Sonntag, 15. November 2009

Amerikanische Waffen für den Zaren

Von Umberto Eco stammt die Erkenntnis, daß man vor allem deshalb in eine Bibliothek gehe, um Bücher zu entdecken, von deren Existenz man zuvor nichts wußte. Bei einem solchen Gang durch eine große historische Bibliothek ist mir die Dissertation von Joseph Bradley aufgefallen: "Guns for the Tsar - American Technology and the Small Arms Industry in Nineteenth-Century Russia". Dieser Titel ist in Deutschland recht unbekannt; selbst Karl-Heinz Wrobel erwähnt ihn in seinem zweibändigen Standardwerk über die Entwicklung des Mosin-Nagant-Gewehrs nicht.

Dabei hat es Bradleys Schrift in sich. Im Jahre 1990 erschienen (also noch vor dem Ende der Sowjetunion), mußte er sich mit einem geschichtspolitisch unproblematischen Thema beschäftigen. Das hat Bradley jedoch gründlich getan und viele russische und amerikanische Originalquellen ausgewertet, um den amerikanischen Einfluß auf die Waffenindustrie des Zarenreiches darzustellen. Der wichtigste Name in diesem Kontext ist Samuel Colt, der als Person in Rußland großes Ansehen genoß und mehrfach vom Zaren zu einer Audienz empfangen wurde. Doch auch andere sind zu nennen.
Bradley hat sich allerdings nicht nur auf dieses enge Feld kapriziert, sondern behandelt ausführlich auch verwandte Aspekte: den Zustand und die Entwicklung der Waffenmanufakturen, die Entwicklung der Waffentechnik und des Militärwesens im allgemeinen sowie die politische Großwetterlage. Und zwar nicht nur auf Rußland bezogen, sondern immer auch im Vergleich mit dem Rest Europas und den USA. Der zeitliche Rahmen wird in etwa durch die Jahre 1850 und 1900 abgesteckt.

Damit ist das knapp 190 Seiten starke Buch ein "must-have", welches Informationen liefert, die ansonsten in deutscher oder englischer Sprache kaum zu bekommen sind. Daher lege ich die Lektüre allen an der russischen Waffengeschichte Interessierten sehr ans Herz.


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