diese Vorgänge vollständig und geben hierzu keine Erklärungen ab. Damit können sie vielleicht Teile der Öffentlichkeit im Westen täuschen. Doch ihr bewußter Einsatz zur Unterstützung der Kiewer Junta wird Folgen haben: Niemand in der Ukraine, Rußland, Belarus und anderen Staaten der Region wird diesen selbstgerechten "Aktivisten" mehr Glauben schenken. Sie haben gerade ihren letzten Rest an Renommee verspielt, denn sie vertreten offenkundig keine hehren Ideale, sondern sind Teil der russophoben Kampagne und somit ein Instrument in der Hand bestimmter Staaten.

Dieses Verhalten legt zudem die Vermutung nahe, daß der Genozid an den russischsprachigen Bewohnern der Ukraine gebraucht wird und noch lange nicht an seinem Ende ist. In der Obersten Rada forderte z.B. der Abgeordnete Ljaschko (ein bekannter Schläger und Kinderschänder), daß er persönlich jedem Bürger der Ukraine, der die russische Sprache pflegen möchte, ein Zugticket kaufen werde, damit er in die RF auswandern könne. Auf Kundgebungen skandieren die Anhänger des "Euromaidan" die Losung "Koffer - Bahnhof - Rußland". Die Vertreibung mehrerer Millionen Menschen ist also offensichtlich Teil der Pläne der Putschisten und ihrer ausländischen Strippenzieher. Die westukrainischen Nationalisten wollen nur ihre "territoriale Integrität" bewahren, d.h. ganz Landstriche entvölkern.

Darüber schweigt man hierzulande genauso wie über zwei andere Völkermorde in den letzten 25 Jahren. Zum einen die Vertreibung der ansässigen Serben aus Kroatien (1995) und aus dem Kosovo (1999 ff.). Davon waren mehrere hunderttausend Menschen betroffen und der Westen wußte aufgrund seiner Präsenz vor Ort genau, was dort vorging. Besonders pervers war die Lage im März 2004, als es im gesamten Kosovo zu exakt geplanten, angeblich "spontanen" antiserbischen Pogromen kam. Dabei wurden zahlreiche Kirchen, Klöster und andere Kulturstätten, oft viele Jahrhunderte alt, verwüstet und in Brand gesteckt. Auch eine Form des Kulturkampfes. Und die zum Schutz der Serben abgestellten NATO-Einheiten haben sich vor dem Mob einfach zurückgezogen und ihn gewähren lassen.

Ein zweiter langsamer Völkermord, der hierzulande kaum Beachtung findet, geschieht seit zwanzig Jahren in Südafrika. Die dort seit Jahrhunderten ansäsigen Weißen werden terrorisiert, einige tausend von ihnen, vor allem Farmer, wurden ermordet. Der ANC ruft seine Anhänger sogar unverhohlen dazu auf, die Gewehre zu ergreifen. Viele Buren, die es sich leisten können, verlassen ihre Heimat. Auch das ist offenbar Teil des Planes. Doch in den Staaten, die immer so lautstark die Menschenrechte einfordern, kümmert dies kaum jemanden. Es gibt folglich Opfergruppen, an denen man sich ungestraft vergreifen darf.

Dazu gehören anscheinend auch die Russen als ethnische und kulturelle Gruppe. Kürzlich wurde in den Vereinigten Staaten ein Film über Alexander Puschkin, der vor 200 Jahren gelebt hat, vom Programm gestrichen. Als Begründung dienten die Vorgänge in der Ukraine. Auch bei uns in Deutschland macht der russophobe Furor nicht vor Künstlern halt, die es sich wagen, eine andere politische Meinung als die unserer Medien zu vertreten. In München wird Walerij Gergijew, einer der bekanntesten Dirigenten der Welt, auf Druck der Grünen mit Ungemach bedroht, weil er seinem Vaterland treu bleibt. Wie war das doch gleich mit der Meinungsfreiheit oder der Freiheit der Kunst (beide Artikel 5 GG)?

