Erfreulicherweise hat sich der Historiker Herbert Elzer dieses Desiderats angenommen und arbeitet einen Teilaspekt in der Studie „Die Schmeisser-Affäre – Herbert Blankenhorn, der ‚Spiegel’ und die Umtriebe des französischen Geheimdienstes im Nachkriegsdeutschland (1946-1958)“ auf. Was der Sache nach eine solide, primärquellengestützte, historische Monographie ist, liest sich wie ein verwirrender Agententhriller. Das liegt freilich nicht an den mangelnden Fähigkeiten des Autors, sondern an den chaotischen Zeitverhältnissen. Festzuhalten bleibt, daß es zahlreiche zwielichtige Gestalten gab, die zugleich für einen der französischen Dienste und eine deutsche Verfassungsschutzbehörde arbeiteten und sich außerdem im Schwarz- und Nachrichtenhandel betätigten.
Erstaunlich ist allerdings, daß es einigen dieser Figuren gelang, in höchste westdeutsche Regierungskreise einzudringen, ja sogar Bundeskanzler Adenauer abzuschöpfen. Mit Adenauers engem Vertrauten Herbert Blankenhorn bestand eine enge Kooperation, in der Blankenhorn Informationen gegen Entgelt und Lebensmittel an die Franzosen verkaufte. Ebenso waren, das dürfte feststehen, sämtliche westdeutschen Nachrichtendienste von Agenten der Westalliierten durchsetzt. Hierbei ging es nicht nur um Informationsbeschaffung, sondern auch um die Förderung separatistischer Aktivitäten, wie sie im Saargebiet am augenfälligsten war. Franz Josef Strauß befürchtete schon 1954, „daß in allen Ministerien und in allen wichtigen Dienststellen Vertrauensleute östlicher und westlicher Nachrichtendienste sitzen“. Deshalb plädierte er für eine genaue Überprüfung aller Geheimnisträger.
Elzer schreibt dazu:
„[…]Und:
Eine „unterwanderte Republik“ (Hubertus Knabe) bestand schon in der Gründerzeit, bevor die Staatssicherheit der DDR das ihre dazu beitrug. Obwohl der Kalte Krieg tobte, verliefen die Frontlinien keineswegs ausschließlich entlang der ideologischen Barrieren. Im Laufe der 1950er Jahre bröckelten allmählich die Beziehungen zwischen den Geheimdiensten der Westmächte und der Sowjetunion ab – das geteilte Deutschland wurde „zum eigentlichen Schlachtfeld des geheimen Krieges“. Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sah dies anders aus, mochten auch die Gemeinsamkeiten schwinden. Eine bestand jedenfalls fort: das mit größter Kraftanstrengung niedergerungene Deutschland nicht wieder zu einem Faktor werden zu lassen, der den Weltfrieden in Gefahr bringen konnte. Hier die Grenzen zu ziehen, war freilich nicht einfach: Die UdSSR und Frankreich gingen in der Außenpolitik deutlich weiter in ihren Eindämmungbestrebungen als die Vereinigten Staaten und Großbritannien. Ähnlich verhielt es sich in der Parallelwelt der Geheimdienste.
[…]“ (S. 11)
„[…]Angesichts dieser Befunde erhebt sich die Frage, wie es denn seit Ende der 1950er Jahre um dieses Problem bestellt ist. Im Juni ist bekanntgeworden, daß die CIA den seinerzeitigen Präsidenten des BKA, Paul Dickopf, als V-Mann geführt und für seine Dienste auch Geld an ihn bezahlt hat. Der Fall des amerikanischen Spitzels in der FDP-Führung, der infolge der Wikileaks-Enthüllungen bekannt wurde, ist ein weiteres Indiz dafür, daß die Unterwanderung deutscher Institutionen nach wie vor besteht. Und im Gegensatz zu irgendwelchen MfS-IMs, die schon vor über 20 Jahren „abgeschaltet“ worden sind, werden davon vermutlich auch aktuell die deutschen Sicherheitsinteressen beeinträchtigt.
Die mißtrauischen Westalliierten unterwanderten planmäßig Behörden und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland. Die Sorge vor einem Wiedererwachen des Nationalsozialismus führte die Feder. Insoweit ist dieses Verhalten verständlich, wenngleich Washington, Paris und London ängstlich bemüht waren, ihre Anstrengungen im Verborgenen zu halten. Der Fall Schmeisser dürfte nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Man muß nicht so weit gehen, die gesamte innere und äußere Prägung der Bundesrepublik der „große(n) Spinne des Nachrichtenwesens“ zuzuschreiben, mit der die Westmächte heimlich ihre Werte und Ziele den ohnmächtigen Deutschen aufoktroyiert hätten. Allein, Informanten und Kontrolleure gab es gewiß in großer Zahl.
[…]“ (S. 59)
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