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Sonntag, 22. Dezember 2013
Deutscher Minister empfängt Wirtschaftskriminellen
Ein Bild, das um die Welt ging: Der langjährige Bundesminister Hans-Dietrich Genscher empfängt den begnadigten Wirtschaftsverbrecher Michail Chodorkowskij auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld herzlich, wie einen lange vermißten Freund. Die deutschen Hauptstrommedien triumphieren und jubeln Chodorkowskij zu. Er sei Putins Erzfeind, ein Regierungskritiker und politischer Häftling, der wichtigste Gegner des Kremls usw. Von seiner Biographie, seinen dunklen Geschäften und Gesetzesverletzungen hingegen kein Wort. Kein Wort über die Ermordung des Bürgermeisters Wladimir Petuchow im Jahre 1998, die wie viele andere Delikte auch auf das Konto des sogenannten "Dissidenten" gehen dürfte. Dabei sind wir Deutschen doch angeblich so an "Menschenrechten" und anderen "Werten" interessiert. Doch für die Hinterbliebenen Petuchows setzen sich weder Genscher noch die deutsche Presse ein. Auch keine Rede davon, daß z.B. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sich mehrfach geweigert hat, die Mär von der politischen Justiz im Falle Chodorkowskijs zu stützen.
Dabei war der Begnadigung ein Verwirrspiel vorausgegangen, das zeigt, daß die große Schar von Chodorkowskijs Anwälten und PR-Agenten nichts von dem Gnadengesuch ihres Chefs wußte. Nun hat Chodorkowskij in atemberaubender Geschwindigkeit binnen weniger Stunden eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und den Schengenraum bekommen - andere Bürger Rußlands müssen selbst für ein kurzzeitiges Touristenvisum eine lange und beschwerliche Prozedur auf deutschen Konsulaten durchlaufen. Das dürfte vielen Russen ebenso zu denken geben wie der heiße Empfang, den er hier gefunden hat. Dabei ist er begnadigt worden, weil seine restliche Haftdauer nur noch wenige Monate betrug und seine alte Mutter ernsthaft krank ist (und sich in Deutschland behandeln läßt).
Ob sich Personen, die hier in Deutschland Steuern hinterzogen haben, auch auf ein derartiges Wohlwollen von Politik und Presse stützen können? Oder werden sie nicht eher wie Uli Hoeneß oder Klaus Zumwinkel von der Journaille gegrillt. Dabei könnte man doch auch sie als Widerstandskämpfer gegen den Unsinn des komplizierten Steuerrechts der BRD, verbunden mit einem überbordenden Sozialstaat, sehen. Tut hierzulande aber wohl keiner. Wir lieben Wirtschaftskriminelle nur dann, wenn sie ihre Straftaten in Rußland begehen und so diesen uns verhaßten Staat und seine Bürger schädigen. Oder dürfen bei uns auch Manager, die in den USA verurteilt worden sind, auf eine freundliche Aufnahme inklusive Ministerempfang rechnen?
Bleibt abzuwarten, was mit Chodorkowskij weiter geschehen wird. Eine weitere Karriere in Rußland selbst erscheint nur als Marionette seiner ausländischen Gönner vorstellbar, denn einen Großteil seines erheblichen Privatvermögens hat er verloren. Vielleicht ist die juristische Seite noch gar nicht abgeschlossen, denn es gibt auch außerhalb Rußlands Menschen und Unternehmen, die von ihm geschädigt worden waren. In mehreren Staaten wurde gegen ihn ermittelt und vielleicht klicken demnächst ja in den USA oder der Schweiz bei "M.B.K." die Handschellen. Wie wird unsere Presse dann auf die Festnahme ihres Helden reagieren?
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Dienstag, 19. November 2013
Der "Arctic Sunrise"-Fall vor dem Internationalen Seegerichtshof
Blick in den Sitzungssal des Seegerichtshofes am 06.11.2013 (Foto: ISGH).
In Den Haag sah man sich offenbar durch die causa Arctic Sunrise unter Druck gesetzt, als Flaggenstaat des Greenpeaceschiffes reagieren zu müssen. Außerdem bot sich so die seltene Gelegenheit, gegen das wegen seiner Innenpolitik verhaßte Rußland, das die alten europäischen Werte verteidigt, vorzugehen. Also zog man mit großem Getöse vor den Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg. Dort fand am 6. November 2013 eine Anhörung statt. Die niederländische Klage dürfte jedoch kaum Aussicht auf Erfolg haben.
1. Fehlende Zuständigkeit des ISGH
Das Seerechtsübereinkommen hat in seinen Artikeln 279 ff. umfangreiche Mechanismen zur friedlichen Streitbeilegung eingeführt (darunter auch der neugeschaffene ISGH). Doch Artikel 298 SRÜ gibt den Unterzeichnerstaaten der Konvention das Recht, in den dort genannten Fällen einen Vorbehalt gegen Verfahren vor dem Seegerichtshof und anderen internationalen Gerichten zu erheben:
"(1) Ein Staat kann unbeschadet der Verpflichtungen aus Abschnitt 1, wenn er dieses Übereinkommen unterzeichnet, ratifiziert oder ihm beitritt, oder zu jedem späteren Zeitpunkt schriftlich erklären, dass er einem oder mehreren der in Abschnitt 2 vorgesehenen Verfahren in Bezug auf eine oder mehrere der folgenden Arten von Streitigkeiten nicht zustimmt: [...]Das bedeutet, daß der ISGH in den von einem solchen Vorbehalt erfaßten Konstellationen nicht zuständig ist und auch nicht tätig werden darf. Die Staaten, die das SRÜ ratifiziert haben, haben von den Möglichkeiten, die ihnen Art. 298 SRÜ bietet, umfänglich Gebrauch gemacht. So haben z.B. Dänemark und Norwegen nahezu gleichlautende Vorbehalte abgegeben, die Art. 298 vollständig ausschöpfen, allerdings nur, soweit es sich um Schiedsgerichte handelt:
b) Streitigkeiten über militärische Handlungen, einschliesslich militärischer Handlungen von Staatsschiffen und staatlichen Luftfahrzeugen, die anderen als Handelszwecken dienen, und Streitigkeiten über Vollstreckungshandlungen in Ausübung souveräner Rechte oder von Hoheitsbefugnissen, die nach Artikel 297 Absatz 2 oder 3 von der Gerichtsbarkeit eines Gerichtshofs oder Gerichts ausgenommen sind; [...]"
"The Government of the Kingdom of Norway declares pursuant to article 298 of the Convention that it does not accept an arbitral tribunal constituted in accordance with Annex VII for any of the categories of disputes mentioned in Article 298."Etwas weniger umfangreich, dafür tiefergehender sind die Vorbehalte von Frankreich und Großbritannien:
"With reference to the provisions of article 298, paragraph 1, France does not accept any of the procedures provided for in Part XV, section 2, with respect to the following disputes: [...]Beide Staaten verbitten sich also jegliche Einmischung eines internationalen Gerichts in Fälle, die militärische, polizeiliche und ähnliche Amtshandlungen betreffen. Die Rußländische Föderation hat zum Zeitpunkt der Ratifikation des Übereinkommens am 12.03.1997 eine ebensolche Vorbehaltserklärung abgegeben:
Disputes concerning military activities, including military activities by government vessels and aircraft engaged in non-commercial service, and disputes concerning law enforcement activities in regard to the exercise of sovereign rights or jurisdiction excluded from the jurisdiction of a court or tribunal under article 297, paragraph 2 or 3;"
"The United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland does not accept any of the procedures provided for in section 2 of Part XV of the Convention with respect to the categories of disputes referred to in paragraph 1 (b) and (c) of article 298."
"The Russian Federation declares that, in accordance with article 298 of the United Nations Convention on the Law of the Sea, it does not accept the procedures, provided for in section 2 of Part XV of the Convention, entailing binding decisions with respect to disputes [...] concerning military activities, including military activities by government vessels and aircraft, and disputes concerning law-enforcement activities in regard to the exercise of sovereign rights or jurisdiction;"Auf diese Erklärung hat die (örtlich zuständige) Botschaft der RF in Berlin ausdrücklich Bezug genommen, als sie am 22.10.2013 dem ISGH eine Verbalnote übersandte, in welcher sie erklärte, daß Rußland weder an dem von den Niederlanden angestrebten Schiedsverfahren mitwirken noch vorläufige Maßnahmen des ISGH gem. Art. 290 V SRÜ akzeptieren werde. Zugleich wurde zum wiederholten Male die Bereitschaft Moskaus bekundet, mit eine bilaterale Lösung mit Den Haag zu suchen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Selbstverständlich haben keine Vertreter der RF an der Anhörung von 06.11. teilgenommen.
Dieser im Völkerrechtsverkehr ganz normale Vorgang wurde von der deutschen Presse wie üblich böswillig, geradezu haßerfüllt kommentiert. Etwa von Martina Powell in der ZEIT: "Vorab hatte Russland angekündigt, die Verhandlung zu boykottieren." Die relevanten Rechtsfragen werden von Powell leider nicht erörtert. Statt dessen wird die RF den deutschen Lesern (wieder einmal) als internationaler Bösewicht, der angeblich mit niemandem kooperieren wolle, verkauft. Polemik statt Erforschung der Rechtslage. Die ZEIT fordert mithin - ohne es so deutlich zu formulieren -, daß für Rußland ein anderes Völkerrecht gelten soll als für das Vereinigte Königreich, für Frankreich, Dänemark oder Norwegen (s.o.). Sehen deutsche Journalisten die RF als minderwertiges Völkerrechtssubjekt an?
Mit welchen juristischen "Kapazitäten" das niederländische Außenministerium bei der Anhörung am 06.11.2013 in Hamburg aufgetreten ist, zeigt hinsichtlich der Zuständigkeit auch das folgende Begehren:
"The Kingdom of the Netherlands requests the International Tribunal for the Law of the Sea with respect to the dispute concerning the Arctic Sunrise, to declare that: [...]Der Terminus "prima facie" bedeutet in der Juristensprache "nach dem ersten Anschein". D.h. die Niederlande behaupten, das von ihnen für den Fall "Arctic Sunrise" angestrebte Schiedsgericht sei auf den ersten Blick zuständig, obwohl die beklagte Partei seit 1997 ebendiese Zuständigkeit explizit ausschließt, indem sie sich einem solchen Gerichtsverfahren ausnahmsweise nicht unterwirft. Letzteres steht zudem in völligem Einklang mit Artikel 309 SRÜ, weshalb nicht einmal der "Notnagel" angewandt werden kann, den gem. Art. 298 SRÜ erklärten Vorbehalt der RF für unbeachtlich oder nichtig zu erklären.
b) the arbitral tribunal to which the dispute is being submitted has prima facie jurisdiction;"
Wie erkrankt müssen die Augen der holländischen Regierung also sein, um angesichts dieser Lage den von ihr behaupteten "ersten Blick" wahrzunehmen?
Ergebnis: Der Internationale Seegerichtshof muß Klage der Niederlande abweisen, denn er hat (um in der englischen Rechtssprache zu bleiben) keine Jurisdiktion über den Fall.
2. Materielle Mängel des niederländischen Antrages
Neben der fehlenden Zuständigkeit, die zur Klageabweisung führen muß, ist der niederländische Antrag auch insofern bemerkenswert, als er vom ISGH etwas fordert, was das Gericht laut Seerechtsübereinkommen nicht darf.
"The Kingdom of the Netherlands requests the International Tribunal for the Law of the Sea with respect to the dispute concerning the Arctic Sunrise, [...] to order, by means of provisional measures, the Russian Federation:Das Königreich der Niederlande verlangt also vom ISGH eine weitreichende Anordnung, die darauf abzielt, das an die Kette gelegte Greenpeace-Schiff "Arctic Sunrise" unverzüglich freizugeben (lit. d)), seine Besatzung unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen (lit. e)) und auf alle jetzigen und zukünftigen juristischen und administrativen Maßnahmen gegen Besatzungsmitglieder, Eigner und Reeder zu verzichten (lit. e)).
d) to immediately enable the Arctic Sunrise to be resupplied, to leave its place of detention and the maritime areas under the jurisdiction of the Russian Federation and to exercise the freedom of navigation;
e) to immediately release the crew members of the Arctic Sunrise, and allow them to leave the territory and maritime areas under the jurisdiction of the Russian Federation;
f) to suspend all judicial and administrative proceedings, and refrain from initiating any further proceedings, in connection with the incidents leading to the dispute concerning the Arctic Sunrise, and refrain from taking or enforcing any judicial or administrative measures against the Arctic Sunrise, its crew members, its owners and its operators; and
to ensure that no other action is taken which might aggravate or extend the dispute."
a) Vorläufige Maßnahmen
Dabei soll es sich laut Antrag allerdings nur um vorläufige Maßnahmen gem. Art. 290 SRÜ handeln. Doch schon aufgrund dieser von den Niederlanden genannten Rechtsnorm ist zweifelhaft, ob derart weitreichende Entscheidungen noch dem Charakter vorläufiger Maßnahmen entsprechen. Denn die geforderten Maßnahmen tragen doch sehr endgültigen Charakter. Nach Art. 290 V Satz 2 SRÜ kann das noch zu bildende Schiedsgericht, dem Holland die Streitigkeit unterbreiten will, nach seiner Bildung diese vorläufigen Maßnahmen ändern, widerrufen oder bestätigen.
Doch die geforderten Maßnahmen würden den Fall bereits endgültig endscheiden, das Schiedsgericht hätte gar nichts mehr zu verhandeln. Insbesondere könnte es die "vorläufige Entscheidung" nicht mehr abändern im Sinne von rückgängig machen, da die faktischen Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben wären. Das gilt insbesondere für die unter geforderte Freilassung der Untersuchungshäftlinge, die sich, nach ihrer Ausreise aus der RF, wohl nie wieder freiwillig zu einer Gerichtsverhandlung nach Rußland begeben werden.
Daher würde der ISGH, sollte er dem vorgebrachten Ansinnen folgen, seine Kompetenzen hinsichtlich vorläufiger Maßnahmen überschreiten. Denn diese müssen nach Art. 290 I SRÜ so ausgestaltet sein, daß sie die Rechte jeder Streitpartei bis zu einer endgültigen Entscheidung des Schiedsgerichts sichern. Das wäre vorliegend offensichtlich nicht der Fall.
Mithin darf der Seegerichtshof die geforderten vorläufigen Maßnahmen nicht anordnen.
b) Sachliche Unzulässigkeit der geforderten Maßnahmen
Insbesondere die von der königlichen Regierung geforderte Anordnung der Beendigung aller gerichtlichen und behördlichen Untersuchungen und sonstigen Maßnahmen gegen Besatzungsmitglieder der "Arctic Sunrise" durch Rußland (s.o. 2. unter lit. f) des Antrags) liegt außerhalb der Befugnisse des ISGH. In ihrem Vortrag berufen sich die niederländischen Vertreter auf Artikel 292 SRÜ, der die vorläufige Freigabe von festgesetzten Schiffen und Besatzungen regelt. Doch das weitreichend holländische Ansinnen, mit dem ein umfassendes Strafverfolgungsverbot erwirkt werden soll, ist mit dem Absatz 3 von Art. 292 unvereinbar. Darin heißt es:
"Der Antrag auf Freigabe wird von dem Gerichtshof oder Gericht unverzüglich behandelt, wobei nur die Frage der Freigabe behandelt wird; die Sache selbst, deren Gegenstand das Schiff, sein Eigentümer oder seine Besatzung ist, wird dadurch bezüglich des Verfahrens vor der zuständigen innerstaatlichen Instanz nicht berührt."Das ist eindeutig. Ein zuständiges internationales Gericht dürfte folglich nur über die Freigabe als solche entscheiden - also über die Punkte d) und e) des oben zitierten niederländischen Antrages. Über Punkt e) allerdings nur insofern, als damit nicht faktisch laufende Verfahren vor der zuständigen innerstaatlichen Instanz Rußlands unmöglich gemacht würden.
Die Niederlande fordern somit vom Internationalen Seegerichtshof unter Verweis auf Art. 292 SRÜ eine Entscheidung, die das Gericht nach dem Wortlaut dieser Norm gar nicht treffen darf.
Dabei ist das holländische Ansinnen offensichtlich: Unter dem Deckmantel vorläufiger Maßnahmen soll der ISGH im Vorgriff auf ein noch gar nicht existierendes Schiedsgericht (das überdies gar nicht zuständig ist - s.o. 1.) den Fall Arctic Sunrise praktisch endgültig entscheiden. Anscheinend versuchen die Machthaber in Den Haag, in die souveräne Rechtsprechungsgewalt der Rußländischen Föderation einzudringen, um an dem Land ein Exempel zu statuieren.
Dabei bestehen weitere Zweifel dahingehend, ob das von den Niederlanden angedachte Verfahren des Artikels 292 SRÜ auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist. Denn bei der Ausarbeitung der Norm hat man an andere Konstellationen als im Fall der "Arctic Sunrise" gedacht. Typische Anwendungsfälle sind z.B. Fischereifahrzeuge, die ohne Lizenz Fischfang betreiben oder trotz Lizenz die Fischereischutzbestimmungen mißachten. Oder aber Handelsschiffe, die illegalerweise während der Fahrt Abfälle in Meer entsorgen.
Für derartige Fälle ist im Seerechtsübereinkommen der ungeschriebene Grundsatz verankert, daß die Schiffe nicht länger als unbedingt nötig von den Behörden im Hafen festgehalten werden sollen, denn festliegende Schiffe sind bekanntlich totes Kapital. Der verursachte Schaden wird i.d.R. durch Bußgelder oder andere Geldzahlungen abgegolten. Die Daten des Schiffseigners sind bekannt und dieser muß eine Kaution hinterlegen, um sein Schiff wieder freizubekommen. Zudem sind Verstöße dieser Art i.d.R. nur einer Person anzulasten: dem Kapitän, dem die übrigen Besatzungsmitglieder unterstellt sind. Daher sind auch Fälle bekannt, in denen der verantwortliche Schiffsführer in Haft blieb, obwohl das Schiff und seine Besatzung bereits freigegeben waren. Soweit die typischen Fallgestaltungen.
Bei der "Arctic Sunrise" ist die Lage jedoch anders. Das Schiff wird von Greenpeace International betrieben, einer "Nichtregierungsorganisation", die in Holland in der Rechtsform einer Stiftung organisiert ist. Schon daher besteht seitens Greenpeace kein anerkennenswertes wirtschaftliches Interesse daran, das Schiff unbedingt in Fahrt halten zu müssen. Zweitens war der von der Schiffsbesatzung begangene Rechtsbruch keine kleine Nebenhandlung während einer ansonsten ordnungsgemäßen Reise, sondern der Hauptzweck der Fahrt (s.u. 3. a)).
Und drittens hat wohl die gesamte Schiffsbesatzung enthusiastisch am Angriff auf die Bohrplattform "Priraslomnaja" teilgenommen. Somit dürfte es schwerfallen, die Verantwortung nur auf eine einzelne Person wie den Kapitän zu begrenzen. Beim Festhalten der "Arctic Sunrise" geht es nicht nur um das "Eintreiben" eines Bußgeldes vom Schiffseigner, sondern um die gerichtliche Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit aller Besatzungsmitglieder.
Ergebnis: Der Internationale Seegerichtshof dürfte, selbst wenn er im vorliegenden Fall zuständig wäre (s.o. 1.), die vom Königreich der Niederlande geforderten Maßnahmen nicht anordnen, denn diese lägen großteils außerhalb seiner Kompetenzen.
Jetzt noch ein kurzer Schwenk zum bereits erwähnten Artikel von Martina Powell in der ZEIT. Sie behauptet:
"Entscheidet der Gerichtshof zu Gunsten der Niederlande, könnten die Inhaftierten vorläufig freikommen und im Ausland darauf warten, bis die Verhandlungen wegen "Rowdytums" vor russischen Gerichten beginnt."Offenkundig ist Frau Powell mit dem Lesen und Verstehen der in englischer Sprache publizierten Gerichtsdokumente überfordert. Denn würde der ISGH zugunsten Den Haags entscheiden, dann dürfte es bezüglich der "Arctic Sunrise" überhaupt keine Gerichtsverfahren in Rußland mehr geben. So wollen es die Holländer (s.o. 2.). Warum unterstellt Powell ihnen etwas anderes?
Die "Arctic Sunrise" neben dem Küstenwachschiff "Ladoga" kurz nach
dem Einlaufen beider Schiffe in Murmansk (Foto: RIA Nowostij).
dem Einlaufen beider Schiffe in Murmansk (Foto: RIA Nowostij).
3. Weitere interessante Aspekte
a) Zweck der Fahrt der "Arctic Sunrise"
Während der Anhörung in Hamburg hat das Gericht die niederländischen Vertreter gefragt, ob die Entscheidung, in die Sicherheitszone der Bohrinsel einzudringen, vom Kapitän gefällt wurde oder ob Greenpeace als Organisation dafür verantwortlich ist. In ihrer Antwort zitieren die Niederlande aus einer Erklärung von Greenpeace. Darin gibt Greenpeace unumwunden zu, daß der Plan, in die Sicherheitszone einzudringen und einige "Aktivisten" die Bohrinsel entern zu lassen, bereits vor der Abfahrt des Schiffes aus seinem Heimathafen von Greenpeace selbst ausgearbeitet worden ist.
Das heißt, die Begehung illegaler Handlungen war der Hauptzweck der Reise der "Arctic Sunrise" und die während der Aktion an der "Priraslomnaja" begangenen Rechtsbrüche waren seitens der "Umweltschützer" von vornherein geplant.
b) Demonstrationsrecht in der Sicherheitszone und auf der Bohrinsel?
Die königliche Regierung in Den Haag vertritt die eigenartige Rechtsauffassung, daß es sich bei der Greenpeace-Aktion - also dem Eindringen in die Sicherheitszone der Bohrplattform und dem Entern derselben - um einen "friedlichen Protest" gehandelt hätte, der von den Freiheiten auf Meinungsäußerung und Demonstration geschützt gewesen sei. Außerdem sei von der Greenpeace-Aktion keine Gefahr ausgegangen, denn es seien Festrumpfschlauchboote verwendet worden. Auch das Entern der Bohrinsel hätte die Sicherheit nicht beeinträchtigt.
Diese Meinung steht allerdings im Widerspruch sowohl zum geltenden Recht als auch zur Staatenpraxis einschließlich der Rechtsprechung niederländischer Gerichte.
Eine Sicherheitszone dient nach Art. 60 IV SRÜ der Sicherheit der in ihr befindlichen künstlichen Anlage. Der Begriff Sicherheit ist hier nicht nur in einem engen Sinne von technischer Sicherheit oder Arbeits- bzw. Umweltschutz zu verstehen. Vielmehr sollen alle von außen kommenden Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Betriebes der Anlage ausgeschlossen werden.
Zur Gewährleistung der Sicherheit gehört ferner der Schutz der Anlage vor Angriffen, wie sie in Artikel 3 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt (ÜBWHSS) aufgeführt sind (siehe dazu auch hier). Greenpeace hat bereits bei der ersten Besetzung der "Priraslomnaja" in Jahr 2012 eine Straftat im Sinne von Art. 3 I lit. a9 ÜBWHSS begangen, indem sie durch Einschüchterung die Herrschaft über die Bohrinsel übernommen haben. Bei ihrem zweiten Angriff im September diesen Jahres sollte dies wiederholt werden, wurde aber abgewehrt. Doch bereits der Versuch stellt gem. Art. 3 II lit. a) ÜBWHSS eine Straftat dar.
(Leider geht die holländische Regierung in ihren Einlassungen nicht auf die Bedeutung dieses Vertrages für den Fall "Arctic Sunrise" ein.)
Des weiteren darf nicht vergessen werden, daß es sich bei der "Priraslomnaja" um Privateigentum eines Unternehmens handelt. Der Eigentümer und Betreiber hatte Greenpeace das Entern seiner Plattform explizit verboten. Trotzdem taten sie es - und konnten sich dabei nicht auf die Demonstrationsfreiheit berufen. Denn diese gewährt nicht das Recht, Privatgelände ohne Zustimmung des Eigentümers zu betreten und zu nutzen. So heißt es z.B. in Artikel 11 II der Europäischen Menschenrechtskonvention (der sowohl die Niederlande als auch Rußland beigetreten sind), daß die Versammlungsfreiheit einegschränkt werden darf, um die Rechte und Freiheiten anderer - hier: des Eigners der "Priraslomnaja" - zu schützen. Denn der Eigner kann sich ebenfalls auf die Menschenrechte berufen (vgl. Artikel 1 I 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK).
Außerdem ist zweifelhaft, ob die Versammlungsfreiheit im Sinne der EMRK im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist, denn die sog. "Aktivisten" waren ja bereits zuvor an Bord der "Arctic Sunrise" versammelt gewesen, mußten sich also in der Sicherheitszone nicht erneut "versammeln". Vielmehr haben sie diese an Bord ihres Schiffes bzw. dessen Beibooten auch gemeinsam betreten.
Noch absurder ist der niederländische Vortrag, die Greenpeace-Aktion sei vom Recht der freien Meinungsäußerung besonders geschützt gewesen. Dieses Recht ist allerdings nicht an einen bestimmten Ort gebunden, es hätte auch am Rande der Sicherheitszone wirksam ausgeübt werden können. Und daß es sich bei den Greenpeace-Aktionen in der Arktis keineswegs um "friedlichen Protest handelt, wurde in diesem Blog bereits hinreichend nachgewiesen (vgl. hier und hier).
Im übrigen gelten hinsichtlich dieses Komplexes die Gesetze der Rußländischen Föderation (StGB, Versammlungsrecht, Gesetz über die AWZ etc.). Dies ergibt sich unzweifelhaft aus Artikel 60 II SRÜ, wonach der Küstenstaat über die künstlichen Anlagen ausschließliche Hoheitsbefugnisse ausübt, einschließlich der Sicherheits- und Einreisegesetze sowie sonstiger diesbezüglicher Vorschriften.
Wie stehen nun andere Staaten zu diesem Thema? Die Rechtsauffassung der USA ist insofern eindeutig und in den entsprechenden Verfügungen der Küstenwache niedergelegt:
"Lawful demonstrations may be conducted outside of the safety zone."Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland ist das unerlaubte Einfahren in eine Sicherheitszone verboten und kann mit Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Ausnahmen für Demonstrationen sind auch hier nicht vorgesehen. Die dänischen bzw. grönländischen Behörden betrachten das Eindringen in eine Sicherheitszone und das Entern einer Bohrinsel ebenfalls als rechtswidrig. Und in Neuseeland ist man derzeit damit beschäftigt, die eigene Rechtsordnung anzupassen, "to protect offshore petroleum and mineral activity from unlawful interference". Gemeint sind damit die üblichen Handlungen von Greenpeace und ähnlichen Gruppierungen.
Ferner setzt sich die Haager Regierung mit ihrer Meinung, das Entern der Bohrinsel "Priraslomnaja" sei vom Meinungs- und Demonstrationsfreiheit geschützt, in Widerspruch zur Justiz ihres eigenen Landes. Im Juni 2011 hatte ein niederländisches Gericht Greenpeace dazu verurteilt, keine Bohrplattformen der Fa. Cairn Energy mehr anzugreifen. Bei Zuwiderhandlung drohen den "Umweltaktivisten" Strafzahlungen in Höhe von 50.000 € pro Tag. Offenkundig sahen in diesem Fall die Richter - zu Recht - keinen besonderen Schutz der Greenpeaceattacken aufgrund irgendwelcher Grund- oder Menschenrechte.
Ergebnis: Die Gesetzgebung, Behördenpraxis und Rechtsprechung zahlreicher Staaten (einschließlich Hollands) bestätigen die Rechtsauffassung Rußlands, wonach es sich beim Eindringen in die Sicherheitszone und beim Entern der "Priraslomnaja" am 19.09.2013 um illegale Akte handelte, die nicht von der Demonstrations- oder Meinungsfreiheit geschützt waren.
c) Droht die "Arctic Sunrise" zu sinken?
Für besonderes Amusement sorgt bei sachkundigen Zuhörern die Behauptung der niederländischen Regierung, der aktuell im Hafen von Murmansk liegenden "Arctic Sunrise" drohe die akute Gefahr des Untergangs. Deswegen wird im Gerichtssaal sogar Gott angerufen:
"The events giving rise to this dispute took place in the Barents Sea. The Barents Sea was named after Willem Barentsz. In 1596, he sailed from Amsterdam to explore the North East Passage. His ship became stranded in ice and Captain Barentsz and his crew were forced to hibernate on Novaya Zemlya. It was a long and severe winter for the sailors. They built themselves, from the wreckage of the ship, a house. It was called 'Het Behouden Huys', the Safe House. After the winter, the survivors, with the assistance of Russian coastal communities, returned to Amsterdam, where they arrived at the beginning of November of the following year. Their account is part of our national cultural heritage.Mangels durchgreifender Argumente wird von der Haager Regierung sogar die tragische Geschichte der Barents-Expedition im 16. Jahrhundert ausgeschlachtet und suggeriert, der "Arctic Sunrise" würde dasselbe Schicksal drohen. Dabei unterschlägt man allerdings, daß Barents zur Überwinterung auf der bekanntermaßen unwirtlichen Inselgruppe von Nowaja Semlja gezwungen war.
Mr President, winter is coming. My government prays that the Arctic Sunrise and its crew may safely return to Amsterdam before the Arctic sun sets and winter comes."
Demgegenüber befindet sich die "Arctic Sunrise" nicht in einem von Eisgang bedrohten Seegebiet, sondern im ganzjährig eisfreien Hafen von Murmansk. Die Entstehung dieses Hafens ist überhaupt nur der Tatsache zu verdanken, daß er und die vorgelagerten Seewasserstraßen vom Golfstrom erwärmt werden, weshalb sie auch im Winter nicht zufrieren. Anders sind die Gegebenheiten im traditionellen russischen Arktishafen Archangelsk, der, in der Bucht des Weißen Meeres gelegen, im Winter zufrieren kann.
Nach diesen pathetischen Worten legen die Holländer am 07.11. noch einmal nach und schreiben dem Gericht:
"Second, the Kingdom of the Netherlands has demonstrated [...] that the 'Arctic Sunrise' is at risk of perishing due to lack of servicing."Das englische Verb "perishing" bedeutet "sinken", "untergehen". Man muß sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Niederlande behaupten - gestützt auf Informationen von Greenpeace -, daß sich die "Arctic Sunrise" in einem schlechten Allgemeinzustand befinde, so daß sie bereits anderthalb Monate nach ihrer Verbringung in den eisfreien Murmansker Hafen vom "Untergang" bedroht sei.
Damit bestätigt die königliche Regierung unbeabsichtigt die Vorbehalte, die in diesem Blog bereits vor wenigen Tagen formuliert worden waren: Die "Umweltschützer" von Greenpeace sind verantwortungslos mit einem fast vierzig Jahre alten Pott, der nicht hinreichend seetüchtig war, in das sensible Ökosystem der Arktis gefahren und haben dadurch die Umwelt, die zu schützen sie vorgeben, gefährdet. Wäre die "Arctic Sunrise" kein verrotteter Kahn, sondern ein ordentlich gewartetes Schiff, dann würde sie nicht schon nach wenigen Wochen wartungsfreier Liegezeit im Hafen zu sinken drohen.
Somit haben die Niederlande dem ISGH und der Öffentlichkeit ein weiteres, gegen Greenpeace wirkendes Argument frei Haus geliefert.
Die zuerst zitierte längere Passage aus den Einlassungen vor Gericht deutet auf zwei weitere Aspekte hin. Greenpeace behauptet bekanntlich (ebenso wie andere Umweltschutzorganisationen), daß der Welt akut eine Kilmakatastrophe drohe. In diesen Szenarien spielt das weitgehende Abschmelzen des Eises im Nordpolargebiet und, damit verbunden, der Anstieg des Meeresspiegels, eine zentrale Rolle. Wenn aber das Eis in der Arktis - so wie behauptet - schmelzen würde, wieso wäre dann die im sicheren Hafen liegende "Arctic Sunrise" von diesem Eis bedroht? Kommt die Klimakatastrophe vielleicht doch nicht?
Zweitens: Greenpeace und seine Unterstützer behaupten, Rußland und die Russen wären unfähig, mit der Arktis umzugehen, weshalb sie als Ausländer dazu berufen wären, zum Schutz dieses Gebietes einzugreifen. Diese These stellt eine ungeheure Anmaßung dar, werden doch die herausragenden Leistungen rußländischer Entdecker, Seeleute und Wissenschaftler bei der Erforschung der Polargebiete und der Nutzbarmachung der Arktis negiert.
Zudem wird sie von der Haager Regierung selbst in Zweifel gezogen, denn sie sagt - zutreffenderweise -, daß Willem Barents und seine Kameraden auf die Hilfe der im Polargebiet ansässigen russischen Bevölkerung angewiesen waren, um in ihre Heimat zurückkehren zu können. Allein hätten es die Holländer also nicht geschafft. Folglich können die Russen in Arktisbelangen nicht so unfähig sein wie hier in Westeuropa gern behauptet wird.
4. Prognose für den Ausgang des Verfahrens vor dem ISGH
Es fällt nicht schwer, die für den kommenden Freitag, den 22. November, erwartete Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs vorauszusehen. Die niederländische Klage dürfte abgewiesen werden. Schon aufgrund der fehlenden Zuständigkeit des ISGH, ferner wegen der Unzulässigkeit eines Teils der von den Niederlanden begehrten Maßnahmen. Möglicherweise läßt das Gericht den Antrag schon am ersten Punkt scheitern und verzichtet damit auf weitere Ausführungen in der Sache. (Dies gäbe unseren Medien dann Gelegenheit, die Niederlage von Holland - und damit von Greenpeace - kleinzureden, etwa indem behauptet würde, Rußland hätte nur aus formalen Gründen gewonnen, in der Sache jedoch hätten die Klage Recht gehabt.)
Meines Erachtens ist man sich in Den Haag dessen durchaus bewußt. Die sieben Vertreter der Regierung, die am 06.11. in Hamburg waren, sind ja nicht dumm. Sie wissen oder ahnen zumindest, daß es für ihre Position kaum juristische Argumente gibt. Deshalb auch die Emotionalisierung mit der Angst vor dem schlimmen Winter (trotz Erderwärmung).
Bei der Lektüre der niederländischen Schriftsätze fällt auf, daß die Regierung offenbar über keine eigenen Informationen über die Vorgänge in der Petschorasee verfügt. Statt dessen wird immer wieder nur auf die Verlautbarungen von Greenpeace verwiesen - eine erwiesenermaßen nicht vertrauenswürdige Informationsquelle. In einem Schriftsatz gibt das Außenministerium sogar Links zu Youtube-Videos an, statt dieselben herunterzuladen, auf eine CD zu brennen und dem Brief an das Gericht beizufügen. Nicht sehr professionell. Das Königreich der Niederlande hat sich also zum Sprachrohr von Greenpeace gemacht und sich dieser bekannten kriminellen Organisation auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
5. Und wenn der ISGH wider Erwarten doch anders entscheidet?
Natürlich ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß der Seegerichtshof den Niederlanden doch irgendwie entgegenkommt. Dem läge dann aber nicht die (nicht vorhandene) saubere juristische Argumentation Den Haags zu Grunde, sondern außerrechtliche Aspekte.