Menschenrechte, so wie man sie im Westen versteht und praktiziert, sind offenkundig eine selektiv eingesetzte Waffe zur Sicherung der westlichen Dominanz. Das Schicksal von Menschen interessiert dabei nur insofern, als es sich in bestimmter Hinsicht machtpolitisch ausschlachten läßt.

Zur Selbstdemaskierung des "freien Westens", der in Wahrheit totalitäre Züge trägt (was angesichts der Demokratiefeindlichkeit der EU nicht verwundern kann - man denke nur an das geplante Referendum in Schottland und die Brüsseler Drohungen dagegen), gehört auch die verwendete Sprache: Die gewalttätigen Krawalle im Februar in Kiew waren "friedliche Proteste", der Staatsstreich mit der Absetzung des vom Volk gewählten Präsidenten eine "demokratische Revolution", das Zusammenschlagen von Parlamentsabgeordneten ist "Demokratie" und das - völkerrechtlich nicht zu beanstandende - Resultat einer offenen und ehrlichen Volksabstimmung eine "Annexion". Schwarz ist weiß und weiß ist schwarz. Niemand, der noch einigermaßen bei Verstand ist, kann solche Politiker und Journalisten mehr ernstnehmen.

Insofern kann es nicht überraschen, daß in Moskau zur Zeit über den Austritt aus dem Europarat diskutiert wird. Denn auch diese Organisation soll nun nach dem Willen einiger Mitgliedsstaaten als Kampfmittel gegen Rußland dienen, indem man der RF das Stimmrecht entzieht. Doch das wird nicht hingenommen. In Rußland werden Kosten und Nutzen nüchtern abgewägt. Der Europarat hat in der Ukraine-Krise bisher aufgrund der westlichen Blockadehaltung nichts sinnvolles geleistet, obwohl das Moskauer Außenministerium besonders der Venedig-Kommission umfangreiche Schriftsätze übergeben hatte. Insgesamt verstärkt sich der Eindruck, Rußland müsse per anno 20 Millionen Euro Mitgliedsbeitrag bezahlen, damit sich der Europarat als Oberlehrer aufspielt und den Russen vorschreiben will, wie sie zu leben haben. "Wer Jugoslawien bombardiert hat, sollte sich mit Belehrungen zurückhalten" (Shirinowskij).

Morgen in einer (estnischen) Küche?
"Liebling, warum ist die Suppe kalt?"
"Iß und freu dich darüber, daß du jetzt weniger von russischem Gas abhängig bist."

Scheinwelt vs. Realität

Nun könnte man meinen, die besorgniserregenden Fehlentwicklungen in der Ukraine würden von der politischen Klasse im Westen bewußt ignoriert, weil sie ihre geopolitischen Ziele erreichen wollen. Zum Teil ist dem sicher so. Doch ein nicht unerheblicher Teil der westlichen Politiker lebt offensichtlich in einer selbstgeschaffenen Scheinwelt. Sie glauben an ihre eigene Propaganda und sind somit zu Gefangenen ihrer eigenen Lügen geworden. Diese Traumwelt, nicht die Realität, dient als Bezugsrahmen der eigenen Handlungen. Es ist eben wichtiger, in den eigenen Medien (die beim Erschaffen der Illusionen kräftig mitgewirkt haben) ob seiner schneidigen Haltung gelobt zu werden als sich mit der komplizierten Lage in der Ukraine auseinanderzusetzen.

Besonders deutlich wird das anhand der Rede, die Präsident Obama letzte Woche in Brüssel gehalten hat. Die einzig zutreffende Aussage Obamas war die Charakterisierung Rußlands als Regionalmacht. Das stimmt, die RF hat bei weitem nicht mehr die globalen Interessen und Ambitionen, wie sie seinerzeit von der Sowjetunion verfolgt worden waren. Andererseits erhebt sich die Frage, warum die Supermacht USA mit Rußland dann z.B. Verträge über das Gleichgewicht bei strategischen Waffen abschließen? Ganz so unbedeutend kann Moskau also nicht sein.

