Seiten

Donnerstag, 5. April 2007

Drehen die Balten jetzt durch?

Der Verfasser dieser Zeilen, dessen Vorfahren aus Ostpreußen stammen, hat eine schon fast lebenslange Sympathie für die Esten, Letten und Litauer, die auch seine politischen Ansichten über diesen Raum für lange Zeit präjudiziert hat. Aber seit einigen Monaten wird diese Zuneigung auf eine harte Probe gestellt - durch eine Politik der drei Baltenrepubliken, die absolut nichts mit ihrer eigenen Sicherheit zu tun hat, sondern der aktiven Bekämpfung Rußlands dient. Im russisch-georgischen Konflikt des Herbstes 2006 wurde einseitig Saakaschwili unterstützt, wie zuvor bereits Juschtschenko in der Ukraine. Seit ihrem Beitritt zu NATO und EU werden ihre Regierungen selbstbewußter - oder frecher. Und sie scheinen mittlerweile auch die Neigung ihrer amerikanischen 'Freunde' zur Selbstüberschätzung zu teilen.
Doch eine derartige Politik ist nicht mehr vom legitimen Sicherheitsinteresse dieser Staaten vor ihrem großen Nachbarn gedeckt. Mithin besteht auch für die anderen EU- und NATO-Mitglieder kein Grund, sich für eventuelle Folgen dieses Vorgehens in Haftung nehmen zu lassen. Verteidigung ja, Angriff nein.

Gestern hat Mart Helme "The Beginning of a New Cold War" ausgerufen. Der gesamte Text ist in einem äußerst aggressiven Ton geschrieben (und man könnte fast meinen, daß er aus der Feder von "La Russophobe" stammt ;)). Helme erklärt Rußland zum Feind des "Westens", weil es innenpolitisch nicht "westlich" ist und auch nicht jede außenpolitische Idee des Weißen Hauses unterstützt. Er verfechtet ein manichäisches Weltbild nach dem Motto 'wer nicht für uns ist, ist gegen uns', ist dezidiert anti-europäisch (soviel zu der gerade von den Neumitgliedern der EU so oft geforderten Solidarität) und seine geoökonomischen Erwägungen zur Rohstoffversorgung sind offenkundiger Nonsens. Dann wird eine Bedrohung durch den bösen russischen Bären an die Wand gemalt, die in folgendem Schlußabsatz gipfelt:
"[...]

We need a new Truman doctrine. We need a new “Berlin wall” against neo-Stalinist Russia and its anti-Western allies. This time the Baltics cannot be left to the East of it. ‘Old Europe” has to realize that the attempts at democratising Russia have failed. The efforts at integrating Russia with the West have failed. Only one option remains: Russia, which is threatening world peace, must be opposed through a New Cold War."

Der Mann spinnt offensichtlich. Das ist Neocon-Ideologie pur: Alle die nicht bedingungslos für uns sind, stellen eine Bedrohung für den Weltfrieden dar (vgl. Art. 39 UN-Charta) und müssen rücksichtslos in die Knie gezwungen werden. Ein Rußland, das den USA nicht wie in den 90ern zu Füßen liegt, ist natürlich ein neo-stalinistisches (ein Kommentator im Brussels Journal nennt Putin gar einen Altkommunisten) - wissen diese Leute überhaupt, was sie dort von sich geben?
Der Gedanke, daß man mit allen Staaten auf dieser Welt - idealiter zum beiderseitigen Vorteil - nach Möglichkeit irgendwie auskommen sollte, hat den 'Wadenbeißer' Helme scheinbar noch nicht erreicht. (Es ist überhaupt interessant, daß es häufig die 'Kleinen' sind, die zu verbaler Aggressivität neigen - um so lauter, je machtloser sie selbst sind.) Stattdessen adaptiert er Gedankengut, das seine Mentoren in Washington schon in die Irak-Falle geführt hat, aus der sie jetzt nicht wieder herauskommen. Die deutsche Politik ist gut beraten, wenn sie nicht auf das ebenso irrationale wie wutschäumende Geheul dieser "Atlantiker" hört. Die Welt besteht nicht (nur) aus gut und böse.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen