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Dienstag, 18. August 2009

Weitere Anschläge im Nordkaukasus


Heute hat es wieder einen Bombenattentat mit vier Verletzten im Nordkaukasus gegeben, diesmal in der dagestanischen Ortschaft Kisiljurt. Unterdessen werden weitere Details des gestrigen Anschlags auf die Polizeiverwaltung in Nasran (Inguschetien) bekannt. So haben die Attentäter zwei Anläufe benötigt, nachdem sie von wachhabenden Polizisten unter Feuer genommen worden waren. Die Bombe hatte eine Sprengkraft von 400 kg TNT-Äquivalent, wobei insgesamt 21 Todesopfer und 119 Verletzte zu beklagen sind. In den Trümmern des Gebäudes werden noch neun Polizisten vermißt. Ebenso wurden bereits erste personelle Konsequenzen gezogen: Wegen ungegügender Fahdungsarbeit (der Lieferwagen, auf dem die Bombe transportiert wurde, war als gestohlen gemeldet) hat Präsident Medwedew den inguschetischen Innenminister Ruslan Mejrijew vorläufig suspendiert.
Das folgende Video (von gestern Abend) vermittelt einen Eindruck von den Geschehnissen in Nasran:




Jetzt drei Mosaiksteine zu den (möglichen) Hintergründen der neuerlichen Terrorwelle.
In der vergangenen Woche hat Sean Guilleroy in seinem Blog einen Artikel über die jüngste Ermordung von Menschenrechtlern in Tschetschenien publiziert. Obwohl er sich - wie viele Journalisten - allzu sehr auf diese eine Kaukasusrepublik kapriziert und das geographische und religiöse Umfeld außer Acht läßt, so macht der folgende Absatz das politische Dilemma in Tschetschenien doch sehr deutlich:
"[...]

True, one can and should point the finger at the Kremlin, and at Putin in particular. Kadyrov is his boy. But at the same time bashing the Kremlin becomes counter productive at some point. After all, Moscow is knee deep in this mess too. Every wiggle to the right or left sucks it deeper into the Chechen nightmare. Be sure, the last thing Medvedev and Co. want are more killings that bring more international attention to a situation that is increasingly deteriorating. And sure Medvedev could and probably should remove Kadyrov. I’m sure Putin would somehow find a way to save face if his progeny did. But doing that would pose the very real and difficult question: who would replace Kadyrov? Would it be worth risking a possible civil war between competing clans? Sending in Russian troops? None of these sound appealing. In fact, they sound disastrous.

[...]"
Einfache Schwarz-weiß-Lösungen gibt es im Kaukasus nicht.
Auf einen zweiten Aspekt wird in einer Meldung von RIA Nowosti hingewiesen: In Teilen der tschetschenischen Elite hofft man anscheinend, daß es zu einer Wiedervereinigung mit Inguschetien kommen könnte. Davon wollen allerdings die Inguschen nichts wissen:
"[...]

Der Präsident der russischen Teilrepublik Inguschetien im Nordkaukausus, Junus-Bek Jewkurow, hat eine erneute Vereinigung mit der Nachbarrepublik Tschetschenien kategorisch ausgeschlossen.

"Alle müssen einfach begreifen, dass es niemals eine Vereinigung zwischen Tschetschenien und Inguschetien geben wird. Vielleicht wird es in der Zukunft eine Erweiterung bis auf ein Kaukasisches Gouvernement geben. Es gibt zwar heute solche Schwärmer, doch eine Vereinigung zwischen Inguschetien und Tschetschenien wird es nicht geben. Das Volk Inguschetiens will das nicht und auch das tschetschenische Volk will das nicht. Wir sind schon einmal zusammen gewesen, es reicht uns", sagte Jewkurow am Montag in einem Radioninterview für einen russischen Nachrichtensender.

Nach seinen Worten muss der Dialog mit dem tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow über eine klare Grenzziehung zwischen beiden Republiken fortgesetzt werden. Auch Brudervölker bräuchten einen Zaun. "Das Problem muss in der nächsten Zeit gelöst werden, es darf nicht alles hinausgeschoben werden", sagte er.

Eine Republik ohne Grenzen sei keine Republik.
Inguschetiens Republikchef betonte, dass die Grenzfrage zwischen den beiden kaukasischen Teilrepubliken ohne Einmischung der Moskauer Behörden gelöst werden muss.

Unter Josef Stalin wurden Inguschetien und Tschetschenien zu einem autonomen Gebiet und 1936 zu einer autonomen Republik der Tschetschenen und Inguschen zusammengelegt. Die erste vereinigte Republik hatte nur sieben Jahre bis 1944 Bestand. 1957 wurden beide Territorien erneut vereinigt, die zweiteilige Autonomie dauerte fast 35 Jahre.
1992 kam es zu einer Spaltung: Inguschetien wollte ein Teil Russlands bleiben und unterzeichnete einen entsprechenden Vertrag. Tschetschenien erklärte seine volle Souveränität und wurde kurz danach in innere Fehden und in einen Krieg mit Russland hineingezogen.

Die Führung Inguschetiens hatte mehrmals erklärt, dass es kein drittes Tschetscheno-Inguschetien geben werde.
Beim Attentat am 22. Juni war der Präsident der Republik, Junus-Bek Jewkurow, schwer verletzt worden und wurde in einem Moskauer Krankenhaus behandelt. Vor vier Tagen kehrte er in sein Amt zurück."
Damit könnten einige der jüngsten Ereignisse vielleicht in einem anderen Licht erscheinen. Und auch Jewkurows Andeutungen bezüglich eines Machtkampfes würden so in einem anderen Licht erscheinen. Ich will mich hier aber nicht zu Spekulationen oder gar Verschwörungstheorien hinreißen lassen.

Schließlich möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Leser auf das folgende Fernsehinterview mit Dmitrij Babitsch lenken, der u.a. regelmäßig für Russia Profile schreibt. Obgleich Babitsch als Putin-Kritiker bekannt ist (gut, welcher russische Journalist ist nicht als Putin-Kritiker bekannt?), sieht er hier ein Vordringen des islamischen Fundamentalismus als Ursache an. Zudem habe - und das ist neu für Babitsch - die sog. bewaffnete Opposition mit diesen Anschlägen ihren Anspruch auf politische Teilhabe verwirkt.




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