Ansonsten strotzten Obamas Ausführungen vor Falschdarstellungen, groben Verzerrungen und glatten Lügen. Eklatantestes Beispiel: Obama hatte behauptet, daß der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo eine Volksabstimmung vorausgegangen wäre, weshalb sie besser als die der Krim gewesen sei. Dem war jedoch nicht so. Die Unabhängigkeitserklärung war ein Akt des Kosovo-Parlaments, nicht des Volkes. Das kann man übrigens in der englischen Wikipedia schön nachlesen. Trotzdem hat sich der angeblich mächtigste Mann der Welt nicht gescheut, eine offenkundige Lüge zu verbreiten.

Ebenso abstrus ist Obamas Meinung, die amerikanische Irak-Politik wäre vorbildlich. Dieses geschundene Land, wo nichts geregelt ist und wöchentlich hundert Menschen bei Anschlägen sterben, als gelungenes Ergebnis der weisen US-Politik anzusehen, ist Zynismus in höchster Vollendung. Aber vermutlich glaubt der US-Präsident wirklich, er hätte an Euphrat und Tigris eine herausragende Leistung vollbracht.

Die Ankündigung Obamas, die EU - aus reiner Gutherzigkeit natürlich - mit amerikanischem Erdgas zu versorgen, wurde von US-Regierungsstellen bereits relativiert. Die technischen Vorarbeiten dafür würden mehrere Jahre dauern (Bau von Erdgasverflüssigungsanlagen und den dazugehörenden Tankern und Pipelines). Doch selbst dann wären die USA aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Produktion nur fähig, einen kleinen Teil jener Menge zu liefern, den die EU heute aus Rußland bezieht. D.h. die EU wäre gezwungen, zusätzlich Gas z.B. in Qatar einkaufen. Doch die Araber liefern ihr Erdgas lieber nach Fernost, vor allem nach Japan, wo die Preise deutlich höher sind als in Europa. Folglich müßte die EU (und die dort lebenden Menschen), sollte sie rußländisches Erdgas boykottieren wollen, nicht nur teure Investitionen tätigen, sondern in der Folge auch mit weitaus höheren Gaspreisen als heute leben.

Obama und Steinmeier (siehe hier) und andere leben in einer Traumwelt, die mit der Realität nur noch punktuell verbunden ist. Wichtig ist nicht, was ist, sondern wie man es darstellt. In gewissen politischen Konstellationen mag dies stimmen, doch nicht immer. Wenn nämlich in einem Konflikt die eine Seite von der realen Lage ausgeht und darauf die eigenen Handlungen abstellt, während sich die andere nur in ihrer eigenen Propagandasphäre bewegt, dann weiß man, wer diesen Konflikt für sich entscheiden wird.

Der Westen und Rußland leben in zwei verschiedenen strategischen Realitäten. Die Erfolge Rußlands haben vor allem den Grund, daß es eine wirklichkeitsnahe Politik betreibt und die betroffenen Menschen berücksichtigt. Dabei steht der Westen nur daneben und wundert sich. Noch im Dezember konnte man in deutschen Zeitungen lesen, die Rußländische Föderation sei "ein Koloß auf tönernen Füßen", der bald zusammenbrechen werde. Dieselbe eklatante Fehleinschätzung hatte übrigens die deutsche Botschaft in Moskau 1941 kurz vor Beginn der Operation "Barbarossa" abgegeben.

Die Hybris ihrer amerikanischen Sponsoren treibt auch die Kiewer Junta zu immer neuen geistigen "Höhenflügen". Die bankrotten Putschisten, die bis jetzt keinen Kreditgeber gefunden haben, sehen sich als wichtige Wirtschaftsmacht und wollen allen Ernstes in die G 8 aufgenommen werden. Dabei steht ihnen, wie nunmehr klar geworden ist, nicht einmal eine Mitgliedschaft in der EU offen.