Zum einen könnten die Richter von ihrem Ego getrieben sein und wollen durch diesen Fall ihre eigene Wichtigkeit unter Beweis stellen. Zweitens stehen sie schon jetzt unter einem erheblichen Druck, insbesondere seitens der deutschen Medien, die den ISGH insgesamt infrage stellen. Dieser Druck geht auch an formal unabhängigen Gerichten nicht spurlos vorüber. Und drittens könnten die Richter schlicht Angst um ihre eigene Sicherheit haben. Sie wohnen in Hamburg und diese Stadt verfügt bekanntermaßen über eine virulente und gewaltbereite linksradikale Szene. Angesichts dessen ist die Furcht vor angezündeten Richterautos und ähnlichen Racheakten nicht von der Hand zu weisen. Daneben könnte Greenpeace sich auch direkt am Gerichtshof rächen und dessen Dienstgebäude in gewohnter Manier stürmen und besetzen.
Sollte der ISGH also wider Erwarten der Klage stattgeben, so müßte er in der Begründung seiner Entscheidung in etwa folgendes ausführen:
- Die in Art. 298 SRÜ vorgesehenen und von vielen Staaten eingelegten Vorbehalte hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit wären nichtig.
- Sicherheitszonen um Bohrinseln wären entgegen Art. 60 SRÜ unbeachtlich und dürften nach Lust und Laune befahren werden.
- Es gäbe ein Recht auf das Entern anderer Seefahrzeuge, auch entgegen dem Willen des Eigners. Damit wäre das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt ebenso wie die Rechte des Eigentümers weitgehend ausgehebelt, von der Bekämpfung der Piraterie, namentlich vor der afrikanischen Küste, ganz zu schweigen.
- Im Namen der Demonstrationsfreiheit dürfte man ein fremdes Seefahrzeug auch besetzen und an ihm Veränderungen vornehmen. Insofern bestände eine Duldungspflicht des Eigners.
- Es gäbe entgegen der Artikel 60 und 111 SRÜ sowie Art. 5 f. ÜBWHSS kein Recht des Küstenstaates, derartige Angriffe auf Bohrinseln abzuwehren und die Angreifer strafrechtlich zu verfolgen.
6. Weiterer Gang der Verfahren in Rußland
Nach der wahrscheinlichen holländischen Niederlage vor dem ISGH in Hamburg wird man in Den Haag mit dem Umdenken beginnen, seine bisherige unkooperative Haltung aufgeben und bilaterale Verhandlungen mit Rußland aufnehmen. Bei diesen dürfte es vor allem um zwei Themen gehen: Wie garantieren die Niederlande, daß Greenpeace nicht weitere illegale Aktionen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und im Küstenmeer der RF mit einem Schiff, das unter der Flagge des Königreiches fährt, durchführt. Und wie werden der Eigner der "Priraslomnaja" und die Küstenwache für jene Unkosten entschädigt, die ihnen im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Greenpeaceaktion im September (und der ersten Besetzung 2012) entstanden sind.
Relativ unabhängig davon wird sich die strafrechtliche Aufarbeitung des Falles vollziehen, denn keiner der beteiligten "Aktivisten" ist niederländischer Staatsbürger. Im Ergebnis wird es bei den meisten wohl zu Verurteilungen wegen Rowdytums gemäß Artikel 213 StGB-RF kommen. Am Vorliegen dieses Tatbestandes zweifelt, soweit ersichtlich, keiner der von Journalisten dazu befragten Juristen. Dabei wird das Strafmaß vom Grad der individuellen Tatbeteiligung abhängen und sich vermutlich in einem Spektrum zwischen Geldstrafen und Haftstrafen von bis zu zwei Jahren bewegen. (Die selbe Zeitdauer ist übrigens auch im britischen Recht vorgesehen, s.o.)
Davon, daß die Ermittlungen gut vorangehen, zeugt, daß gestern und heute einige der Untersuchungshäftlinge vom Kalininskij- und vom Primorskij-Gericht in Sankt Petersburg gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden sind - entgegen dem Antrag des Ermittlungskomitees. Bei anderen hingegen sind die Gerichte dem Ansinnen der Ankläger gefolgt und haben die U-Haft verlängert, was mit der offensichtlichen Fluchtgefahr begründet wird. Die vorerst freigelassenen ausländischen Beschuldigten müssen bis zur Gerichtsverhandlung im Lande bleiben und werden derweil in Petersburger Hotels wohnen. Mit dem Beginn der Hauptverhandlung ist wohl spätestens im Januar oder Februar zu rechnen.
Sofern einige der Beschuldigten zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, müssen sie vermutlich nur einen Teil davon tatsächlich absitzen. Wahrscheinlich werden sie nach einigen Monaten entlassen, in ihre Heimatländer abgeschoben und mit einem lebenslangen Einreiseverbot belegt. Diese Verfahrensweise ist in der RF bei ausländischen Straftätern üblich.
Dann bliebe noch die Frage, was mit dem Schiff, der "Arctic Sunrise", passieren wird. Wie im deutschen Recht, so ist es auch im rußländischen Strafrecht möglich, Gegenstände, die zur Begehung von Straftaten verwendet wurden, einzuziehen (Artikel 104.1 I lit. g) StGB-RF). Somit könnte das Gericht das Schiff und seine Beiboote als Tatmittel konfiszieren. Ein solcher Schritt wäre wohl vor allem unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention geboten, also um die Begehung neuer Straftaten mit denselben Wasserfahrzeugen zu vermeiden. Dies um so mehr, als die "Arctic Sunrise" schon an zahlreichen kriminellen Handlungen, auch außerhalb Rußlands, beteiligt war (z.B. in Grönland und Großbritannien).
Insoweit wird es darauf ankommen, ob die Niederlande Rußland davon überzeugen können, daß es keine weiteren rechtswidrigen Aktionen mit der "Arctic Sunrise" und ihren Beibooten geben wird. Wenn die Haager Regierung dazu nicht willens oder fähig ist - wovon man angesichts ihrer demonstrativen Unterordnung unter Greenpeace ausgehen muß -, dürfte das Schiff wohl nicht so schnell nach Amsterdam zurückkehren.
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Neues von den Greenpeace-Piraten
Demonstrantin vor der niederländischen Botschaft in Moskau:
"Greenpeace kämpft um PR! Die Arktis ist rußländisch!" (Foto: Itar-Tass).
"Greenpeace kämpft um PR! Die Arktis ist rußländisch!" (Foto: Itar-Tass).
Seit dem ersten Artikel zu diesem Thema, der vom 26. September stammt, sind einige Wochen vergangen, in denen es neue Entwicklungen gegeben hat, die nachfolgend erörtert werden.
1. Stand des Ermittlungsverfahrens
Den derzeit in Untersuchungshaft befindlichen Mitgliedern von Greenpeace wird nicht mehr Piraterie vorgeworfen. Dies hatte ich bereits Ende September vorausgesagt, ist doch die entsprechende Rechtsnorm (Art. 227) im Strafgesetzbuch der Rußländischen Föderation enger gefaßt als der völkerrechtliche Pirateriebegriff im Seerechtsübereinkommen (Art. 101). Nunmehr wird den Stürmern der Bohrplattform "Priraslomnaja" nur noch Rowdytum vorgeworfen. Dieser Straftatbestand stellt einen groben Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar (Art. 213 StGB-RF) und kann mit bis zu sieben Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden. Damit hat sich der mögliche Strafrahmen schon um drei Jahre reduziert.
Dies ändert freilich nichts an dem Befund, daß das Vorgehen der Besatzung der "Arctic Sunrise" völkerrechtlich als Piraterie einzustufen ist (siehe dazu unten 4.a)).
(Der Fall hat in den Niederlanden offenbar zu so großer Frustration geführt, daß die Haager Regierung Anfang Oktober ein Rollkommando ihrer Polizei beauftragt hat, den stellvertretenden Botschafter Rußlands in den Niederlanden in seiner Wohnung zu überfallen, zu verprügeln und stundenlang in Handschellen auf einer Polizeiwache festzuhalten.)
Obwohl die Greenpeace-Leute im Murmansker Untersuchungsgefängnis eine Vorzugsbehandlung genossen haben (Unterbringung in Einzelzimmern, Auswahl der Essensmenüs), klagte Greenpeace natürlich über die angeblich schlimme Behandlung seiner "Aktivisten". Sie hätten täglich nur eine Stunde Freigang und in Murmansk würden - typisch für die Arktis trotz "Klimakatastrophe" - die Winter sehr kalt sein. (Wohlgemerkt: Greenpeace hat nicht behauptet, daß es im Gefängnis zu kalt wäre.)
Dies hat das Untersuchungskomitee veranlaßt, die Arrestanten dieser Tage nach Sankt Petersburg zu verlegen. Dadurch soll auch den Zugang der Rechtsanwälte und Konsuln erleichtert werden. Ebenso wird der Prozeß, sollte es zu einer Anklageerhebung kommen, vor einem Petersburger Gericht stattfinden.
2. Die Logik von Berufsverbrechern
Hätte sich Greenpeace nach dem zweiten Vorfall auf der Bohrinsel (sie war im vergangenen Jahr schon einmal von Greenpeace besetzt worden) kooperativer verhalten, dann müßten seine Mitglieder nicht mehr in U-Haft sitzen, sondern könnten das Ergebnis der Ermittlungen in einem Hotel abwarten. Doch die von der Organisation angezettelte Kampagne weltweiter Aktionen, die in der Regel ebenfalls mit Gesetzesverstößen verbunden waren (man denke nur an Besetzungen von Tankstellen oder Aktionen in einem Baseler Fußballstadion oder auf dem Eiffelturm), zeigt, daß die "Umweltaktivisten" der Handlungslogik von Berufsverbrechern folgen: Keine Einsicht in die eigene Schuld, statt dessen werden weitere Straftaten begangen, um nicht unter die Folgen der ersten Straftat kommen zu müssen und die festgenommenen Kumpane freizupressen.
Damit haben sie jedem verantwortungsvolle Haftrichter auf dieser Welt gleich einen ganzen Strauß von Haftgründen frei Haus geliefert: Fluchtgefahr. Durch ihre medienwirksamen Aktionen hat Greenpeace womöglich viel Geld verdient, aber ihren Leuten in Murmansk haben sie einen Bärendienst erwiesen. Vielleicht sollten sie von Anfang an als Märtyrer aufgebaut werden.
3. Die Lügen von Greenpeace werden offenbar
Zugleich wird immer deutlicher, daß Greenpeace die Öffentlichkeit in den letzten Wochen massiv belogen hat. Wir erinnern uns beispielsweise an die Behauptung der Ökopiraten, die Beamten der rußländischen Küstenwache, die die "Arctic Sunrise" aufgebracht haben, würden die Besatzung mit Sturmgewehren bedrohen und Gewalt gegen sie anwenden. Doch am 08.11. hat Greenpeace selbst ein Video veröffentlicht, in dem ganz klar zu sehen ist, daß die an Bord kommenden Beamten sich korrekt verhalten. Eine "Bedrohung" der Besatzung mit Schußwaffen findet gerade nicht statt. Im Gegenteil, die von einem Teil der Beamten mitgeführten Langwaffen werden von diesen demonstrativ nach unten gehalten:
(Das Video zeigt allerdings auch, wie die Greenpeace-Leute versuchen, die Landung der Küstenwächter auf der Arctic Sunrise zu verhindern und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten in Gefahr bringen, da diese ins Meer stürzen könnten. In zivilisierten Staaten nennt man das Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, was u.a. in der BRD ein eigenständiger Straftatbestand ist [§ 113 StGB].)
Fazit: Der übel beleumdete Grenzschutz Rußlands hat in seiner Pressemitteilung vom 20.09.2013 die Wahrheit gesagt, doch die Heiligen von Greenpeace haben erwiesenermaßen gelogen. (Und sie sind so dumm, die Beweise für ihre Lüge auch noch selbst publik zu machen und sich so in den Augen aller selbständig denkenden Menschen endgültig zu desavouieren.) Doch die vermeintlich kritischen deutschen Medien korrigieren ihre Falschberichterstattung nicht, zu sehr sind sie zu Sprachrohren von Greenpeace verkommen, denen es nicht um Fakten, sondern um die Verbreitung ihrer russophoben Agenda geht.
Das zeigt sich auch hinsichtlich einer zweiten Lüge. Eine Greenpeace-Mitarbeiterin wurde von deutschen Medien mit der Aussage zitiert, die Bohrplattform "Priraslomnaja" sei alt und verrostet und somit eine Gefahr für die Umwelt. Doch auch das kann nicht stimmen. Sämtliche Fotos, welche die Bohrinsel abbilden, zeigen ein gut in Schuß gehaltenes Seefahrzeug. Zudem ist das Greenpeace-Schiff mehr als doppelt so alt wie die Bohrinsel. Die "Priraslomnaja" wurde 1996 erbaut (also vor 17 Jahren), die "Arctic Sunrise" hingegen schwimmt schon 38 Jahre auf dem Wasser (Baujahr 1975).
Wenn sich Greenpeace also wirklich wegen alter und nicht mehr seetüchtiger Schiffe in der Arktis sorgen würde, dann hätten sie mit ihrem fast vierzig Jahre alten Kahn erst gar nicht in die sensible Petschorasee fahren dürfen. Daß sie es dennoch getan haben, belegt, wie geheuchelt ihr Alarmismus ist. Den sogenannten Aktivisten geht es nur um Publicity und die damit verbundenen Einnahmen.
Hätten wir in Deutschland wirklich eine kritische und unabhängige Presse, dann hätte man Greenpeace massiv mit diesen Tatsachen konfrontiert. Statt dessen beschränkt sich unsere Journaille größtenteils darauf, die Behauptungen von Greenpeace unkommentiert weiterzuverbreiten oder die Organisation sogar direkt zu unterstützen.
4. Kriminalgeschichte von Greenpeace
Einer der größten Mythen, mit dem sich das Großunternehmen Greenpeace umgibt und der willig wiedergekäut wird, ist die angebliche Gewaltlosigkeit ihrer Aktionen. Daß die "Umweltschützer" in Wirklichkeit höchst unfriedlich sind, soll anhand einer kleinen Kriminalgeschichte von Greenpeace dargelegt werden.
a) Piraterie
Wie groß und einhellig war die Empörung der deutschen Medien und der von ihnen abhängigen Politiker, als die "finstere Putin-Diktatur" es wagte, die glorreichen und heiligen Helden von Greenpeace der Piraterie zu bezichtigen. Dabei ist nicht nur untergegangen, daß die Aktion vor der Bohrinsel in der Petschorabucht unzweifelbar dem völkerrechtlichen Piratriebegriff unterfällt. Ebenso ist natürlich nicht erwähnt worden, daß bereits Mitglieder von Greenpeace wegen Piraterie rechtskräftig verurteilt worden sind - allerdings nicht in Rußland, sondern in Belgien, seines Zeichens Mitgliedsstaat von EU und NATO.
Am 19.12.1986 hatte der belgische Kassationshof, das höchste Gericht des Königreiches, über einen Revisionsantrag von Greenpeace gegen ein früheres Urteil des Antwerpener Appellationsgerichts zu entscheiden. Ausnahmsweise hat ein europäisches Gericht einmal Rückgrat bewiesen und das geltende Recht gegen die Agitation der Ökopiraten durchgesetzt.
Im vorliegenden Fall ging es um die Kaperung zweier niederländischer Schiffe (die "Wadsy Tanker" und die "Falco"), welche auf Hoher See Abfall entsorgten, durch Greenpeace-"Aktivisten". Sie enterten und besetzten die Schiffe und beschädigten Einrichtungen an Bord. Dies hat die belgische Justiz ganz zutreffend als gewaltsame Handlung im Sinne des seevölkerrechtliche Pirateriebegriffes eingestuft.
Auch das zweite Tatbestandsmerkmal, die Verfolgung privater Ziele, wurde zu Recht als erfüllt angesehen. Greenpeace handelte nicht im Auftrag eines Staates, sondern in Verfolgung der persönlichen Ideen und Interessen der Mitglieder der Organisation. Zudem wurde den "Aktivisten" persönlicher Haß, das Bedürfnis nach Rache und der Versuch, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, attestiert.
Ergo wurde Greenpeace wegen Piraterie rechtskräftig verurteilt (nachzulesen in: International Law Reports, Bd. 77 [1988], S. 537 ff.). Seither kann und darf man diese Gruppierung ohne weiteres als Piraten titulieren, zumal sie ihre rechtswidrigen Taten nach 1986 fortgesetzt haben.
b) Frühere Straftaten in der Arktis
Die Kriminalgeschichte von Greenpeace ist lang, weshalb es im folgenden nur um jene Delikte gehen soll, die im Zusammenhang mit der Ölförderung vor der grönländischen Küste stehen. Allein in den Jahren 2010/2011 hat Greenpeace fünf Gewaltakte gegen die von den demokratisch gewählten Regierungen Grönlands und Dänemarks veranlaßten Ölbohrungen durchgeführt. (Eine kurze Übersicht ist hier zu finden.) Daran war im Frühjahr 2011 auch das jetzt in Murmask festgehaltene Schiff "Arctic Sunrise" beteiligt. Erklärtes Ziel der demokratisch nicht legitimierten und großteils aus dem Ausland stammenden NGO-Piraten war (wie kürzlich auch in Rußland), die gewählte grönländische Regierung dazu zu zwingen, ihre Erdölaktivitäten einzustellen.
Dabei haben die Ökoterroristen nicht nur mehrmals Bohrplattformen geentert (daran hat man sich schon fast gewöhnt). Sie haben ferner Geschäftsräume in Edinburgh verwüstet. Alles ganz "friedlich", versteht sich. Ihren Kulminationspunkt erreichten die Auseinandersetzungen Ende Mai, Anfang Juni 2011. Zwei Greenpeaceschiffe haben tagelang die Bohrplattform "Leiv Eiriksson" belagert, so daß sich schließlich die dänische Marine und die grönländische Polizei zum Eingreifen genötigt sahen.
Am 04.06.2011 hatten die Ökos zum Showdown geblasen. 18 ihrer Mitglieder verletzten die Sicherheitszone und enterten die Bohrinsel. Vier hatten sich in Krankabinen verbarrikadiert und die Sicherheitskräfte brauchten, um die Eindringlinge zu entfernen und auf der "Leiv Eiriksson" wieder geordnete Verhältnisse herzustellen, damit die Arbeiten weitergehen konnten.
Diese Vorgänge zeigen, daß viele der Menschen in der Arktis aufgeatmet haben dürften, als sie erfuhren, daß die "Arctic Sunrise" von der rußländischen Küstenwache festgesetzt worden ist. Auf absehbare Zeit geht zumindest von diesem Greenpeace-Schiff und seiner Besatzung keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr aus.
c) Greenpeace als kriminelle Organisation
Nach der Grönlandaffäre hat das von Greenpeace geschädigte Unternehmen in den Niederlanden eine Klage gegen die Organisation eingereicht, um sie zur Unterlassung ihrer Gesetzesbrüche zu verpflichten. Darauf reagierten die "Umweltschützer" mit einem arroganten Statement, welches enthüllt, daß sie nicht nur das Völkerrecht und staatliche Gesetze bewußt mißachten, sondern auch auf Behörden und Justiz einen feuchten Kehrricht geben:
"This oil company has been hiding behind the Greenland government and the Danish navy, and now it's trying to use the Dutch courts. It can hire all the lawyers it likes, but it can't hide the huge risks it's taking with this beautiful and fragile environment."Nachdem das niederländische Gericht der Klage gegen Greenpeace stattgegeben hatte und ihnen weitere Behinderungen der Bohrungen von Cairn Energy untersagte, reagierten die Ökoterroristen mit einer kurzen Bekanntgabe:
"Greenpeace said it would continue its campaign "to kick the oil companies out of the Arctic"."Mit anderen Worten: Gesetze und internationale Verträge, Anordnungen der dazu befugten Behörden, ja sogar Urteile von Gerichten werden Greenpeace nicht davon abhalten, Aktionen durchzuführen, die sie für notwendig und richtig erachten. Diese Ökofanatiker sind derart von ihrer "Mission" besessen, daß sie die zivilisatorischen Errungenschaften des Rechts vollständig verachten, solange diese ihrem Kreuzzug im Wege stehen. Wie eine Bande von Berufsverbrechern handeln die Umweltpiraten nur nach ihren eigenen, privaten Regeln und erachten das allgemein geltende Recht für irrelevant.
Sie haben sich von der menschlichen Gesellschaft abgesondert und halten sich für etwas besseres, dazu berufen, dem Rest der Menschheit ihre eigene Meinung mit Gewalt aufzuzwingen. Niemand hat diese Organisation jemals in ein öffentliches Amt gewählt und dennoch haben sie in Westeuropa mehr Einfluß als viele der gewählten Regierungen.
d) Weitere Delikte
Mit Genugtuung wurde in den russischen Medien die Nachricht aufgenommen, daß eine Finnin, welche auch an der jüngsten Bohrinselenterung beteiligt war, bereits 2011 in ihrer Heimat zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie eine Unternehmensveranstaltung gestürmt hatte. Ebenso wird erfreut darauf hingewiesen, daß erst kürzlich neun Greenpeace-"Aktivisten" von einem Stockholmer Gericht verurteilt worden sind, weil sie auf rechtswidrigem Wege gegen zwei schwedische Kernkraftwerke vorgegangen waren.
Dies verschlechtert im Fall "Arctic Sunrise" natürlich die Verhandlungspositionen Finnlands und Schwedens gegenüber Rußland. Denn beide Regierungen werden in aller Peinlichkeit erklären müssen, weshalb Personen, die sie selbst bestraft haben, in Rußland nach einer ähnlichen Handlung plötzlich ohne Sanktion ausgehen sollen.
5. Reaktionen in Rußland
Wie zu erwarten war, ist die Reaktion des rußländischen Volkes auf die Vorgänge um die "Priraslomnaja" eine andere als in Deutschland. Die Soziologen vom Lewada-Zentrum veröffentlichten am 11.11. die Ergebnisse einer Umfrage, wonach die Mehrheit der befragten Bürger die Vorgehensweise von Greenpeace mißbilligt. Das deckt sich mit den Erfahrungen des Verfassers, wonach in Rußland die herkömmlichen Vorstellungen vom Recht, die früher auch bei uns galten, noch lange nicht so aufgeweicht sind wie hierzulande. Die Russen sind der Auffassung, daß der Hausherr bestimmt, wer eine Liegenschaft betreten darf und wer nicht. Die Anmaßung selbsternannter Aktivisten erscheint ihnen - zu Recht - als unerhörte Zumutung.
Unterdessen hat sich die königliche Regierung in Den Haag aufgemacht, um gegen Rußland vor dem Internationalen Seegerichtshof vorzugehen. Dieses Verfahren wird im nächsten Beitrag dieses Blogs, der in den kommenden Tagen erscheinen wird, näher beleuchtet.
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Donnerstag, 26. September 2013
Die Piraten von Greenpeace
Videosequenzen der Greenpeace-Aktion in der Petschorabucht.
