Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß sich meine Kenntnisse der polnischen Literatur in sehr engen Grenzen halten. Um dem abzuhelfen, begab ich mich zu meinem präferierten Antiquar, um durch seine Regale zu stöbern. Und ich bin fündig geworden: eine Anthologie mit Erzählungen von Jerzy Putrament, die 1976 in Berlin unter dem Titel „Der Hochverräter“ erschienen ist.
Das Oberthema der Texte ist zwar der Zweite Weltkrieg, doch ist der Krieg mit seinen Gefechten und politischen Affären nur von untergeordneter Bedeutung; sie finden nur im Hintergrund statt. Putraments eigentliches Thema sind die Menschen. Wie fühlen, denken, handeln sie in extremen Situationen. Psychologisch einfühlsam nähert er sich seinen Figuren: dem Soldaten einer abgeschnittenen Einheit im September 1939, den Untergebenen eines herrischen Partisanenkommandeurs, dem Leutnant, für den das kurze Wiedersehen mit seiner Frau zu einer qualvollen Veranstaltung wird oder dem verhafteten Polen, der in Mitgefühl für seinen ukrainischen Häscher versinkt.
Mir ist schleierhaft, wie dieses Buch in der Reihe „Bibliothek des Sieges“ erscheinen konnte, erwartet man doch darunter eher harte (kommunistische) Propaganda. Doch davon ist bei Putrament nichts zu spüren. Das ist echte Literatur, die den Leser zum Nachdenken anregt – zum Nachdenken über den Menschen.
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