Sonntag, 26. Februar 2012
Die Wonnen des Satellitenfernsehens
Nach Jahren des zunehmend schlechteren Kabelempfangs hat Familie Krenkel im vergangenen Dezember auf direkten Satellitenempfang umgestellt. Wenn man schon einmal dabei war, nicht nur auf Astra 19,2°O mit seinen deutschen Kanälen, sondern auch auf Hotbird 13°O, auf dem zahlreiche russisch- und polnischsprachige Sender zu finden sind. Nunmehr habe ich auch direkten Zugang zu zahlreichen Kanälen in englischer Sprache. Nicht nur CNN, wie bisher, sondern auch Russia Today, RT Doc, CCTV News und CCTV Doc (beide aus China), Al Jazeera (Katar), France 24, BBC World News, Press TV (Iran), NHK World (Japan), Arirang (Südkorea) und CNBC (USA). Nicht zu vergessen EuroNews, die auch in deutscher Sprache senden.
Dadurch wird das Bild erheblich bunter und man lernt noch besser, über den kleinen Tellerrand der deutschen Medien hinauszusehen. Man lernt jedoch auch, welche Propagandakriege auch heute noch über den Äther ausgefochten werden. Da ist z.B. Belsat, ein TV-Kanal in weißrussischer Sprache, der vom polnischen Staatsfernsehen TVP produziert wird und auf das Nachbarland Belarus zielt. Belsat wird primär von der polnischen Regierung finanziert und ist unverschlüsselt empfangbar, während man für die polnischen Hauptkanäle TVP 1 und TVP 2 einen Decoder benötigt.
Ebenso erstaunt die Vielfalt von in den USA und Großbritannien produzierten Radio- und Fernsehprogrammen, die in allen möglichen Sprachen verbreitet werden, um Propaganda im Sinne der Regierungen dieser beiden Staaten zu machen. Demgegenüber steht der iranische Staatssender Press TV, der z.T. durchaus treffende Analysen der politischen Lage im Mittleren Osten bringt. So dürfte etwa die Einschätzung eines Teheraner Politologen, daß die Aufstände des „arabischen Frühlings“ eher ein Nachholen der islamischen Revolution in Persien anno 1979 sind, der Wahrheit weitaus näher kommen als andere Deutungen, wonach es dabei um eine Demokratisierung der betroffenen Länder im „westlichen“ Sinn gehe. Um so überraschter war ich, daß die zuständige Behörde im angeblich urdemokratischen und freiheitsliebenden Großbritannien kürzlich Press TV die Lizenz entzogen hat.
Besonders interessieren natürlich die Fernseh- und Radiosender aus Rußland. Hier sind, neben den beiden englischsprachigen Kanälen von RT, vor allem RTR Planeta und der Erste Kanal als Vollprogramme zu nennen. Hinzu kommen die Nachrichtenkanäle Rossija 24 (wie RTR zur staatlichen Medienholding WGTRK gehörend) und RBC TV (ein Ableger der Wirtschaftszeitung RBK Daily, Eigentümer ist der Präsidentschaftskandidat und Oligarch Michail Prochorow). Außerdem sind die drei RTVi-Kanäle des Oligarchen Wladimir Gussinski zu nennen. Abgerundet wird das via Hotbird empfangbare Spektrum durch einige Spartenkanäle (Musik, Kinder usw.).
Zwar fehlen noch einige der größeren Sender aus der RF, da sie über andere (hierzulande schwerer empfangbare) Satelliten verbreitet werden. Nichtsdestotrotz ist dies für mich schon ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem bisher notwendigen Fernsehempfang über Internetstreams, dessen Unzulänglichkeiten offenkundig sind. Endlich kann man sich – nicht nur im wörtlichen Sinne – ein besseres Bild über das Fernsehen in Rußland machen. Das, was darüber hierzulande verbreitet wird, klingt sehr düster. Alles unter strikter staatlicher Kontrolle, kein Aufmucken gegen den omnipräsenten Putin, keinerlei Berichte über die inner- und außerparlamentarische Opposition etc. pp. So schildern deutsche Journalisten die Arbeit ihrer rußländischen Kollegen. Ich fand das schon immer zweifelhaft, waren doch meine eigenen Erfahrungen während meiner Aufenthalte in der RF andere. Jetzt weiß ich, daß das Bild auch heute weitaus bunter ist, als es uns von unseren eigenen Medien dargestellt wird.
