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Vielleicht ist alles nur das übliche Geschäft zwischen den Großen einer tripolaren Welt, in der jeder seine eigene Macht auszuweiten und die Machterweiterung der jeweils anderen zu verhindern sucht. Vielleicht aber spielen sich zwischen Russland und den Vereinigten Staaten in diesen Monaten besondere Szenen ab. Sie könnten außer von den geopolitischen Konstanten durch persönliche Umstände hervorgerufen worden sein: Im Unterschied zur chinesischen Führung liegen die Präsidenten Russlands und Amerikas in ihren weltpolitisch letzten Zügen.[...]
Unter diesem Vorzeichen verbinden sich sachlich und geographisch ganz unterschiedliche Probleme zu einem einzigen Gleichgewichtsproblem. Was hat die angeblich gegen Iran gerichtete Raketenabwehr mit der Selbständigkeit des Kosovos zu tun? Schon auf Anhieb so viel, dass Amerika genau dort Markklötze setzen will, wo Russland sich mit Fleiß bedrängt fühlt: in Polen, in der Tschechischen Republik, in Serbien. Da geraten Zusagen aus der Zeit der Wende 1989/91 ebenso ins (angebliche oder tatsächliche) Wanken wie der KSZE-Grundsatz aus dem Jahr 1975 der Unverletzlichkeit der Grenzen. Wo kollektive Beschlüsse schwer zu erreichen sind - in der Nato im Falle der Raketenabwehr, in den UN im Falle des Kosovos -, sollen bilaterale Absprachen herhalten.
So robust vorzugehen zeigt wahre Macht; sich dagegenzustemmen offenbart unverhülltes Machtstreben, zumindest: es dem Mächtigsten gleichzutun. Da ist die Verstetigung des Machtkampfes nicht mehr fern; auch wenn sie mit kühlem Verstand betrieben werden wird, wird sie in eine Dauerrivalität führen. Friedlicher gestimmte Akteure der Weltpolitik wie die EU einerseits oder Indien andererseits werden jedes Mal rätseln, was Ursache und was Wirkung ist: Sind die Vorstöße Bushs (die genannten Beispiele) beziehungsweise Putins (etwa in Sachen Gasversorgung) die Ursache des Misstrauens und der Eifersucht, oder sind Misstrauen und Eifersucht die Ursache der regelmäßigen Vorstöße? Der Sieg der Demokratie wischt nun einmal nicht alle Rivalitäten vom Tisch; und auch der Personalwechsel wird nicht die nationalen Konstanten beseitigen."
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Mittwoch, 13. Juni 2007
"Ursache und Wirkung"
Ein Kommentar aus der FAZ vom 11. Juni verdient es, hier wiedergegeben zu werden, denn darin wendet sich diese Tageszeitung bei der Analyse der internationalen Politik erstmals von ihrer unkritischen, die "einzige Weltmacht" der Vereinigten Staaten bejubelnden Position ab und erkennt den tendenziell multipolaren Charakter der Welt an. Und es wird endlich einmal zugegeben, daß die Lösung internationaler Probleme nicht (allein) in der Verbreitung des 'richtigen' innenpolitischen Prinzips (der Demokratie) oder im 'richtigen' Personal bestehen kann:
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