Die insgesamt 21 Folgen, die auf dem gleichnamigen Roman von Janusz Przymanowski basieren, sind von 1966 bis 1970 entstanden und stellten bei ihrem Erscheinen eine kleine Revolution dar. Wurde doch der zweite Weltkrieg nicht mehr schwermütig, pathetisch und propagandistisch verarbeitet, sondern ein wenig lockerer und sogar humorvoll. Die Serie hat die richtige Mischung von allem, was einen guten Kriegsfilm ausmacht: Abenteuer, Waffen, Kampf, Kameradschaft, Liebe, Pathos, Emotionen, ohne es mit einem davon zu übertreiben. Zudem hält sich die Gewaltdarstellung in Grenzen, weshalb keine „Verrohung der Jugend“ zu befürchten ist.
Inhaltlich geht es um einen jungen Polen namens Janek, der 1943 in der Sowjetunion lebt und sich dort als Jäger verdingt. Eigentlich sucht er seinen Vater, der 1939 einer der Verteidiger der Westerplatte war. Als es nun zur Aufstellung polnischer Truppen in der UdSSR – der Polnischen Volksarmee (poln. Abk.: LWP) – kommt, meldet er sich freiwillig, um für die Befreiung seiner Heimat zu kämpfen. Er und sein Jagdhund Scharik kommen zu einer Panzerbrigade, womit die Abenteuer ihren Lauf nehmen, die ihn und seine Kameraden bis zum Mai 1945 nach Berlin führen werden. (Mehr dazu bei Wikipedia.)
Teile der Handlung sind allerdings rein fiktiv. So halte ich es etwa für unwahrscheinlich, daß Deutschland in Pommern eine Atomfabrik betrieben und im Frühjahr 1945 eine Seelandung zur Evakuierung dieser Fabrik organisiert hat. Auch die säbelschwingenden Kavalleristen, die in zwei Episoden auftauchen, dürften vor allem eine Remineszenz an den Glorienschein vergangener Zeiten sein. Doch sollte man dies unter künstlerischer Freiheit verbuchen, schließlich handelt es sich nicht um eine Dokumentation.
Die Serie ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch hochinteressant. Es wimmelt von mehr oder weniger versteckten Andeutungen zu historischen oder politischen Fragen (wenn man sie denn versteht), ohne daß diese in epischer Breite ausgewalzt werden. Beispiel: Bei ihrem Vormarsch in Pommern greifen sie einen deutschen Jungen auf, der seine Eltern verloren hat. Zum Abschied schenkt ihm der Georgier Gigorij einen Spielzeugfrosch, woraufhin ein Pole meint, Grigorijs Säbel wäre ein besseres Geschenk gewesen, damit der Junge seine Zähne behält. Oder: Im Frühjahr 1945 verlieren sie ihren Jeep, woraufhin sie in ein Lager der Roten Armee einbrechen und einen anderen stehlen. Dabei stellen sie fest, daß es sich um ihr eigenes Fahrzeug handelt. Ihr Kommentar: Unter Nachbarn kann es schon einmal vorkommen, daß man sich gegenseitig beklaut. ;-)
Selbst der Spitzname „Ogonjok“ (dt.: Flämmchen) von Janeks Verlobter Marusia, einer Sanitäterin der Roten Armee, scheint mir kein Zufall zu sein. Denn 1943 ist in der SU ein gleichnamiges Lied entstanden, in dem es um einen Soldaten geht, der seine Liebste so nennt. Überhaupt sind die Frauen ein eigenes Thema in „Vier Panzersoldaten und ein Hund“. Der Held, Janek, kann sogar zwischen zweien wählen. ;-) Und auch seine Kameraden knüpfen Kontakte zum anderen Geschlecht. Dennoch bleibt das alles im Rahmen, ohne sich in schwülstigen Liebeserklärungen zu verlieren. Hier zeigt sich wiederum die Stärke des Films: Lieber ein paar kurze Andeutungen, die die Phantasie des Zuschauers anregen, als ein Auswalzen um jeden Preis. Zudem dürfte dies eher der Realität von Frontbeziehungen im 2. WK entsprechen als alle pathetischen Schilderungen (siehe auch hier).
