Vorab: Ich interessiere mich nicht besonders für militärisches Großgerät wie Panzer, Schiffe oder Flugzeuge. Doch das heute anzuzeigende Buch geht weit über rein technische Fragen hinaus: "Raketen über See - Die taktische Seezielrakete P-15 (Styx) im Kalten und heißen Krieg" von Holger Neidel und Egbert Lemcke ist im Jahre 2008 erschienen. Wie schon mit dem vom selben Verlag herausgebrachten Buch von Frank Preiß werden dem Leser, welcher der russischen Sprache nicht oder nur bedingt mächtig ist, erstmals in seriöser und kompetenter Weise Informationen über das Militär der heutigen Rußländischen Föderation sowie der früheren Sowjetunion präsentiert. Hier geht es zuvörderst um die in den 1950er Jahren entwickelte Seezielrakete P-15 (NATO: Styx) und ihre diversen Abarten und Nachfolgemodelle, wobei die behandelte Zeitspanne von den 1950er Jahren bis 2007 reicht. Schiffsgestützte Flugkörper, die erstmals von der UdSSR gebaut und eingesetzt wurden, waren eine kleine Revolution des Marinewesens.
Dabei werden nicht nur die technischen Entwicklungen detailliert nachvollzogen, die Autoren stellen sie auch in den notwendigen sicherheitspolitischen Kontext: Welchen Sinn ergeben see- und landgestützte Seezielraketen? Sie ermöglichen auch einem vergleichsweise schwachen Staat die kostengünstige Abwehr überlegener Marinekräfte des potentiellen Gegners. Die beiden Autoren vertiefen diese und ähnliche Fragen mehrfach, wenn sie nicht nur Fallbeispiele aus der Sowjetunion selbst, sondern auch aus den Staaten analysieren, die von der SU oder China mit diesen Waffensystemen beliefert worden sind (z.B. DDR, Indien). Neben der Vorstellung der verschiedenen Raketen werden auch ihre Trägerplattformen, insbesondere die damals neuartigen Raketenschnellboote, vorgestellt und ihre Entwicklung nachvollzogen.
Der Band ist durchgängig mit instruktiven Tabellen, Fotos und Zeichnungen versehen. Das alles macht dieses Werk zu einer Fundgrube sowohl für Marineinteressierte als auch für jene, die die Wechselwirkung zwischen Strategie und Technik studieren wollen. Überdies wird man nach der Lektüre besser dazu fähig sein, manches aktuelle militärische Problem zu verstehen. Freilich muß man den beiden Autoren nicht bei jeder Bewertung oder Schlußfolgerung folgen, doch tut dies dem Wert ihres Werkes keinen Abbruch.
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