Ende vergangener Woche hat sich in der Petschorabucht zwischen dem eurasischen Festland und Nowaja Semlja ein Vorfall ereignet, der sowohl in Rußland als auch in Westeuropa die Gemüter erregt hat. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Gemeint ist der Angriff von Greenpeace-Mitgliedern auf eine Ölbohrplattform. Während man in Rußland den Vorfall als gefährlichen Akt einstuft, ereifert man sich hierzulande über die Behinderung einer angeblich friedlichen Protestaktion, welche einem hehren Ziel gedient habe. Aufgrund dieser stark divergierenden Meinungen und Darstellungen des Sachverhalts ist es wichtig, den Vorgang näher zu betrachten.
1. Der Hergang
Der Eisbrecher „Arctic Sunrise“, welcher der „Umweltschutz"-Organisation Greenpeace gehört, die Flagge des Königreichs der Niederlande führt und dessen kriminelle Karriere man auf der Wikipediaseite nachlesen kann, ist am vergangenen Donnerstag, dem 18. September, in der Petschorabucht im südwestlichen Teil der Barentssee aufgetaucht. Dieses Seegebiet liegt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Abk.: AWZ) der Rußländischen Föderation. Seine Besatzung wollte dort gegen die Durchführung von Probebohrungen für die Förderung von Erdöl und Erdgas protestieren.
Wie für Greenpeace typisch, war natürlich kein friedlicher Protest geplant, auch wenn die sog. „Aktivisten“ ihre Handlungen als friedlich bezeichnen. Ihre Friedfertigkeit drückte sich darin aus, daß sie in der Nacht auf den 19.09. mit ihrem Schiff und dessen fünf Beibooten in die Sicherheitszone der Bohrplattform „Priraslomnaja“ (welche dem Unternehmen Gasprom Neft Schelf gehört und bereits 2012 von Greenpeace für 15 Stunden besetzt worden war) eindrangen und trotz ausdrücklichen Verbots seitens des Eigners versuchten, die Plattform von ihren Booten aus zu entern. Der Sturmangriff war langfristig und sorgfältig vorbereitet worden, so hatten sich die Angreifer u.a. mit Bergsteigerausrüstung versehen. Daß sie mit ihren Manövern die Bohrinsel in Gefahr brachten und unter Umständen gar eine Umweltkatastrophe hätten herbeiführen können, war den Greenpeace-Leuten egal.
Trotz heftiger Gegenwehr der Besatzung (u.a. durch Einsatz von Wasserschläuchen) ist es zwei Öko-Terroristen aus Finnland und der Schweiz gelungen, die Priraslomnaja zu erklimmen. Sie wurden von der herbeigeeilten Küstenwache kurzzeitig in Gewahrsam genommen und später wieder auf das Greenpeaceschiff verbracht.
Unterdessen forderte das Küstenwachschiff „Ladoga“ die Arctic Sunrise auf, ihre Aktionen einzustellen und ein Boarding-Team an Bord zu lassen. Dies wurde vom Greenpeace-Kapitän kategorisch abgelehnt. Er reagierte im weiteren weder auf Funksprüche noch auf optische und akustische Signale noch auf Warnschüsse. Erst einem Boardingteam, das am frühen Abend des 19.09. von einem Helikopter auf das sich feindselig gebärdende Schiff abgesetzt wurde, gelang es, die Arctic Sunrise unter Kontrolle zu bringen und so den Angriff auf die Bohrinsel endgültig zu beenden (s.u. 2. c). Entgegen anderslautender Darstellungen aus dem Greenpeace-Umfeld kamen während dieser Aktion keine Schußwaffen zum Einsatz.
Sodann wurde der Kapitän von den Küstenwächtern aufgefordert, mit seinem Schiff den Hafen von Murmansk anzulaufen, um dort den Sachverhalt endgültig zu klären und über weitere strafrechtliche Schritte zu entscheiden. Erneut weigerte sich der Skipper, einer behördlichen Aufforderung Folge zu leisten. Daraufhin wurde die Arctic Sunrise von der Ladoga ins Schlepp genommen. Dadurch verlängerte sich die Fahrtzeit erheblich, weshalb die Schiffe erst am Dienstag, dem 24.09., in Murmansk eintrafen.
2. Rechtliche Würdigung
Umstritten ist die rechtliche Würdigung der Vorgänge. Dies soll nachfolgend ansatzweise geleistet werden. Unstrittig ist, daß sich die Bohrinsel in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, welche der Rußländischen Föderation im Arktischen Ozean zusteht, befindet. Einschlägige Rechtsquellen sind mithin das multilaterale Seerechtsübereinkommen der UN vom 10.12.1982 (Abk.: SRÜ) sowie das Gesetz über die Ausschließliche Wirtschaftszone der RF vom 17.12.1998.
a) Bohrplattform und Sicherheitszone
Gemäß Artikel 60 I SRÜ hat der Küstenstaat – in diesem Falle Rußland – das ausschließliche Recht zur Errichtung von künstlichen Inseln und sonstigen Bauwerken in seiner AWZ. Der Küstenstaat hat über diese Anlagen die ausschließliche Hoheitsgewalt, einschließlich der Zoll-, Sicherheits- und Einreisegesetze (Art. 60 Abs. 2). Mit anderen Worten: Diese künstlichen Anlagen gehören zwar nicht zum Staatsgebiet des Küstenstaates (dies hätte Auswirkungen auf die Abgrenzung der Territorialgewässer – vgl. Art. 60 VIII), werden rechtlich aber so behandelt, als wären sie ein Teil seines Staatsgebietes.
Der Küstenstaat kann festlegen, daß um solche künstlichen Bauwerke herum eine Sicherheitszone eingerichtet wird (Art. 60 IV SRÜ). Diese soll in der Regel keinen größeren Radius als 500 m haben, es sei denn, daß international größere Abstände empfohlen oder üblich sind (Art. 60 V). Hier war eine Sicherheitszone von 3000 m eingerichtet und allgemein bekannt gemacht worden – was bei Ölbohrplattformen üblich ist. (Man denke nur an die möglichen Folgen einer Kollision zwischen einem Schiff und der Plattform.) Alle Schiffe sind verpflichtet, diese Sicherheitszone zu beachten (Art. 60 VI).
Im vorliegenden Fall haben das Greenpeace-Schiff und seine Beiboote die eingerichtete Sicherheitszone vorsätzlich verletzt. Damit haben sie die Umwelt und den sicheren Schiffsverkehr gefährdet. Die Ausrede von Greenpeace, die Arctic Sunrise sei angeblich mehr als 500 m von der Plattform entfernt gewesen, greift nicht durch, denn die zu beachtende Sicherheitszone hat einen Radius von 3000 m. Und diese wurden in jedem Fall unterschritten. Zudem befanden sich die Beiboote des Schiffes unmittelbar an der Bohrinsel. Und das Fehlverhalten der Beiboote wird seerechtlich dem Mutterschiff zugerechnet.
Fazit: Die Seefahrzeuge von Greenpeace sind vorsätzlich in eine ihnen bekannte und von ihnen zu respektierende Sicherheitszone eingedrungen. Das ist ihr erster Verstoß nicht nur gegen das innerstaatliche Recht Rußlands, sondern auch gegen das internationale Seerecht.
Soweit Greenpeace-Vertreter behaupten, ihre Kollegen hätten sich in „internationalen Gewässern“ befunden, so stellt dies bestenfalls eine Irreführung der Öffentlichkeit dar. Doch eigentlich ist es eine Lüge. Die sog. „Aktivisten“ befanden sich unmittelbar an der Plattform und damit in einem Gebiet, das der Hoheitsgewalt Rußlands unterliegt. Ihr Schiff befand sich auch, selbst wenn es die Sicherheitszone zwischenzeitlich verlassen haben sollte, auf jeden Fall in der AWZ. Und bei der AWZ handelt es sich eben nicht um internationale Gewässer in dem Sinne, daß Greenpeacemitglieder dort tun und lassen könnten, was ihnen beliebt. Die AWZ unterliegt der teilweisen Hoheitsgewalt des Küstenstaates (vgl. Art. 55 f. SeeRÜbk). Insbesondere ist es keiner Privatperson, weder in der AWZ noch auf Hoher See (den „echten“ internationalen Gewässern), gestattet, eine Ölbohrplattform oder ein sonstiges Schiff gegen den erklärten Willen des Eigentümers bzw. Betreibers zu entern.
b) Piraterie
Von seiten der russischen Behörden wird der Vorwurf erhoben, beim Vorgehen von Greenpeace handele es sich um einen Akt der Piraterie. Nach Artikel 101 SRÜ ist Seeräuberei jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder Plünderung, welche die Besatzung eines privaten Schiffes zu privaten Zwecken begeht und die gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug gerichtet ist.
Im vorliegenden Fall gab es unzweifelhaft eine rechtswidrige Gewalttat, nämlich das versuchte Erstürmen einer Ölbohrinsel, obwohl deren Eigner und Betreiber den Greenpeaceleuten das Betreten verboten hatten. Sie haben es dennoch versucht, auch gegen den Widerstand der Besatzung der Bohrplattform. Die Gewalttat wurde auch von der Besatzung des unter niederländischer Flagge fahrenden Privatschiffes Arctic Sunrise begangen. Sie war gegen ein anderes Schiff (in dem Fall eine Bohrinsel) gerichtet und sollte einem privaten und keinem staatlichen Zweck dienen, nämlich der Ökopropaganda von Greenpeace.
Somit liegt auf seiten von Greenpeace tatsächlich der seevölkerrechtliche Tatbestand der Piraterie vor, auch wenn die publicitygeilen Ökofanatiker sich mit Händen und Füßen gegen diese Zuschreibung wehren. Selbige spielt vor allem bei der späteren strafrechtlichen Bewertung des Vorgangs eine Rolle (siehe unten 3.). Für das Aufbringen des Schiffes war der Piraterievorwurf ohne Belang.
Er wird ergänzt und erweitert durch Artikel 3 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt vom 10.03.1988. Sonach macht sich strafbar, wer widerrechtlich und vorsätzlich durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung ein Schiff in Besitz nimmt oder die Herrschaft darüber ausübt oder versucht, eine solche Tat zu begehen.
Daraus folgt: Das Vorgehen von Greenpeace war kein harmloser „friedlicher Protest“, wie von den Anhängern dieser Organisation fälschlicherweise suggeriert wird, sondern eine offenkundig rechtswidrige Aktion.
c) Nacheile und Aufbringen der Arctic Sunrise
Besondere Aufmerksamkeit erregten die Umstände, unter denen das Greenpeace-Schiff von den rußländischen Behörden aufgebracht wurde. Aus der Küstenwache, die Teil des Grenzschutzdienstes ist (welcher wiederum dem Direktor des Föderalen Sicherheitsdienstes untersteht) wurden plötzlich finstere KGB-Agenten, die den armen Umweltschützern aus der Zivilgesellschaft rechtswidrigerweise das Leben schwermachen und, Gott sei bei uns, während ihres Dienstes auch noch Schußwaffen tragen. Die Greenpeace-Propaganda machte daraus die Behauptung, die völlig arg- und schuldlosen Umweltschützern würde von den bösen "FSB-Agenten" mit Waffen im Gesicht herumgefuchtelt, was die zuständige Behörde natürlich bestreitet.
Die Heftigkeit und Dreistigkeit der Greenpeace-Verlaubarungen gibt allerdings Anlaß zu der Vermutung, daß die Ökofanatiker lügen und daher durch eine starke Emotionalisiserung des Vorgangs von ihren eigenen rechtswidrigen (Gewalt-)Handlungen ablenken wollen. (Diese Nebelkerze ist natürlich vor allem für die westeuropäische Öffentlichkeit bestimmt.) Nunmehr sollen die rechtlichen Aspekte dieses Vorfalls beleuchtet werden.
