Geschichte
Der FSKN ist eine junge Behörde. Sein Vorläufer war das 2002 gegründete und dem föderalen Innenministerium (MWD) unterstehende Staatliche Komitee für die Bekämpfung des illegalen Drogenhandels. Im Jahre 2003 wurde dieses Komitee im Zuge der Reform der Sicherheitsbehörden aus dem MWD herausgelöst und verselbständigt (Gosnarkokontrol). Der heute verwendete Name des FSKN wurde 2004 eingeführt. Erster Behördenleiter war seit 2002 Viktor Tscherkessow; 2008 ist ihm Viktor Iwanow als Direktor des FSKN nachgefolgt.
Im Jahr 2004 übernahm der FSKN einen großen Teil des Personals und der Sachmittel der aufgelösten Steuerpolizei. Diese bewaffnete Exekutive der Finanzverwaltung, die in den 1990er Jahren weltweite Berühmtheit erlangt hatte, war entbehrlich geworden, nachdem das rußländische Steuersystem durch eine grundlegende Reform einfacher und durchsichtiger geworden war (z.B. Einkommenssteuer als „flat tax“ von 13 %), weshalb die Bürger ihre Steuern zunehmend freiwillig entrichteten.
Tscherkessows Name wurde durch eine seltsame Affäre beschädigt, als es 2007 den Anschein hatte, daß sich der FSKN und der FSB befehden und ihre Mitarbeiter gegenseitig festnehmen würden.
Bis zum Frühjahr 2011 waren die Dienststellen des FSKN übrigens die einzige Sicherheitsbehörde der RF, die offiziell als „Polizei“ tituliert wurde.
FSKN-Direktor Iwanow während einer Pressekonferenz.
Das Drogenproblem
Einer Schätzung des FSKN aus dem vergangenen Jahr zufolge konsumieren Drogensüchtige in Rußland pro Jahr etwa 30 Tonnen Heroin. Hinzu kommen in großem Umfang Cannabis sowie synthetische Drogen. In 2010 hat die Drogenbehörde insgesamt 49 t Rauschmittel beschlagnahmen können, darunter 3 t Heroin.
Wissenschaftliche Konferenz.
Aufgaben
Das Drogenproblem wird in Rußland sehr ernst genommen und seine Bearbeitung als gesamtstaatliche Aufgabe angesehen. In der 2009 verabschiedeten Strategie der staatlichen Anti-Drogen-Politik kommt dies zum Ausdruck. Darin werden der internationale Drogenhandel und die mit ihm verbundene organisierte Kriminalität (welche als sehr einträglich gilt) als Bedrohung der nationalen Sicherheit eingestuft und zahlreiche Gegenmaßnahmen empfohlen.
Im Gegensatz zu anderen Sicherheitsbehörden der RF sind die Kompetenzen und Befugnisse des FSKN über zahlreiche Gesetze und Rechtsverordnungen verteilt. Ihm obliegt im präventiv-verwaltungsmäßigen Bereich die Kontrolle über den Umgang mit Betäubungsmitteln i.w.S., deren legale Verwendung (z.B. in der Medizin), Herstellung, Ein- und Ausfuhr usw.
Im repressiven Bereich, also bei der aktiven Bekämpfung des illegalen Drogenhandels, besitzt der FSKN kein Monopol; auch die Polizei und der FSB werden auf diesem Gebiet tätig. Gleichwohl ist der FSKN aufgrund seiner Fachkompetenz hier in einer Vorzugsstellung. Seine Kompetenzen beschränken sich nicht nur auf die Drogenkriminalität selbst, sondern schließen auch damit zusammenhängende Delikte wie z.B. Geldwäsche mit ein. Man ist sich darüber im klaren, daß man das gesamte ökonomische Geflecht des illegalen Drogenhandels zerstören muß, um Erfolg zu haben.
Damit dieser nachhaltig wird, muß jedoch auch die Nachfrage nach unerlaubten Drogen reduziert werden. Hier setzt die allgemeine Drogenprävention ein, welcher vom FSKN eine hohe Priorität eingeräumt wird. Die Behörde geht z.B. in Schulen und klärt dort über Drogengefahren auf. Ferner werden Sport- und Kulturveranstaltungen durchgeführt, die Jugendliche für die Risiken sensibilisieren sollen und es gibt – wie auch in Deutschland – öffentliche Kampagnen wie Plakate etc. Deshalb betreibt der FSKN auch eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit (vielleicht die aktivste aller Sicherheitsbehörden in der RF).
Plakat „Gemeinsam für das Leben - gemeinsam gegen Drogen“.
Organisation
An der Spitze des FSKN steht der Direktor. Ihm unterstehen unmittelbar die Abteilungen des Zentralapparates mit Sitz in Moskau. Dies sind: die Abteilungen für operative Arbeit, Kriminologie und Spezialaufgaben, innere Sicherheit (Antikorruption!), internationale Verbindungen und Recht, Personal, Finanzen etc.
