Gestern wurden in den deutschen Medien Agenturmeldungen verbreitet, wonach Wladimir Putin nach seiner (wahrscheinlichen) Wahl zum nächsten Präsidenten der RF eine massive Aufrüstung der Streitkräfte plane. In einem von der Deutschen Presseagentur (DPA) verbreiteten Text heißt es:
"[...]Die DPA behauptet also (ebenso wie andere Agenturen in ähnlichen Meldungen), Putin beabsichtige die Neuanschaffung einer gigantisch hohen Zahl von Waffensystemen.
In den kommenden zehn Jahren sollen unter anderem 400 Interkontinentalraketen und 600 Kampfflugzeuge sowie 2300 Panzer und 20 U-Boote im Gesamtwert von 23 Billionen Rubel angeschafft werden. Das schrieb der 59 Jahre alte Regierungschef vor der Abstimmung am 4. März in einem Artikel für die Tageszeitung "Rossijskaja Gaseta" (Montag).
[...]"
Angesichts dessen mußte sich der Verfasser als Beobachter der politischen und militärischen Szene Rußlands verstört am Kopf kratzen. Und hat dann natürlich den Originalartikel, den Putin in der RG publiziert hat, gelesen. Dabei stellte sich - wieder einmal - heraus, daß der Premier von Journalisten in unkorrekter, verfälschender Weise zitiert worden ist. Denn eine "massive Aufrüstung", wie uns die deutschen Journalisten glauben machen wollen, hat er gerade nicht angekündigt. Vielmehr heißt es in dem Text:
"[...]Hier werden keine Neuanschaffungen phantastischen Ausmaßes gefordert oder angekündigt, sondern es wird ein gewünschter Gesamtzustand beschrieben. Jedem, der mit den Zahlen der in den rußländischen Streitkräften vorhandenen Waffensysteme vertraut ist, weiß, daß es hier um keine nennenswerte quantitative Vermehrung geht. Die Zahl der Waffensysteme wird im Vergleich zu heute weiter sinken (wie schon seit 20 Jahren). Vielmehr geht es um die qualitative Erneuerung des Militärs, das über wenige, dafür aber leistungsstarke Systeme verfügen soll, um damit endlich auf den technischen Stand des 21. Jahrhunderts zu kommen. Hier kommt auch die genannte Summe von 23 Trillionen Rubel (nicht, wie DPA schreibt, 23 Billionen) ins Spiel. Mit diesem Geld soll, so Putin, in den nächsten zehn Jahren die Entwicklung der Streitkräfte und die Modernisierung des Verteidigungs-Industrie-Komplexes finanziert werden. Es geht mithin nicht nur um Neubeschaffungen, sondern auch um Erhöhungen des Wehrsoldes, einen höheren Anteil der Zeit- und Berufssoldaten am Personalbestand u.ä. Themen. (Mehr darüber kann man hier lesen.)
Im kommenden Jahrzehnt werden in den Truppen mehr als 400 moderne interkontinentale ballistische Raketen (land- und seegestützt), 8 Raketen-Unterwasserkreuzer der strategischen Bestimmung, 20 Mehrzweck-U-Boote, über 50 Überwasser-Kampfschiffe, 100 militärische kosmische Apparate, mehr als 600 moderne Flugzeuge, einschließlich von Jagdflugzeugen der fünften Generation, über 1.000 Hubschrauber, 28 Regimentssätze des Fla-Raketensysteme S-400, 38 Divisionsätze des Fla-Raketenkomplexes "Recke", 10 Brigadesätze des Raketenkomplexes "Iskander-M", über 2.300 moderne Panzer, 2.000 selbstfahrende Artilleriekomplexe sowie mehr als 17.000 Einheiten der Militär-Kfz-Technik handeln.
[...]"
Warum werden Wladimir Putins - schriftlich fixierte - Einlassungen dem deutschen Publikum so falsch übermittelt? Mir fallen zwei Erklärungen ein. Erstens gilt Putin als Universalbösewicht und dieses Image muß gepflegt werden. Und zweitens gilt es, daß militärische Feindbild Rußland wieder zu erneuern. Zufällig wurde gestern auf ZDF Neo ein britischer Film ausgestrahlt, in dem das - völlig absurde - Szenario einer vom FSB geplanten Atombombenexplosion in London thematisiert wurde. Die bösen Russen als hinterhältige Hauptfeinde - ein Motiv, das sich durch die gesamte, ursprünglich für die BBC produzierte Serie auf ZDF Neo zieht. Da paßt doch die Behauptung, Putin plane einen gewaltigen Anstieg der Rüstungsproduktion ins Bild. Dummerweise ist sie genauso fiktiv wie die Fernsehserie.
Verwandte Beiträge:
"Russland investiert Rekordsumme in neue Waffen und High-Tech-Armee"
Militärstruktur und Rüstungsprojekte in Rußland
Die Brigaden des russischen Heeres
Neue Organisation der russischen Streitkräfte
Aktuelles aus der russischen Waffenindustrie
Von der Katjuscha zur Kursk
Die Kandidaten positionieren sich
Wie deutsche Journalisten lügen
Journalisten und die Wahrheit
Foto: www.yuga.ru.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen