Montag, 18. Oktober 2010

Russische Schußwaffen

Im September 2010 ist im Motorbuchverlag ein Buch erschienen, auf das alle, die sich für die russische und sowjetische Waffentechnik und -geschichte interessieren, schon lange gewartet haben dürften. Gemeint ist „Russische Schusswaffen – Typen, Technik, Daten“ von Ilya Shaydurov. Der Band ist, wie bereits der Titel nahelegt, ein Übersichtswerk – das erste in deutscher Sprache. Sein Erscheinen war um so wichtiger, als ein Standardwerk aus den 1990er Jahren – D. N. Bolotins „Soviet Small Arms and Ammunition“ – selbst in Rußland kaum noch aufzutreiben ist.

Der Autor des hier anzuzeigenden Buches, dessen Name im Deutschen eigentlich als Ilja Schajdurow transkribiert wird, ist ein ausgewiesener Fachmann, der den größten Teil seiner Ausbildungs- und Berufszeit in der udmurtischen Waffenstadt Ishewsk verbracht hat. Zuerst ein Maschinenbaustudium, dann Promotion und wissenschaftliche Tätigkeit am Insititut für Schußwaffen der Staatlichen Technischen Universität Ishewsk. Von 2005 bis 2009 war Shaydurov wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Von dieser Hochschule ist auch das Erscheinen von „Russische Schußwaffen“ gefördert worden. (Leider hat der Verlag auf eine biographische Notiz verzichtet, so daß man auf die Webseite der Uni zurückgreifen muß.)

Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel, worin einzelne Waffenarten behandelt werden: Faustfeuerwaffen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Gewehre und Karabiner, Kampfflinten sowie Maschinengewehre. Nach einer kurzen Einleitung werden die einzelnen Modelle auf mehreren Seiten in Wort und Bild vorgestellt. Erfreulich ist, daß sowohl bekannte als auch weniger bekannte (Sonder-)Waffen behandelt werden, wobei der Zeitrahmen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute reicht. Im Rahmen der Entwicklungsgeschichte wird auch auf die Konstrukteure eingegangen; sie sind zumeist auch mit einem Bild bedacht worden. Hinzu kommen noch Tabellen mit den technischen Daten sowie Übersichten über die Modellvarianten. Des weiteren sind zu jeder Waffe Fundstellen in Literatur und Internet angegeben. Die Qualität der Texte ist natürlich hoch und entspricht dem, was man von solch einem lexikonartigen Werk erwarten darf.

Zwei Wermutstropfen bleiben allerdings. Erstens liegt der Fokus eindeutig auf behördlich geführten Schußwaffen. Spezifische Jagd- und Sportwaffen werden nur am Rande behandelt, soweit sie auch eine behördliche Verwendung gefunden haben oder aus einer Behördenwaffe entstanden sind. Das ist bedauerlich, denn die sowjetischen Sportwaffenkonstrukteure waren nicht untätig. Zweitens merkt man dem Buch an, daß der Autor es wohl vollständig in deutscher Sprache geschrieben hat. Dies ist eine beachtenswerte Leistung, immerhin waren knapp 400 Seiten zu füllen. Dennoch hätte ein sachkundiger Lektor dem Buch gutgetan, denn manche typisch russischen Sprachkonstrukte sind nur schwer adäquat ins Deutsche zu übersetzen. Ein wenig schmunzeln mußte ich z.B., als an einer Stelle von „Anhängerstaaten“ der Sowjetunion die Rede war – gemeint sind, wie aus dem Kontext hervorgeht, die Nachfolgestaaten der UdSSR.

Doch das sind Kleinigkeiten, die nicht geeignet sind, den Wert von Shaydurovs Werk zu schmälern. Es ist eines jener Bücher, an denen man nicht vorbeikommen kann, sofern man sich für das behandelte Thema auch nur partiell interessiert.

Zumindest bei Teilen der ersten Auflage ist es zu Fehldrucken gekommen, weshalb das Vorwort im Buch fehlt. Es wäre schön, wenn der Verlag dieses auf seiner Webseite publizieren könnte, damit sich die Leser nicht „blind“ und ohne Hinweise des Autors durch das Buch „hangeln“ müssen.


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