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Dienstag, 6. Januar 2009

Bemerkungen zum Gasstreit I

Zwar möchte ich mich in diesem Blog mit Ausflügen in die themenfremde Tagespolitik zurückhalten, kann heute jedoch nicht auf ein paar Bemerkungen zum derzeitigen Gasstreit zwischen der Ukraine und Rußland verzichten, da selbiger in der deutschen Presse z.T. sehr einseitig erörtert wird.

Zunächst die aktuellen Fakten:

1. Die Ukraine entnimmt illegalerweise aus den für die EU-Staaten bestimmten Lieferungen erhebliche Mengen Erdgas:
"[...] Kein Vertrag – kein Gas. Seit Neujahr muss Kiew auf russische Gaslieferungen verzichten. Stattdessen bedienen sich die Ukrainer an den Transitlieferungen für Europa. [...]"
So viel, daß in den Abnehmerstaaten z.T. schon deutlich weniger ankommt:
"[...] Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat für Griechenland massive Auswirkungen. Das Land am Mittelmeer beklagt einen Rückgang der Gas-Lieferungen um ein Drittel. [...]"
Und das, obwohl Gasprom mehr Gas in die Pipelines eingespeist hat. Seit heute Nacht kommt auf dem Balkan gar nichts mehr an. Mit anderen Worten: Die Ukraine hat Südosteuropa von seinen Energiezufuhren abgeschnitten.

2. Gestern hat zudem ein ukrainisches Gericht den Gastransit in die EU komplett untersagt:
"[...] In den Gas-Streit mit Russland hat sich jetzt auch noch ein Kiewer Gericht eingemischt - und kurzerhand den Transit von Erdgas durch die Ukraine nach Westen vorläufig für nicht rechtens erklärt. [...]"
Und das macht eine große deutsche Tageszeitung daraus:
"[...]

Die Russen machen mit ihrer Drohung ernst. Gazprom drosselt im Streit um Lieferungen an die Ukraine die Exporte nach Europa. Nun meldet die Türkei, dass russisches Gas nicht mehr ankommt. Die deutsche Regierung warnt: Russlands Ruf als verlässlicher Wirtschaftspartner stehe auf dem Spiel.

Russland hat nach Angaben des ukrainischen Gasunternehmens Naftogaz seine Erdgaslieferungen nach Europa um zwei Drittel gekürzt. Der russische Gasmonopolist Gazprom habe am 6. Januar nur 92 Millionen Kubikmeter Erdgas für Europa geliefert, gegenüber 221 Millionen und 300 Millionen an den beiden Vortagen, sagte Naftogaz-Sprecher Walentin Semljanski in Kiew.

[...]"
Nicht etwa die ukrainischen Entnahmen (man könnte sie auch als Gasdiebstähle bezeichnen) sind also Schuld an den Lieferengpässen in der EU, sondern - wie sollte es anders sein - die pösen Russen, vertreten durch Gasprom, die uns angeblich weniger Gas geben. Um diese Einseitigkeit und ihren Propagandaeffekt nicht zu gefährden, wird das gestrige Kiewer Gerichtsurteil überhaupt nicht erwähnt. Denn dadurch könnte ja das vermittelte Bild "Ukraine = gut, Rußland = böse" ins Wanken gebracht werden. Daher auch kein Hinweis auf die innenpolitische Dimension dieses Konflikts in der Ukraine (Juschtschenko vs. Timoschenko) und das politische Chaos, was seit Monaten in diesem Land herrscht.

Dieser Fall ist (wieder einmal) ein Lehrstück dafür, wie deutsche Medien versuchen, ihre Rezipienten zu manipulieren.


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