Mit den gezeigten Soldatinnen sollte man übrigens nicht spaßen, denn sie führen nicht nur Waffen, sie verstehen auch, damit umzugehen. ;-)
Bezeichnend ist ferner die Begegnung mit einem Offizier der alten polnischen Armee, der seit 1939 in einem deutschen Kriegsgefangenenlager saß und gerade freigekommen ist. Er fragt seinen früheren Untergebenen, welcher jetzt in der LWP dient, was er „in dieser Armee“ (nicht: „in unserer Armee“!) tue. Dann nimmt er ein Mosin-Nagant in die Hand, schüttelt es und stellt fest, daß es klappert. Seine Bemerkung dazu: „Die Mauser aus Radom hat nicht geklappert.“
Damit ist bereits angedeutet, daß der Waffenfreund in dieser Serie nicht zu kurz kommt. Janek ist ein hervorragender Schütze, und so sieht man ihn mit einer Jagdflinte, einem Mosin-Nagant-Karabiner, einem Karabiner 98 mit Zielfernrohr und einer PPSch-41. Doch meistens führt er eine erbeutete C-96-Pistole. An Blankwaffen wird ebenfalls einiges aufgeboten. Ich kenne nur wenige Filme, in denen sie derart häufig gezeigt werden und wo sich die Darsteller über die Vorzüge bestimmter Modelle oder eine Klingeninschrift unterhalten. Der geneigte (junge) Zuschauer lernt daraus vor allem, daß ein richtiger Mann immer ein Messer bei sich trägt. (Vielleicht liegt hier der Grund für mein Interesse an Blankwaffen? Irgendeine frühkindliche Prägung muß es doch gewesen sein. ;-))
Doch ein gewaltiger Fauxpas ist den Filmemachern unterlaufen. Während in einer Szene der Folge „Wysoka fala“ kurz ein Sturmgewehr 44 auftaucht und damit auch geschossen wird, ist selbiges danach durch eine AK-47 ersetzt worden (vgl. Bild 4). Das paßt natürlich nicht. Ansonsten hat man sich weitgehend um Originaltreue bemüht, selbst wenn fahrzeugmäßig nur noch die T-34-Panzer zeitgenössisch sind. Doch damit kann der Zuschauer, denke ich, leben.
Erstaunlich offen ist der Umgang mit einem anderen brisanten Thema: Diebstähle oder, moderater formuliert, dem Besitzerwechsel bei mehr oder weniger herrenlosen Sachen. Ein neuer Rekrut namens Tomasz, seiner Herkunft nach Bauernsohn, versucht, möglichst viel Beute zu machen und mit in sein heimatliches Dorf zu nehmen. Egal, ob eine Kuh hinter dem Panzer hergetrieben wird oder ob er sich an einem Plattenspieler (aus einem zerstörten Propagandawagen) oder an typisch deutschen Kuckucksuhren erfreut. Nur mühsam gelingt es seinen Kameraden, ihn insofern zu besänftigen. Hier zeigt sich das Kriegerleben in einer sehr urwüchsigen Form.
Gewiß, auch in „Vier Panzersoldaten und ein Hund“ findet sich Propaganda, allerdings mehr polnisch-patriotische denn kommunistische. Es ist deutlich weniger, als in vielen anderen Filmen, zumal solchen aus der Zeit des Kalten Krieges. Aufgefallen sind mir lediglich drei Szenen: Erstens wird Danzig als polnische Stadt bezeichnet, die man jetzt zurückgewonnen hätte. Ebenso wird alles Land östlich der Oder als genuin polnisch angesehen. Historisch betrachtet ist beides zwar Unfug, aber in Polen wohl nach wie vor herrschende Meinung. Und in der letzten Folge wird gegen pazifistische Tendenzen angegangen, als Gustlik meint, man habe kein Recht, seine Waffen wegzuwerfen, solange es die anderen nicht ebenfalls tun. (Letzteres erachte ich übrigens für eine sehr vernünftige Einstellung.)
Desweiteren hält sich sogar die Germanophobie in engen Grenzen. Ich kenne polnische und sowjetische Filme, in denen die Soldaten der deutschen Wehrmacht durchgängig als sadistische Bestien gezeichnet werden. Dem ist hier erfreulicherweise nicht so.
So, jetzt aber genug gelobt. ;-) Weitere umfangreiche Informationen zur Serie gibt es u.a. hier, hier, hier, hier, hier und hier. Es gab auch einmal eine deutsche Fanseite im Netz, die mittlerweile jedoch verschieden ist. In Polen existiert jedenfalls ein Diskussionsforum sowie ein Blog zur Serie.
Wenn man den polnischen Originaltitel oder die russische Übersetzung in die Videosuche von Google eingibt, so stößt man auf zahlreiche Videos mit Ausschnitten sowie auf mehrere Folgen in voller Länge. Einen Großteil der Filme sollte man außerdem hier und hier (inkl. Musikstücken) finden.
Die DVDs können hierzulande z.B. über Amazon.de bezogen werden. (Insofern ist die Lage besser als bei manchen russischen Filmen, die in Deutschland fast gar nicht erhältlich sind.)
Das erste Video (o.) beinhaltet die Eingangssequenz mit dem Titellied, das von Edmund Fetting gesungen wird. Das zweite stellt den Anfang der ersten Folge und somit Janeks Leben als Jäger in Ostsibirien dar. Im letzten Video singt Marusia ein Lied über die vier Panzersoldaten.
PS: Ja, es gibt ein Happy End. Janek findet seinen Vater - lebend. Und in der letzten Folge wird geheiratet ... ;-)
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