Darunter stehen die territorialen Organe des FSKN. In der Regel handelt es sich dabei um eine Verwaltung für jedes Föderationssubjekt. Deren Leiter bekleiden in der Regel den Rang eines Obersten oder Generalmajors. Den Territorialverwaltungen unterstehen wiederum Abteilungen für einzelne Städte bzw. Kreise. In diesen regionalen und lokalen Behörden wird die Hauptarbeit geleistet.
Als Besonderheit ist das Staatliche Anti-Drogen-Komitee zu nennen, dessen Leitung dem Direktor des FSKN in Personalunion obliegt. Diese interministerielle Dienststelle dient – analog dem Anti-Terror-Komitee – der Koordination verschiedener rußländischer Behörden bei der Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln.
Im übrigen sind nur wenige Details über die Organisation des FSKN bekannt. Belastbare Angaben zur Personalstärke gibt es m.W. nicht, doch aufgrund der weitverzweigten Struktur wird man wohl von mehr als 10.000 Mitarbeitern ausgehen können.
Go-Kart-Rennen unter dem Motto „Adrenalin ohne Drogen“.
Spezialkräfte
Wie jede Sicherheitsbehörde der RF so verfügt auch der FSKN über eigene Spezialkräfte. Diese sind zum einen Teil der (zentralen) Abteilung für spezielle und kriminalistische Unterstützung mit Standort Moskau. Innerhalb dieses Departements bilden sie die Verwaltung für Spezialaufgaben und Bewachung.
Hervorgegangen sind die Spezialkräfte der Drogenpolizei aus einigen, zwischenzeitlich aufgelösten Spezialeinheiten der Miliz (SOBR). Ihr erster Chef war General Jewgenij Raschodtschikow, der zuvor in der Gruppe „Alfa“ gedient hatte.
Ihre Aufgabe ist die Durchführung von Hausdurchsuchungen und Festnahmen im Drogenmilieu. Die Kriminellen, selbst wenn sie nur „nebenamtlich“ in diesem „Business“ nachgehen, sind überaus gewaltbereit und eröffnen auch bei relativ geringen BTM-Mengen das Feuer, um ihren Besitz zu schützen. Hinzu kommt die gute Organisation bei größeren Mafiagruppierungen, deren Bosse oft über eigene Leibwächter verfügen. Oberste Priorität hat bei allen Operationen des FSKN das Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Drogen.
Bei der Ausbildung wird neben den üblichen Themen wie Nahkampf und Schießen besonderer Wert auf die juristische Ausbildung gelegt, schließlich müssen die Fälle gerichtsfest gemacht werden.
Es ist unklar, ob die regionalen Behörden der Drogenkontrolle über die genannte Spezialeinheit hinaus noch über eigene Spezialkräfte verfügen. In deren Pressemitteilungen sind zwar regelmäßig Fotos solcher Beamter enthalten, es wird jedoch nicht erläutert, ob es sich um eingeflogene Mitarbeiter der Moskauer Spezialverwaltung oder um eigene Kräfte handelt.
Internationale Zusammenarbeit
Besonderen Wert legt der FSKN auf die Abstimmung mit anderen Staaten, denn Rußland ist für den internationalen Drogenhandel vor allem ein Transitland und erst in zweiter Linie ein Empfängerland. Dies trifft insbesondere auf die Opiumherstellung in Afghanistan und die Cannabisproduktion in weiteren Staaten Mittelasiens zu.
Neben dem Austausch von Informationen und dem Abhalten von Konferenzen zur Koordinierung zwischen verschiedenen Staaten geht es dem FSKN auch um substantielle operative Zusammenarbeit. So haben die Mitgliedsstaaten der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS/CSTO) Mitte November 2010 abgestimmte Razzien durchgeführt, an denen auch Beobachter aus den USA, Italien, China und dem Iran teilgenommen haben. Dabei hat der FSKN allein in St. Petersburg 179 kg Rauschgift beschlagnahmt. Insgesamt waren es in allen OVKS-Staaten 6,6 t.
Ein Schwerpunkt sind insoweit die früheren Sowjetrepubliken in Mittelasien. Vor allem Tadshikistan hat sich seit dem Abzug der rußländischen Grenztruppen im Jahr 2003 zu einem Brennpunkt des Drogenschmuggels entwickelt. Um die Dimension zu verdeutlichen: Im Juni 2005 hat die Drogenpolizei bei mehreren Operationen gegen eine einzige Bande tadshikischer Schmuggler nahe Moskau insgesamt 240 kg Heroin im Wert von 8 bis 9 Mio. US-Dollar sichergestellt. Deshalb möchte der FSKN so früh wie möglich mit der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels beginnen – nicht nur in Tadshikistan, sondern auch im Ursprungsland von 90 % des weltweit vertriebenen Heroins: in Afghanistan.
Fotos von einer Razzia in Konakowo.
