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Mittwoch, 25. April 2007

Grenzen des Völkerrechts

Am vergangenen Sonntag hat Eric Posner in einem Essay im Wall Street Journal die Grenzen des Völkerrechts, insbesondere in Bezug auf den Grundrechtsschutz, beschrieben:

"What the Cold War Taught Us

Liberal democracies, not activists and international law, protect human rights.

[...]

The international human rights regime has fallen on hard times. Kenneth Roth, executive director of Human Rights Watch, wrote recently that "since the U.S. can't provide credible leadership on human rights, European countries must pick up the slack." But the Europeans, Mr. Roth notes, are no more enthusiastic about pressuring foreign countries than is the U.S.

The United Nation's Human Rights Council is in no position to pick up the slack, either.
The Human Rights Council has performed even more dismally than its much maligned predecessor, the U.N. Commission on Human Rights. The latter was disbanded because it had become a platform dominated by human rights abusers who used it mostly for criticizing Israel. The Human Rights Council, by contrast, is a platform dominated by human rights abusers who use it exclusively for criticizing Israel.

Late last month the commission finally issued a weak resolution on the genocide in Darfur, one, in the words of U.N. Watch, that "failed to condemn or even to cite the Sudanese government." At the same time, it urged governments "to prohibit the dissemination of racist and xenophobic ideas and material aimed at any religion" - a reference to the Danish cartoon controversy and a sentiment deeply in conflict with Western ideals of freedom of expression.

So if Americans, Europeans, and the U.N. will not lead on human rights, who will? Nobody, and maybe that is not such a bad thing.

[...]"


Posners Erwägungen sind zwar weder neu noch übermäßig originell, aber durchaus lesenswert und finden auch großteils meine Zustimmung. Anstatt nun aber die (eigentlich naheliegende) Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Idee einer weltweiten, evtl. auch zwangsweisen Durchsetzung von Menschenrechten aus vielfältigen Gründen undurchführbar ist, plädiert er im letzten Absatz für eine Art 'demokratischen Imperialismus':
"[...]

The role of legalized international human rights in this process has been minimal or nil. Much more important in the 20th century were the determined efforts of liberal democracies to oppose powerful, dangerous, expansionist states that rejected markets and democracy, and imposed their views on small countries. These efforts required pragmatic accommodation of unsavory allies, and even compromising of Western values, for the sake of the greater goal of keeping dangerous forces in check. For the conflict with radical Islam, this history holds important lessons."

Diese Vorstellung ist sicher nicht wünschenswert, denn auch ein mächtiger, gefährlicher und expansionistischer Staat, der demokratisch verfaßt ist, kann anderen Völkern seinen Willen gegen deren eigenen aufzwingen. Zur Demokratie als Verfassungsform gehört aber nicht nur das demokratische Prozedere innerhalb des Staates und seiner Organe, sondern auch - als Grundentscheidung - die Frage, ob eine Demokratie vom betroffenen Volk überhaupt gewünscht wird. Hier schließt sich ferner die alte Hobbes-Frage 'quis iudicabit?' an: Wer entscheidet allgemein verbindlich darüber, welcher konkrete Staat noch eine akzeptable Demokratie ist und welcher zum Objekt eines "Kreuzzuges" gemacht wird? Ein Beispiel: Darf - siehe Großbritannien - eine Parlamentskammer auch aus ernannten (bzw. erblichen) Mitgliedern bestehen oder müssen alle gewählt worden sein?

(Grundsätzlich trifft das gleiche auch auf die Marktwirtschaft zu. Wenn sich ein Volk durch eine Planwirtschaft unbedingt selbst schädigen will, so ist es seine eigene Entscheidung.)

Neben der Frage nach der Entscheidungskompetenz erhebt sich ein weiteres praktisches Problem: die Weltherrschaft eines Staates - der USA - und einiger ihrer Verbündeter ist heute de facto genauso undurchführbar wie ein Weltstaat, eine Weltgesellschaft oder wie die austauschbaren Begrifflichkeiten der 'Peace through law'-Gläubigen auch heißen mögen. (Daß dies so ist, kann man täglich im Irak und in Afghanistan beobachten.)

Die Welt ist heute in einer Lage, die die Durchsetzung von Universalismen (gleich welcher Art) unmöglich macht. Dabei ist es gleichgültig, ob man diese Lage eher anhand von politischen (z.B. Multipolarität) oder kulturellen Begriffen (z.B. Kulturkreise) beschreibt. Und es ist für den vorgenannten Befund auch nachrangig, ob sich dieses System stabilisieren wird oder ob ein 'Neues Mittelalter' droht. Posners teleologisches Konzept, daß sich 'westliche Werte' fast von alleine durchsetzen, oder daß ggf. auch nachgeholfen werden muß, ist unrealistisch. Eine 'Weltgemeinschaft' existiert jedenfalls nur als rhetorische Figur.

(Zur weiteren Diskussion von Posners Text siehe auch hier und hier.)

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