Das Recht der Nacheile außerhalb des Küstenmeeres und der Anschlußzone besteht gem. Art. 111 II SRÜ dann, wenn die Behörden des Küstenstaates guten Grund zu der Annahme haben, daß das betreffende Schiff gegen die Gesetze des Küstenstaates, die auf einer künstlichen Anlage nach Art. 60 und in deren Sicherheitszone gelten, verstoßen hat. Das Recht zur Nacheile schließt das Recht zum Stoppen und zur Überprüfung des Schiffes ein.
Im Fall der Arctic Sunrise verlief die Verfolgungsjagd zwar wie in einem Actionfilm, was Verhalten der rußländischen Küstenwache war jedoch lehrbuchmäßig und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst wurde die Besatzung des Greenpeace-Schiffes per Funk aufgefordert, ihren Angriff auf die Bohrinsel zu unterlassen, dann folgten die in Art. 111 Abs. 4 SeeRÜbk vorgesehenen Sicht- und Schallsignale. Als auch darauf nicht reagiert wurde, schossen die Grenzschützer mit Gewehren in die Luft – wiederum ohne Erfolg. Daraufhin hat eines der Küstenwachschiffe mit seiner Bord-Flak einige Warnschüsse in die Luft abgegeben. Das war der sprichwörtliche Schuß vor den Bug, das schärfste im Seevölkerrecht anerkannte Warnmittel. Doch die Greenpeace-Mitglieder waren voller Selbstgerechtigkeit und fühlten sich auch jetzt nicht bemüßigt, ihren Angriff abzublasen und ihr Schiff zu stoppen.
Diese demonstrative Mißachtung internationalen Rechts und seemännischer Gepflogenheiten durch Greenpeace ist in der europäischen Seefahrt wohl nahezu beispiellos. Die nächste Stufe auf der Eskalationsleiter wäre nun ein gezielter Kanonenschuß in den Maschinenraum der Arctic Sunrise gewesen, um das Schiff bewegungsunfähig zu machen. Doch der Einsatzleiter der Küstenwache entschied anders. Er forderte einen Hubschrauber an, von dem aus sich sieben Beamte einer Spezialeinheit auf den Eisbrecher abseilten, um so endlich das elende Schauspiel zu beenden und das Schiff unter Kontrolle zu bringen.
Rechtlich ist an diesem Vorgehen nichts auszusetzen. Es hilft Greenpeace auch nicht weiter, wenn sie behaupten, ihr Kapitän habe der Küstenwache ausdrücklich verboten, an Bord zu kommen. Dazu hatte er kein Recht, denn die Arctic Sunrise befand sich widerrechtlich innerhalb der festgelegten Sicherheitszone um die Bohrinsel. Alle weiteren Handlungen der Behörden waren eine Re-Aktion darauf und dienten lediglich dazu, den Angriff auf die Bohrinsel zu beenden und für die Einhaltung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften durch das Greenpeaceschiff und seine Besatzung zu sorgen. Dabei haben die Behörden der RF innerhalb der Grenzen des Art. 111 SeeRÜbk gehandelt. Somit ist der von Greenpeace erhobene Vorwurf der Piraterie von seiten der Küstenwache absurd (zumal Piraterie begriffsnotwenig nur von Privatschiffen begangen werden kann).
d) Verbringung in den Hafen von Murmansk
Gemäß Art. 111 VII SRÜ darf das infolge einer Nacheile aufgebrachte Schiff zum Zwecke der Überprüfung auch in einen Hafen des Küstenstaates verbracht werden. Folglich steht diesem Ansinnen der russischen Küstenwache nichts entgegen, zumal sich die Beamten des Untersuchungskomitees, die die strafrechtlichen Aspekte des Falles zu bearbeiten haben, dort aufhalten und deren Verbringung mitten in die Petschorasee unverhältnismäßig wäre, auch mit Blick auf den Fortgang des Verfahrens.
e) Festnahme der Greenpeace-Mitglieder
Entgegen deutscher Medienberichte waren die dreißig, an Bord der Arctic Sunrise befindlichen Greenpeacemitglieder noch nicht festgenommen worden. Ihr Schiff wurde gemäß seerechtlicher Bestimmungen gestoppt und zwecks weiterer Untersuchung in einen Hafen gebracht, doch die Einzelpersonen hätten es theoretisch ohne weiteres verlassen können – was mitten auf dem Meer freilich untunlich ist. Eine förmliche Festnahme ist erst am 24.09. in Murmansk erfolgt, nachdem das Ermittlungsverfahren eröffnet worden war. Am heutigen Donnerstag ist gegen die ersten Besatzungsmitglieder (darunter der aus den USA stammende Kapitän) ein zunächst auf zwei Monate befristeter Untersuchungshaftbefehl erlassen worden.
3. Mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Hätten die Greenpeaceleute ihre Aktion in der deutschen AWZ in der Nordsee durchgeführt, so hätten sie mit einer Anklage gem. § 315a StGB (Gefährdung des Schiffsverkehrs) und § 123 (Hausfriedensbruch) rechnen müssen. Eine mit dem genannten § 315a vergleichbare Rechtsnorm gibt es im rußländischen Strafrecht nicht. Daher wird den Greenpeace-Leute zur Zeit vor allem Piraterie vorgeworfen. Dabei handelt es sich nach Artikel 227 StGB-RF um einen Angriff auf ein See- oder Flußschiff, der unter der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt ausgeführt wird und bezweckt, sich fremden Eigentums zu bemächtigen. Hierfür droht eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Gefängnis (Art. 227 Abs. 1).
Die von den Medien kolportierten 15 Jahre Haft, die den arretierten Greenpeacemitgliedern angeblich bevorstehen würden, sind nicht korrekt. Bis zu 15 Jahre sind lediglich möglich, falls während des Piratenüberfalls ein Mensch getötet wurde (Abs. 3), was hier Gott sei dank nicht der Fall war. Bis zu 12 Jahre Haft sind ferner möglich, sofern beim Überfall Waffen oder gefährliche Gegenstände eingesetzt worden sind (Abs. 2). Auch dies dürfte vorliegend nicht zutreffen.
Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu einer Anklage kommt und wenn ja, wie die Anklageschrift aussehen wird. Möglicherweise wird die Staatsanwaltschaft den weitgereisten Inselstürmern auch andere Delikte zur Last legen (z.B. Art. 215.3 StGB-RF: Angriff auf Einrichtungen der Öl- und Gasförderung).
Die Herbeiführung einer Verurteilung wegen Piraterie dürfte sich jedoch als schwierig erweisen, denn deren Legaldefinition im rußländischen Strafrecht ist wesentlich enger als die in Artikel 101 des Seerechtsübereinkommens (s.o. 2. b). § 227 StGB-RF fordert zumindest den Versuch, sich fremden Eigentums zu bemächtigen. Bei einer weiten Auslegung könnte man die Greenpeace-Aktion durchaus darunter fassen, denn auch bei einer zeitweiligen Besetzung der Bohrinsel durch die Ökofanatiker wären die Verfügungsrechte des Bohrinseleigentümers stark eingeschränkt gewesen. Doch diese Argumentation der Anklagebehörde wird in jedem Fall knifflig.
4. Resümee
Die Vorgehensweise von Greenpeace in der Petschorabucht war nicht nur höchst rechtswidrig, sondern darüber hinaus unseemännisch, ja geradezu unzivilisiert. Im Seerecht existieren zahlreiche ungeschriebene Regeln, deren Beachtung jedoch international üblich ist. Nicht einmal die somalischen Piraten wagen es, die Warnschüsse eines Kriegsschiffes zu ignorieren. Lieber stoppen sie ihre Boote. Doch die Mitglieder von Greenpeace sind so weit abgehoben, daß sie aus lauter Selbstgerechtigkeit meinen, die Regeln des Seerechts würden für sie nicht gelten.
Sie sind so dreist und verbreiten Lügen, obwohl die Rechtswidrigkeit ihres Tuns jedem verständigen Betrachter sofort ins Auge springt. Statt dessen gebärden sie sich als verfolgte Unschuld und basteln zusammen mit Journalisten an einem Mythos, wonach die armen und rechtschaffenen „Aktivisten“ vom finsteren Putin-Regime wegen eines „friedlichen“ und „ungefährlichen“ „Protestes“ in den Kerker geworfen würden. Daß sie selbst zahlreiche Rechtsnormen verletzt haben und das Vorgehen der rußländischen Behörden nur eine legitime, legale und überdies maßvolle Reaktion darauf war, wird in der Berichterstattung zum Teil ignoriert. Selbst deutsche Völkerrechtler knicken vor Greenpeace ein kritisieren deren Vorgehen nur ganz zaghaft.
Die Mitglieder und Sympathisanten von Greenpeace glauben offensichtlich, sie als selbsternannte Ökoheilige stünden sie über dem Gesetz. Anders läßt sich nicht erklären, daß angeblich 450.000 Menschen eine Petition unterzeichnet haben sollen, in welcher die Freilassung der Arctic Sunrise gefordert wird. Eine derartige Welle der Sympathie für offensichtliche Rechtsbrecher gibt auch mir als Deutschem schwer zu denken. Welche Gehirnwäsche hat meinen Mitmenschen den Geist vernebelt?
Daß die Ökoterroristen in Westeuropa überdies soviel Macht und Einfluß besitzen, daß die Niederlande Rußland mit gerichtlichen Schritten drohen, sollte das Greenpeace-Schiff und seine Besatzung nicht unverzüglich freigelassen werden, ist mehr als verwunderlich. Offenbar goutiert Den Haag gewisse Gewaltakte auf See - und nimmt zugleich an der Anti-Piraten-Operation Atalanta teil. Nun ja, die übliche westliche Schizophrenie eben, sobald es um Rußland geht.
Sofern man davon ausgeht, daß bei Greenpeace nicht ausschließlich Idioten arbeiten, so muß man konstatieren, daß die Ökoterroristen erstens wußten, daß ihr versuchter Sturm auf die Bohrinsel Priraslomnaja illegal war und zweitens auch vorhersehen konnten, daß ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen. Es wirkt kläglich, wenn sie jetzt versuchen, sich mit einer Mischung aus Lügen und Emotionen ihrem gerechten Schicksal zu entziehen.
Leider besitzt offenbar kein anderer Staat den Willen, diesen Ökoterroristen Einhalt zu gebieten. Frankreich hat es einmal versucht (Stichwort: Rainbow Warrior), hat aber untaugliche Methoden verwendet und ist danach eingeknickt. Also muß Rußland Westeuropa wieder einmal einen Dienst erweisen, indem es vormacht, wie man das Seevölkerrecht durchsetzt.
Käme Greenpeace mit seiner demonstrativen Mißachtung des Rechts durch, würde es nicht mehr lange dauern und die „Aktivisten“ würden ihren Opfern eine (vor Gericht einklagbare?) Duldungspflicht für ihre rechtswidrigen Aktionen auferlegen. Das wäre dasselbe, als würde der „arme“ (also vom Kapitalismus benachteiligte) Einbrecher vom Bestohlenen verlangen, ihm auf Verlangen die Tür zu öffnen, damit er sich nicht die Mühe machen muß, eine Scheibe einzuschlagen. Bedauerlicherweise finden die Ökofreaks unter unseren Journalisten willige Kollaborateure, deren Meinungsmache genau in die gerade skizzierte Richtung geht, wenn etwa in völliger Verkennung der Sach- und Rechtslage behauptet wird, "die Russen" hätten das Greenpeaceschiff "überfallen" - als seien die Beamten der Küstenwache die eigentlichen Unruhestifter.
Auf der taktischen Ebene lassen sich aus dem Vorfall folgende Lehren ziehen: Der Einsatzleiter einer Küstenwachoperation benötigt immer nicht nur See-, sondern auch Lufteinsatzmittel. Gut geschulte Boardingkräfte sind unverzichtbar. Der Verlauf der Operation muß gut dokumentiert werden, um den mit Sicherheit auftretendenden Verleumdungen seitens der Rechtsbrecher zu begegnen. Und Küstenwachschiffe müssen gut bewaffnet sein, denn manche Rechtsbrecher sind sich nicht einmal durch die Warnschüsse einer 30 mm-Flak zu beeindrucken. Dem weltweit zu beobachtenden Trend (auch in Rußland, in der BRD ohnehin), wonach Seefahrzeuge der nichtmilitärischen Sicherheitsbehörden zunehmend auf Geschützbewaffnung verzichten, stellt offenkundig eine Fehlentwicklung dar; 76 mm auf der Back erscheinen zumindest bei größeren Patrouillenbooten als unverzichtbar.
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Freitag, 12. Juli 2013
Wie Wirtschaftskriminelle zu Helden gemacht werden
Es ist bemerkenswert, wie in der deutschen Öffentlichkeit auf Wirtschaftskriminalität in Rußland reagiert wird. Während russische Geschäftsleute, die in der EU investieren oder Geld anlegen, meist per se des unrechtmäßigen Handelns bezichtigt werden (siehe Zypern), mutieren dieselben Typen, sobald sie Ärger mit der rußländischen Justiz haben, zu "Kremlkritikern" und "politisch Verfolgten". Aus Leuten, die man erst kollektiv als große Gauner darstellt, werden urplötzlich Heilige, die man als guter Deutscher unbedingt unterstützen muß.
So etwa geschehen im Fall des Moskauer Bankiers Sergej Borodin (auf der Wikipedia-Seite wird auch seine "Leidensgeschichte" erzählt). Er hat sich, nachdem 2011 in der RF ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, nach Großbritannien abgesetzt und verbreitet seither seine Version der Geschichte von "politischer Verfolgung". London ist mittlerweile zum Sammelpunkt zahlreicher rußländischer Wirtschaftskrimineller geworden, von denen der kürzlich verblichene Boris Beresowskij der bekannteste war. Sie stehen dort unter dem Schutz der britischen Regierung, genießen ihren Reichtum und dürfen sich als "politische Flüchtlinge" gerieren und gegen den außenpolitischen Feind der Briten - Rußland, ihre Heimat - agitieren.
(So war es schon im 19. Jahrhundert während des Krimkrieges. Damals war schrieb der Sozialist Alexander Herzen Pamphlete, welche die russischen Soldaten auf der Krim zum Überlaufen zu den Briten motivieren sollten.)
Zumeist ist die westliche Presse geneigt, diesen einseitigen Erzählungen Glauben zu schenken, frei nach dem Motto "Der böse Putin ist immer schuld". Dumm nur, wenn die Justiz anderer Länder zu denselben Schlußfolgerungen kommt wie die des angeblich "neo-sowjetischen Unrechtsstaates" Rußland. So geschehen im Fall Borodin. Im Mai diesen Jahres hat ihn ein Schweizer Gericht des Betruges und der Geldwäsche für schuldig befunden.
Auch für den zum Helden stilisierten Michail Chodorkowskij sind seine Gerichtsauftritte in Europa bisher negativ ausgegangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Verfahren festgestellt, daß seine Strafverfolgung nicht politisch motiviert war und damit die Entscheidungen der rußländischen Gerichte in der Sache weitgehend bestätigt. Lediglich einige prozessuale Aspekte wurden vom EGMR gerügt.
Doch diese Gerichtsentscheidungen fechten unsere Journalisten und Politiker nicht an. Sie kämpfen weiter gegen Rußland, seine Gesetze und Gerichte. Und schrecken dabei - wie üblich - nicht vor Falschinformationen zurück. So berichteten gestern mehrere Medien höchst pikiert, das Twerskij-Gericht in Moskau habe gestern mit Sergej Magnizkij angeblich einen Toten "verurteilt" - so die Wortwahl mehrerer Zeitungen. Dem ist natürlich nicht so, denn in der Rußländischen Föderation finden keine Leichenprozesse statt. Gemäß Artikel 24 Abs. 1 des Strafprozeßkodex' können Verstorbene strafrechtlich nicht belangt werden. Folglich hatte die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall auch die Einstellung des Verfahrens beantragt.
(Alles andere wäre auch Unsinn und nur einige rußländische "Menschenrechtler" aus den Reihen von Memorial fordern bizarrerweise Strafprozesse gegen Tote.)
Doch gab es in dem Strafverfahren noch einen zweiten Angeklagten, der quieklebendig ist und in Großbritannien lebt: William Browder, für dessen Investmentfond Hermitage Capital der Jurist Magnizkij als Buchhalter gearbeitet hatte, wurde in Abwesenheit wegen Steuerbetruges zu neun Jahren Haft verurteilt. In diesem Zusammenhang mußte sich das Gericht naturgemäß auch mit der Rolle Magnizkijs beschäftigen, der der eigentlich Handelnde gewesen war. Und somit finden sich im Urteilstext Bemerkungen über seine Schuld.
Daraus einen Skandal zu machen, ist schon sehr gewagt. Auch Verurteilungen in Abwesenheit - wie im Fall Browders - sind in einigen europäischen Staaten üblich (z.B. in Frankreich). Wenn sich ein Angeklagter dem Zugriff des Gerichtes entzieht (und vielleicht nicht einmal einen Rechtsanwalt entsendet), muß eben aufgrund der Aktenlage und vorhandener Zeugen entschieden werden. Das macht weder aus Frankreich noch aus Rußland einen Unrechtsstaat.
Im Prozeß ging es um eine interessante Möglichkeit der Steuerersparnis, die - wäre sie in Deutschland passiert - unsere linken Medien massiv auf den Plan gerufen hätte: Magnizkij hatte laut Gericht im Auftrag seines Arbeitgebers bei zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Kalmückien Beschäftigungsverhältnisse für behinderte Menschen fingiert, um so zu Unrecht in den Genuß von Steuererleichterungen zu kommen, die es in der RF wie andernorts für die Eingliederung Behinderter in das Berufsleben gibt. Die Staatsanwaltschaft bezifferte den Steuerausfall auf umgerechnet rund 13 Mio. €.
Für Browder war es übrigens nicht die erste Kollision mit der rußländischen Justiz. Bereits im März 2013 wurde gegen ihn wegen Unregelmäßigkeiten im Aktienhandel ein Haftbefehl ausgestellt. Die inkriminierten Handlungen Browders und seiner Angestellten/Komplizen sollen bis ins Jahr 1999 zurückreichen; sie waren 2007 aufgeflogen.
Doch Browder muß sich darum nicht kümmern. Er sitzt warm und trocken in London und ignoriert die Strafverfolger demonstrativ. Gleichwohl hat er in den USA durch massives Lobbying politische Unterstützung gewonnen (Stichwort: Magnitsky Act) und stellt sich so als politisch Verfolgten dar, als ein lauterer Geschäftsmann, dem der böse Diktator aus dem Kreml ans Leder will. Da Rußland strafrechtlich nicht an ihn herankommt, versucht man es jetzt in London auf zivilrechtlichem Wege. Mal sehen, was dabei herauskommen wird. Vielleicht ein zweiter Borodin?
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(So war es schon im 19. Jahrhundert während des Krimkrieges. Damals war schrieb der Sozialist Alexander Herzen Pamphlete, welche die russischen Soldaten auf der Krim zum Überlaufen zu den Briten motivieren sollten.)
Zumeist ist die westliche Presse geneigt, diesen einseitigen Erzählungen Glauben zu schenken, frei nach dem Motto "Der böse Putin ist immer schuld". Dumm nur, wenn die Justiz anderer Länder zu denselben Schlußfolgerungen kommt wie die des angeblich "neo-sowjetischen Unrechtsstaates" Rußland. So geschehen im Fall Borodin. Im Mai diesen Jahres hat ihn ein Schweizer Gericht des Betruges und der Geldwäsche für schuldig befunden.
Auch für den zum Helden stilisierten Michail Chodorkowskij sind seine Gerichtsauftritte in Europa bisher negativ ausgegangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Verfahren festgestellt, daß seine Strafverfolgung nicht politisch motiviert war und damit die Entscheidungen der rußländischen Gerichte in der Sache weitgehend bestätigt. Lediglich einige prozessuale Aspekte wurden vom EGMR gerügt.
Doch diese Gerichtsentscheidungen fechten unsere Journalisten und Politiker nicht an. Sie kämpfen weiter gegen Rußland, seine Gesetze und Gerichte. Und schrecken dabei - wie üblich - nicht vor Falschinformationen zurück. So berichteten gestern mehrere Medien höchst pikiert, das Twerskij-Gericht in Moskau habe gestern mit Sergej Magnizkij angeblich einen Toten "verurteilt" - so die Wortwahl mehrerer Zeitungen. Dem ist natürlich nicht so, denn in der Rußländischen Föderation finden keine Leichenprozesse statt. Gemäß Artikel 24 Abs. 1 des Strafprozeßkodex' können Verstorbene strafrechtlich nicht belangt werden. Folglich hatte die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall auch die Einstellung des Verfahrens beantragt.
(Alles andere wäre auch Unsinn und nur einige rußländische "Menschenrechtler" aus den Reihen von Memorial fordern bizarrerweise Strafprozesse gegen Tote.)
Doch gab es in dem Strafverfahren noch einen zweiten Angeklagten, der quieklebendig ist und in Großbritannien lebt: William Browder, für dessen Investmentfond Hermitage Capital der Jurist Magnizkij als Buchhalter gearbeitet hatte, wurde in Abwesenheit wegen Steuerbetruges zu neun Jahren Haft verurteilt. In diesem Zusammenhang mußte sich das Gericht naturgemäß auch mit der Rolle Magnizkijs beschäftigen, der der eigentlich Handelnde gewesen war. Und somit finden sich im Urteilstext Bemerkungen über seine Schuld.
Daraus einen Skandal zu machen, ist schon sehr gewagt. Auch Verurteilungen in Abwesenheit - wie im Fall Browders - sind in einigen europäischen Staaten üblich (z.B. in Frankreich). Wenn sich ein Angeklagter dem Zugriff des Gerichtes entzieht (und vielleicht nicht einmal einen Rechtsanwalt entsendet), muß eben aufgrund der Aktenlage und vorhandener Zeugen entschieden werden. Das macht weder aus Frankreich noch aus Rußland einen Unrechtsstaat.
Im Prozeß ging es um eine interessante Möglichkeit der Steuerersparnis, die - wäre sie in Deutschland passiert - unsere linken Medien massiv auf den Plan gerufen hätte: Magnizkij hatte laut Gericht im Auftrag seines Arbeitgebers bei zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Kalmückien Beschäftigungsverhältnisse für behinderte Menschen fingiert, um so zu Unrecht in den Genuß von Steuererleichterungen zu kommen, die es in der RF wie andernorts für die Eingliederung Behinderter in das Berufsleben gibt. Die Staatsanwaltschaft bezifferte den Steuerausfall auf umgerechnet rund 13 Mio. €.
Für Browder war es übrigens nicht die erste Kollision mit der rußländischen Justiz. Bereits im März 2013 wurde gegen ihn wegen Unregelmäßigkeiten im Aktienhandel ein Haftbefehl ausgestellt. Die inkriminierten Handlungen Browders und seiner Angestellten/Komplizen sollen bis ins Jahr 1999 zurückreichen; sie waren 2007 aufgeflogen.
Doch Browder muß sich darum nicht kümmern. Er sitzt warm und trocken in London und ignoriert die Strafverfolger demonstrativ. Gleichwohl hat er in den USA durch massives Lobbying politische Unterstützung gewonnen (Stichwort: Magnitsky Act) und stellt sich so als politisch Verfolgten dar, als ein lauterer Geschäftsmann, dem der böse Diktator aus dem Kreml ans Leder will. Da Rußland strafrechtlich nicht an ihn herankommt, versucht man es jetzt in London auf zivilrechtlichem Wege. Mal sehen, was dabei herauskommen wird. Vielleicht ein zweiter Borodin?
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