Afghanistan
Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft ist die Opiumproduktion in Afghanistan, die es dort immer gegeben hat, in die Höhe geschnellt. Mittlerweile sollen 6,4 % der afghanischen Bevölkerung im Mohnanbau beschäftigt sein. Dies wurde für Rußland zu einem erheblichen, auch außenpolitischen Problem, denn fast alle Schmuggelrouten aus Afghanistan nach Europa laufen über das Territorium der RF. (Der grassierende Drogenschmuggel ist einer der Gründe, weshalb sich die EU nach wie vor weigert, die Visaverfahren für Bürger der RF zu vereinfachen.) Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, daß sich die ausländischen Besatzungstruppen in Afghanistan jahrelang geweigert haben, gegen den grassierenden Schlafmohnanbau vorzugehen.
Erst in jüngster Zeit hat sich die Position der ISAF zu diesem Problem geändert, was sicher auch mit auf den politischen Druck aus Moskau zurückzuführen ist. Auch in den NATO-Staaten wurde erkannt, daß das Opiumgeschäft heute auch der Finanzierung der afghanischen Kämpfer von Taliban & Co. dient. (Aus dieser Perspektive ist das Heroin freilich nur ein mittelbares Problem.) Nunmehr kooperieren also die Drogenbehörden der Vereinigten Staaten, Rußlands und der mittelasiatischen Staaten mit der afghanischen Regierung und der ISAF im Kampf gegen die Drogenmafia. Ihre Strukturen werden gemeinsam analysiert und Gegenmaßnahmen geplant.
Bisheriger Höhepunkt war die Bildung einer amerikanisch-russischen Arbeitsgruppe, die den Anti-Drogen-Kampf am Hindukusch koordiniert. Seit Oktober 2010 haben DEA, CIA und FSKN zusammen mit dem Kabuler Innenministerium und der ISAF mehrere Operationen zur Zerstörung von Drogenlaboren in Afghanistan durchgeführt. Allein die erste Aktion am 28. Oktober, die sich gegen vier Labore richtete, brachte eine Ausbeute von 932 kg Heroin und 156 kg Opium. Bei einer Operation im Dezember konnten immerhin 200 kg Heroin sichergestellt werden. Die Arbeit am Boden haben vor allem amerikanische Spezialkräfte sowie afghanische Polizisten erledigt. Der FSKN war – auch aus Rücksicht auf afghanische Befindlichkeiten – nur mit einer Handvoll Spezialisten beteiligt. Dennoch hagelte es danach Kritik von Präsident Karsai.
Aus rußländischer Sicht ist dies das erste Mal seit vielen Jahren, daß die USA im Sicherheitsbereich zu einer substantiellen Zusammenarbeit bereit sind. (Im Gegensatz zu den kaukasischen Islamisten.) Man hofft, daß durch die gemeinsamen Erfolge nicht nur die Bedrohung durch den Drogenhandel eingedämmt werden kann, sondern daß sich daraus mittelfristig auch mehr gegenseitiges Verständnis zwischen den Politikern und Sicherheitsbehörden beider Staaten entwickelt.
In den nächsten Folgen der Speznas-Reihe wird es voraussichtlich um den Grenzschutz gehen.
Bibliographie
Offizielle Webseite des FSKN
Offizielle Webseite der Verwaltung des FSKN für das Gebiet Twer
Offizielle Webseite der Abteilung des FSKN in der Stadt Konakowo
Aufsichtsbehörde gibt Ausmaße der „Drogentragödie“ in Russland bekannt, RIA Nowosti v. 03.12.2010
Bodansky, Yossef: Narco-terrorism and narco-criminality at the heart of Asia, Valdai International Discussion Club v. 06.07.2011
CSTO veranstaltet Großrazzia gegen Dealer, RIA Nowosti v. 22.11.2010
Drogenlabors in Afghanistan sprießen wie Pilze aus dem Boden, RIA Nowosti v. 29.10.2010
Fedjaschin, Andrej: Russland wehrt sich gegen die Drogenflut, RIA Nowosti v. 28.10.2010
Jewdokimow, Pawel: Antinarkotitscheskij speznas, in: Bratischka 4/2006, S. 30 f.
Karsai erbost über Drogenrazzia mit Russen, RIA Nowosti v. 01.11.2010
Lamzow, Michail: Kommandos w afganskoj „jame“, in: Bratischka 2/2011, S. 8 f.
Moskauer Forum ruft zu koordiniertem Vorgehen gegen afghanische Drogengefahr auf, RIA Nowosti v. 24.06.2010
Renz, Bettina: Russia's "force structures" and the study of civil-military relations, in: Journal of Slavic Military Studies 18 (2005), S. 559 ff.
Russischer Nato-Botschafter kündigt härteres Vorgehen gegen afghanische Drogen an, RIA Nowosti v. 02.12.2010
Russland und USA setzen Razzien gegen Drogenlabors in Afghanistan fort, RIA Nowosti v. 01.11.2010
Russland und USA zerstören Rauschgiftlabors in Afghanistan, RIA Nowosti v. 20.04.2011
Russland will mehr Anti-Drogen-Einsätze mit USA in Afghanistan, RIA Nowosti v. 29.10.2010
Russlands Drogensüchtige pumpen sich jährlich mit 30 Tonnen Heroin voll, RIA Nowosti v. 23.12.2010
Wikipedia: FSKN (russ., eng.)
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Bilder: fskn.gov.ru, www.nk.konakovo.org, RIA Nowosti.
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