Selbstverständlich kommt nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition zu Wort, insbesondere in den Diskussionsrunden (z.B. die von Wladimir Solowjow moderierte Sendung Pojedinok auf RTR). Allein in den letzten Wochen waren dort – in den wenigen Sendungen, die ich gesehen habe – die Präsidentschaftskandidaten Michail Prochorow, Gennadij Sjuganow sowie Maria Gaidar u.a. zu Gast. Und natürlich wird auch in den Nachrichten hinreichend über oppositionelle Politiker und Parteien berichtet, z.B. über die Unterschriftensammlungen von Prochorow und Jawlinskij für die Präsidentenwahl oder über Demonstrationen. Von einem „Verschweigen“ kann keine Rede sein. Das macht es freilich auch so spannend, abends statt den gewohnten deutschsprachigen Sendern mit ihrem vorhersagbaren Einerlei einen russischen im Hintergrund laufen zu lassen.
Man lernt auch, was die außerparlamentarische Opposition von den Medien hält. Als ein Fernsehteam nach einer „Befehlsausgabe“ für Oppositionsgruppen in der Botschaft der USA mit den Teilnehmern sprechen wollte, wurde der Kameramann von der bekannten Umweltschützerin Jewgenija Tschirikowa sogar tätlich angegriffen (Spezialny Korrespondent v. 22. Januar - Video). Diese Leute wollen keine kritischen Nachfragen beantworten.
Ähnlich verhielt sich der Oppositionspolitiker Wladimir Ryshkow in einem Interview auf Rossija 24. Der Moderator versuchte, mit ihm ein sachliches Gespräch zu führen, doch Ryshkow skandierte nur immer wieder dieselben kurzen Parolen. Seine Vorstellung erinnerte an ein Maschinengewehr, nicht jedoch an ein Interview.
Zu einem Dialog mit dem Volk und der Regierung sind die Typen, die sich für die einzig wahre Opposition halten, nicht breit. Statt dessen boykottieren sie Einladungen zu derartigen Veranstaltungen. Nicht besonders konstruktiv.
Bemerkenswert sind auch die Unterschiede bei Dokumentationen. In russischen scheint es üblich zu sein, mehr und längere ungeschnittene Interviewausschnitte zu bringen als hierzulande. Auch kontroverse Themen werden in ihrer gesamten Bandbreite dargestellt und beide Seiten kommen zu Wort. So etwa auf Rossija 24 in einer Reportage über den bis heute umstrittenen Einsatz sowjetischer Sicherheitskräfte im litauischen Vilnius im Januar 1991.
Und ohne die Auslandsberichterstattung von RT, die auch über Astra und Kabel verbreitet wird, wäre der deutsche Zuschauer erheblich schlechter informiert. Er wüßte z.B. nichts von den Mitte Februar wiederaufgeflammten Gewalttätigkeiten in Bahrain (siehe hier und hier), denn das deutsche Staatsfernsehen schweigt darüber. Die Monarchie Bahrain gilt hierzulande wohl als Verbündeter, der den "arabischen Frühling" in Libyen und Syrien unterstützt, nicht jedoch als Unterdrückungsregime.
Einseitige Propaganda konnte ich in diesen Sendungen bisher nicht wahrnehmen. Im Gegenteil, das im rußländischen Fernsehen angebildete Meinungsspektrum ist weitaus größer als in Deutschland (eine Auffassung, mit der ich nicht alleine stehe - siehe hier und hier), wo sich die Mehrzahl der Journalisten als Gralshüter linker Ideologeme versteht und die Welt nur in diesem beschränkten Rahmen deutet. Dazu gehört auch die verzerrte Darstellung von Politik und Medien in Rußland – und darüber hinaus. Blenden wir doch einmal vier Jahre zurück und erinnern uns, wie Barack Obama auch von deutschen Schreiberlingen zu einer messiashaften Heilsfigur hochstilisiert wurde. Heute hat jedoch die Enttäuschung über die ausgebliebene Welterlösung zum Katzenjammer geführt.
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