Auf (mindestens) einem Feld sind sich die USA und Rußland sehr ähnlich. Diskussionen, die - im weistesten Sinne - um die Themen Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Militärwesen kreisen, finden eine breite Öffentlichkeit. Folglich existieren zahlreiche "Think-tanks" und selbständige Publikationen, die - natürlich in unterschiedlicher Qualität - dieses Bedürfnis nach öffentlicher Debatte zu befriedigen versuchen.
Dergleichen gibt es in Deutschland nicht. Neben staatlichen (z.B. SWP) oder indirekt vom Staat geförderten Publikationen und Einrichtungen (man denke insofern nur an alles, was über den Reservistenverband, die Parteistiftungen usw. läuft) gibt es nur noch die (oft ideologisch motivierte) Friedensbewegung mit ihren mehr oder weniger treffenden Analysen. Entsprechende Projekte, die nach dem 11. September auch an deutschen Universitäten aus dem Boden geschossen sind, haben es, soweit ich es überblicke, kaum geschafft, zu überleben.
Das ist in Rußland, wie gesagt, anders. Sicherheitspolitische Debatten werden mit einer Offenheit und Kontroversität geführt, wie ich sie in Deutschland bisweilen schmerzlich vermisse, wo es meist auf einen Gegensatz zwischen pazifistischen und "Die NATO ist toll"-Argumenten hinausläuft. Der soeben für die RF getätigte Befund paßt zwar nicht in das Bild der angeblich gleichgeschalteten Medien, die nur darauf warten, Putins Befehle auszuführen. Das Gegenteil ist der Fall, nicht nur bei dem hier behandelten Themenfeld. Als Beleg mag die heftige öffentliche Debatte um die seit etwas über einem Jahr laufende Militärreform dienen. Nachfolgend sollen die aus meiner Sicht wichtigsten Organisationen und Medien, die für diese Debatten eine Rolle spielen, vorgestellt werden.
1. Institutionen: Hier ist zuvörderst der Rat für Außen- und Verteidigungspolitik zu nennen, der recht offiziös daherkommt und in etwa mit der deutschen DGAP vergleichbar ist. Ferner das Zentrum für die Analyse von Strategie und Technologie, das Institut für politische und militärische Analyse, das Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der RAW, und das Institut für strategische Stabilität der Atombehörde Rosatom.
Dazu kommen noch kleinere, nur sporadisch sicherheitspolitische Fragen bearbeitende Denkfabriken sowie mehrere Lehr- und Forschungseinrichtungen des Verteidigungsministeriums und der öffentlichen Hochschulen.
2. Medien: Insoweit ist die Lage noch unübersichtlicher, denn zu den klassischen Medien kommen noch neue wie Internetzeitungen, Fachdiskussionsforen, Weblogs etc. hinzu.
In deutscher Sprache liefert RIA Nowosti täglich Nachrichten und Analysen zu sicherheitspolitischen Themen. Fast jede größere russische Zeitung verfügt über ein entsprechendes Ressort, stellvertretend sei hier die Netzzeitung Lenta.ru genannt.
Hinzu kommen spezialisierte Medien wie der Wojenno-promyschlennyj kurer, Arms-TASS, VPK.name und Oruzhie Rossii, deren Fokus auf der Rüstungsindstrie liegt. Die Webseite VKO.ru hingegen widmet sich exklusiv der Luftverteidigung.
Eine Sonderstellung nimmt die zur als liberal geltenden Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta gehörende Wochenschrift Nesavissimoje Wojennoje Obosrenije ein. Sie berichtet regelmäßig und kompetetent aus allen Bereichen der Sicherheitspolitik, der Armee, der Nachrichtendienste, der Militärgeschichte usw. und ist m.E. derzeit das beste Medium auf dem Markt.
Nicht vergessen sollte man auch die Zeitschriften des Verteidigungsministeriums wie Wojennaja Mysl, das Wojenno-Istoritscheskij Zhurnal oder Wojennyj Diplomat. Desweiteren sollten die hier bereits vorgestellten Magazine nicht vergessen werden.
In englischer Sprache sind schließlich Russia in Global Affairs (eine Gemeinschaftsarbeit mit Foreign Affairs), der Moscow Defense Brief sowie die Dienste von Interfax zu erwähnen.
Und warum schreibt der Krenkel das jetzt? Ganz einfach: Dieser Tage bin ich auf ein Radioprojekt namens Westi-Arsenal gestoßen, welches eine der o.g. Denkfabriken betreibt. In den wöchentlichen Sendungen werden die unterschiedlichsten Themen behandelt. Am 26.10.2008 waren das z.B. die letzten Entwicklungen bei Handfeuerwaffen (siehe auch hier).
Aprospos Radio. Auf den meisten Fernsehkanälen in der RF laufen - ähnlich den US-Produktionen auf N24 - regelmäßig Reportagen über militärische Themen. Die bekanntesten dürften Udarnaja Sila und Wojennoje Delo sein - und viele Folgen sind auch bei Youtube & Co. zu finden.
Verwandte Beiträge:
Von der Katjuscha zur Kursk
Russische Waffen- und Militärzeitschriften
Izhmash ist nicht pleite
Sensation: Ein selbstkritischer Journalist
Für Bücherwürmer
Links: Informationen aus Russland
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen