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Samstag, 2. Mai 2009

02.05.2009: Text des Tages

Der preußische General Carl von Clausewitz ist vor allem als Kriegstheoretiker und Autor des epochalen Werkes "Vom Kriege" bekannt. Ein weniger bekannter Teil seiner Vita ist sein 1812 erfolgter Übertritt in russische Dienste, um nicht als Deutscher und preußischer Offizier für Napoleon kämpfen zu müssen. Aus diesem Anlaß ist die folgende Bekenntnisschrift entstanden, die auf den ersten Blick nur wenig mit dem abgeklärten Philosophen des Spätwerkes gemein hat. Und doch war es derselbe Mann.

Man stelle sich das bitte vor: Preußen war 1806 in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen worden, was einen weitgehenden Zusammenbruch der Armee zur Folge hatte. Der Korse wurde in der Berliner Schickeria als Verkörperung des Weltgeistes gefeiert. Dann kam ein vom französischen Kaiser oktroyierter Friedensvertrag mit erheblichen Gebietsabtretungen etc. Seit 1807 war die einst legendäre preußische Armee unter der Leitung von Boyen und Scharnhorst mühsam reorganisiert worden. Und dann soll Preußen auch noch Truppen für die Grande Armee stellen, um - entgegen seinen Interessen - am Rußlandfeldzug Napoleons teilzunehmen.

Für Clausewitz als politisch denkenden Offizier war das zuviel. Er nahm seinen Abschied aus der Armee und verfaßte die "Drei Bekenntnisse", nahm aber von einer Veröffentlichung Abstand. Im Mai 1812 traf er schließlich in St. Petersburg ein und wurde Oberstleutnant, was er bis zu seiner Rückkehr ins preußische Heer 1814 blieb. Um den Jahreswechsel 1812/1813 sollte er schließlich bei den Verhandlungen über die Konvention von Tauroggen eine maßgebliche Rolle spielen. Dieser an sich unscheinbare Vertrag war der Anfang vom Ende der französischen Besetzung Deutschlands.

"Ich sage mich los:

Von der leichtsinnigen Hoffnung einer Errettung durch die Hand des Zufalls;
von der dumpfen Erwartung der Zukunft, die ein stumpfer Sinn nicht erkennen will; von der kindischen Hoffnung, den Zorn eines Tyrannen durch freiwillige Entwaffnung zu beschwören, durch niedrige Untertänigkeit und Schmeichelei ein Vertrauen zu gewinnen;
von der falschen Resignation eines unterdrückten Geistesvermögens;
von dem unvernünftigen Mißtrauen in die uns von Gott gegebenen Kräfte;
von der sündhaften Vergessenheit aller Pflichten für das allgemeine Beste;
von der schamlosen Aufopferung aller Ehre des Staates und Volkes aller persönlichen und Menschenwürde!

Ich glaube und bekenne:

Daß ein Volk nichts höher zu achten hat als die Würde und Freiheit seines Daseins;
daß es diese mit dem letzten Blutstropfen verteidigen soll;
daß es keine heiligere Pflicht zu erfüllen, keinem höheren Gesetz zu gehorchen hat;
daß der Schandfleck einer feigen Unterwerfung nie zu verwischen ist;
daß dieser Gifttropfen im Blut eines Volkes in die Nachkommenschaft übergeht und die Kraft später Geschlechter lähmen und untergraben wird;
daß man die Ehre nur einmal verlieren kann;
daß die Ehre des Königs und der Regierung eins ist mit der Ehre des Volkes und das einzige Palladium seines Wohles;
daß ein Volk unter den meisten Verhältnissen unüberwindlich ist in dem großmütigen Kampfe um seine Freiheit;
daß selbst der Untergang dieser Freiheit nach einem blutigen und ehrenvollen Kampfe die Wiedergeburt des Volkes sichert und der Kern des Lebens ist, aus dem einst ein neuer Baum die sichere Wurzel schlägt!

Ich erkläre und beteuere der Welt und Nachwelt:

Daß ich die falsche Klugheit, die sich der Gefahr entziehen will, für das Verderblichste halte, was Furcht und Angst einflößen können;
daß ich die wildeste Verzweiflung für weiser halten würde, wenn es uns durchaus versagt wäre, mit einem männlichen Mute, das heißt: mit ruhigem, aber festem Entschlusse und klarem Bewußtsein der Gefahr zu begegnen;
daß ich die warnenden Begebenheiten alter und neuer Zeit, die weisen Lehren ganzer Jahrhunderte, die edlen Beispiele berühmter Völker nicht im Taumel der Angst unserer Tage vergesse und die Weltgeschichte hingebe für das Blatt einer lügenhaften Zeitung;
daß ich mich rein fühle von jeder Selbstsucht;
daß ich jeden Gedanken und jedes Gefühl in mir vor allen meinen Mitbürgern mit offener Stirn bekennen darf;
daß ich mich nur zu glücklich fühlen würde, einst in dem herrlichen Kampfe um Freiheit und Würde des Vaterlandes einen glorreichen Untergang zu finden!

Verdient dieser Glaube in mir und in den mir Gleichgesinnten die Verachtung und den Hohn unserer Mitbürger? Die Nachwelt entscheide hierüber! Auf dem heiligen Altare der Geschichte lege ich dieses leichte Blatt nieder, im festen Vertrauen, daß, wenn der Sturm der Zeit es hinwegweht, einst ein würdiger Priester dieses Tempels es sorgfältig aufheben und in das Jahrbuch des vielbewegten Völkerlebens einheften werde. Dann wird die Nachwelt richten und von dem Verdammungsurteile die ausnehmen, welche dem Strom der Verderbtheit mutig entgegengerungen und das Gefühl der Pflicht treu wie einen Gott im Busen bewahrt haben."

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