Die aktuellen Vorgänge zeigen zudem die Grenzen des amerikanischen Konzepts des Informationskrieges auf. Die massive Lügenpropaganda funktioniert nur gegen deutlich schwächere Gegner wie etwa den Irak oder Jugoslawien. Besitzt der Gegner hingegen eine gewisse politisch, wirtschaftliche, diplomatische und militärische Stärke, kann er diese Attacken weitgehend ignorieren und sich weiter an der Realität orientieren. So zwingt er den USA sein Gesetz des Handelns auf. (Ähnlich ist es ja in Syrien, wo die deutschen Medien lange behauptet hatten, es gäbe keine islamistischen Terroristen, während jetzt die westlichen Sicherheitsbehörden ganz amtlich vor diesen Personen warnen.)

"Sanktionen. Alle Mitglieder des US-Kongresses und Barack Obama müssen die Wahrheit sprechen!!!"

Der Zusammenbruch des euroatlantischen Weltbildes

Das euroatlantische Weltbild des letzten Vierteljahrhunderts war simpel: Die USA sind nicht nur die einzig verbliebene Supermacht, sondern auch der gute Hegemon. Was Washington sagt, wird gemacht, denn jeder Befehl dient nicht nur dem Wohl Amerikas, sondern dem Besten der gesamten Menschheit. Und die USA nehmen das Kreuz ("die schwere Verantwortung") auf sich, auf der gesamten Welt das "Gute" durchzusetzen. Daß im Zuge der zahlreichen Kreuzzüge hunderttausende Menschen umgekommen sind, teilweise zu ihrem eigenen Nutz und Frommen mittels Luftkampfmitteln ins Jenseits befördert wurden, fällt dabei nicht ins Gewicht.
(Zur Erinnerung: Ziemlich genau vor 15 Jahren, am orthodoxen Osterfest 1999, begann einer der vielen völkerrechtswidrigen Kriege der USA, diesmal gegen Jugoslawien. "Frohe Ostern" hatten die Krieger des "guten Hegemonen" auf die Bomben geschrieben, mit denen sie die Menschen in Belgrad terrorisierten.)

Unterhalb der USA gab es eine Anzahl hervorgehobener Vasallen, die für treue Dienste stellenweise an der Befehlsgebung beteiligt werden und auch selbst mitbomben dürfen. Dazu zählen u.a. Großbritannien, Frankreich, Polen und Deutschland. Und dann gibt es da noch dritt- und viertrangige Staaten, die einfach zu gehorchen haben. Wenn nicht, setzt es Tomahawks, Bomben- oder Drohnenangriffe.

Rußland hatte in diesem Weltbild immer einen eigenartigen Platz. Es wurde bestenfalls als drittrangige Macht angesehen, die sich sowohl den Anweisungen der USA als auch denen der EU zu fügen habe. Aufgrund des besonderen Status der RF (Atomwaffen, Mitglied im Sicherheitsrat) kam sie jedoch als Ziel für militärische Strafexpeditionen niemals in Frage. Vielmehr sollte Rußland auf indirektem Wege gefügig gemacht werden. Vor allem durch eine Umerziehung der Bevölkerung (hierfür waren die NGOs zuständig) und durch eine politische "Einbindung" in den "Westen". Dabei durfte die RF nie in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, vielmehr kam es darauf an, sie von den schon vorab getroffenen Entscheidungen zu "überzeugen" und so die Akzeptanz zu erzwingen (diese Funktion hatte der NATO-Rußland-Rat).

Mehr als einmal habe ich auf einer Konferenz den von deutschen Politikern (darunter auch Gernot Erler) ausgesprochenen Satz gehört, Rußland müsse sich daran gewöhnen, sich an Regeln zu halten, die andere gemacht hätten, an deren Formulierung es also nicht beteiligt war. Damit war eine Absage an das geltende Völkerrecht verbunden. Die Euroatlantiker fühlten sich stark genug, um mit dem internationalen Recht nach Belieben zu verfahren. Mal wurde es offen gebrochen, ein anderes Mal wiederum die Beachtung der gebrochenen Rechtsnorm von anderen gnadenlos eingefordert. Man war ja schließlich Herr der Welt und konnte hemmungslos schalten und walten. (Die Wünsche der betroffenen Menschen waren und sind dabei unerheblich. Oder hat jemand die Bewohner Pakistans oder des Jemen gefragt, ob sie mittels Drohnen ins Jenseits befördert werden möchten?)

Doch damit ist es nun, wie jedermann erkennen kann, vorbei. Rußland weigert sich, über jedes Stöckchen zu springen, welches ihm der Westen hinhält. Es weigert sich, nach den Regeln des Westens zu spielen. Das allgemein anerkannte Völkerrecht wird selbstverständlich beachtet, doch die Willkürentscheidungen des Westens haben für die Entscheidungsfindung in Moskau keine Relevanz mehr.
Das Land ist stark genug und muß sich nicht mehr am Nasenring durch die internationale Arena schleifen lassen. Und es hat Verbündete, die genauso unzufrieden mit der unipolaren Weltordnung sind. Kein Wunder, wenn diese Weltordnung durch Ströme von Blut aufrechterhalten werden muß.

Wenn die USA und in ihrem Gefolge die EU der Meinung sind, daß neue Staaten entstehen sollen (z.B. Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro und zuletzt Südsudan), dann ist das selbstverständlich vom Rest der Menschheit zu akzeptieren. In diesen Fällen ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Ordnung und es dürfen auch im 21. Jahrhundert neue Grenzen gezogen werden. (Steinmeier hatte dieser Tage behauptet, es könne im 21. Jh. keine Grenzveränderungen geben - anscheinend ist unser Minister dement.) Wenn jedoch andere Völker wie auf der Krim von demselben Recht Gebrauch machen möchten, dann wird Zeter und Mordie gerufen und die angebliche Unrechtmäßigkeit der Volksabstimmung beklagt.

Wie sieht es eigentlich mit der Rechtmäßigkeit des Kosovokrieges 1999 und der amerikanischen Drohnenattacken aus? Beides war bzw. ist vollständig illegal - doch das nur am Rande. In der von den USA dominierten unipolaren Weltordnung war offensichtlich kein Völkerrecht i.e.S. möglich, weil die Amerikaner sich als Gesetzgeber, Ankläger, Richter und Henker in einer Person verstanden haben. Berüchtigt ist die Washintoner Formulierung, dieser oder jener Staatschef habe es "nicht verdient", an der Macht zu sein. Damit ist klar, daß jetzt die Mordkommandos ausgeschickt werden. Und dabei scheren sich die Amerikaner und ihre Vasallen nicht im geringsten um die Souveränität der betroffenen Staaten.

Den Zusammenbruch ihres Weltbildes können freilich viele in den Vereinigten Staaten und der EU nicht ertragen. Sie weigern sich, zu glauben, was sie sehen. Statt den neuen Realitäten ins Auge zu blicken, wollen sie die Uhr zurückdrehen und Rußland wieder zum Parieren zwingen. Washington ist dein Herr und Gott, du sollst keine anderen Götter daneben haben.

Ausdruck dessen war ein aufsehenerregender Wutausbruch der amerikanischen UN-Botschafterin Samantha Powers. Am 15. März, kurz vor der Sitzung des Sicherheitsrates, war sie auf ihren rußländischen Kollegen Witalij Tschurkin losgegangen. Rußland dürfe, so Powers, nicht vergessen, daß es ein besiegter Staat sei und sich entsprechend verhalten müsse. Deshalb habe das Land kein Recht zu einem Veto. Außerdem sei es inakzeptabel, daß die RF über Atomwaffen verfüge. Die Furie konnte nur von einigen Referenten mühsam zurückgezogen werden. Tschurkin, ganz Gentleman, entgegnete ihr ruhig: "Bitte spucken Sie mich nicht an, Madam".

Bitte hier entlang zum zweiten Teil.

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